Bevor hier Gerüchte entstehen, mein Drehwurm hätte mich in ein menschliches Kettenkarussell verwandelt, arbeite ich hier mal gegen. Also, alles wieder gut, die Planung haute doch einigermaßen hin, bis auf einen 50. Geburtstag mit viel Spaß und Tanz, der abgesagt werden musste.
Und sonst? Wir waren im Paralleluniversum oder besser im Geburtsort des Grafen und das kam so: Die Frau Rosmarin lud nach Bielefeld ein und da einige Landesgrenzen überschritten und wir über die Zukunft des ins-Internet-schreibens sprachen, war das natürlich ein Internationales Bloggertreffen. Sogar die Zeitung berichtete über uns, re:publica, nimm das!
Neben der Erörterung von Fragen gegenseitigen Interesses („Ich habe „laß es so“. – „An unserer Badtür hängt „gefällt mir“), vielfältigen vertrauensbildenden Maßnahmen („Noch jemand Mai Tai oder Sekt?“) und Kontaktpflege („Teilt sich jemand das Steak mit mir?“), war man künstlerisch tätig – eine Jam-Session mit Digeridoo und Baß, fand eine Stadtführung einhelligen Beifall und wurde der Abend mit einer Bielefelder Flaneurs-Kneipengala gekrönt, die unter dem Motto „Gutes Bier wohlfeil und gut Essen können Sie zu Hause“ stand. Das ganze dann auch noch bei paradiesischem Frühlingssonnenglanz und Temperaturen um 18 Grad bzw. milder Nachtkühle.
Am Sonntag saßen wir dann im Garten der Frau Ro ermattet in der Sonne und plauderten, das einzig bedauerliche war, dass sich ab und zu jemand verabschieden musste, um den Timeslot ins Alltagsuniversum nicht zu verpassen. Sonst hätten wir wohl noch ewig so gesessen und ab und zu mal den Grill angemacht oder Mai Tais gemixt.
Für mich, als ständige Begleiterin eines Bielefeldgeborenen, ist es weniger schwierig die Dimension zu wechseln, und so machten der Graf und ich sogar noch eine kleine Reise in die Vergangenheit.
Zuerst ging es über die Bielefelder Stadtgrenze, zum äußersten Zipfel von Herford. Eine Gemarkung, die vor 100 Jahren von einer Gegend rückständiger, armer Landwirte, die mit einer Kuh und etwas Acker eine Hecke Kinder durchbrachten, zu einer Gegend wurde, in der die Eisenbahn und die nachziehende Industrie lohnenswertere Arbeit und Wohlstand brachten. Der Preis: Eine Bundesstraße vor der Tür und eine ICE-Trasse hinterm Garten.
Dann fuhren wir über ein paar Hügel auf eine wunderschöne grüne Hochebene. Hier ging es den Leuten vor 100 Jahren gut, sie hatten Ackerland, Pferde, Landarbeiter und immer genug zu essen. Bis es allen anderen viel besser ging und keiner mehr am Land schuften wollte. Da war der Hoferbe in den 50ern keine gute Partie mehr und die Tochter des Pächters heiratete lieber den Jungingenieur und zog an die Bahnstrecke. Was übrig blieb: Großzügige, unberührte Landschaft, fast original erhaltene große Bauernhäuser und eine Windmühle, die bis in die 70er keinen Stromanschluß hatte. (Voll öko also.)
Wir machten noch einen Abstecher ins Wiehengebirge, vorbei an hübschen westfälischen Fachwerkhäusern und gruseligen baumarktverklinkerten Sanierungsüberlebenden. Im Gepäck ein Bild von wahrscheinlich 1905, auf dem die Frauen Tracht und die Männer Stehkragen trugen, Grundfarbe Schwarz. Ernste, verarbeitete Menschen mit feierlichem Gesichtsausdruck.
Dann rutschten wir auf der Autobahn zurück und wie es so ist, wenn es allzu glatt geht, standen wir mit mächtigem Hunger im Bauch kurz vor Brandenburg eine Stunde im Stau, bis das verknotete Blech zwei Kilometer vor uns weggeräumt war. Doch Gott sei Dank war nichts Schlimmes passiert.
oh… eine hübsche spazierfahrt hatten Sie noch :-)
Das mit dem Hunger im Stau ist allerdings dumm gelaufen, denn zeitgleich habe ich hier ihr bärlauch und die radieschen genossen.
LgRo
Naja, wir haben ja beide ordentlich was zum zusetzen, da ist so ein kleines Hüngerchen eine gute Übung. Aber die Fahrt zu den Wurzeln war sehr schön und phasenweise auch herzzerreißend.
oh,ein bloggertreffen macht immens spaß. ich habe inzwischen schon so viele virtuelle menschen live kennen gelernt. lohnt sich immer. ich will das auch mal wieder machen.