Wichtig ist derzeit
Essen zu haben, warm, nahrhaft und schnell verfügbar
Wärme, entweder in Form von warmen Sachen oder warmen Öfen
ab und zu einen Streifen LTE zu bekommen
ein olles großes Dieselauto, das zuverlässig fährt und klaglos alles transportiert.
Es bleiben einige Probleme in Berlin zurück und das ist auch gut so. Manchmal bleibt auch das Gefühl zurück, das sind gar keine richtigen Probleme.
Ich kann auch nur noch in Brocken schreiben. Es fließt nicht mehr, sondern klotzt und klumpt heraus. Egal…
Ein paar Anmerkungen. Mir hat mal eine ältere Frau aus der Filmbranche gesagt, über der Besetzungscouch stehe an der Decke „Es lohnt sich nicht“. Das habe ich an meine jungen Schauspielerinnen wörtlich so weitergegeben.
Ansonsten besteht dieser ganze Bereich vor allem aus Menschen, die sich für unwiderstehlich halten. Männer, die beim ersten Erfolg glauben, sie gehören jetzt zu den Masters of the Universe und Frauen, die es gewöhnt sind, an der Seite eines Mannes überall hin zu kommen. Das ist in vielen Fällen keine gute Mischung.
Was für Frauen immer gut ist: Naiv und lieblich zu wirken und im Innern beinhart und clever zu sein. Umgekehrt ist es gefährlich. Was für Männer immer gut ist: Die Bodenhaftung nicht zu verlieren.
Was für alle gut ist: Das, was um einen gemacht und in einen hinein projiziert wird, nicht mit dem zu verwechseln, was man ist. Diese Branche stellt Träume her, aber lebt sie nicht.
Themenwechsel. Als ich meine ersten beruflichen Schritte machte, war die unkommentierte O-Ton-Reportage der subversivste Scheiß, den man machen konnte. Das heißt, in der Regel durfte man das nicht. Schon gar nicht im Fernsehen, die Dokfilme von Helke Misselwitz und Petra Tschörtner beispielsweise waren Kinofilme.
Filme mit Vorführung des Sichtbaren und frei von der Leber weg redenden Menschen ohne Erklärungen des Dargestellten waren damals mental überlebenswichtig. Denn an jeder Ecke und in jedem Medium erklärte einem jemand so lange, wie die Welt richtig ist, wie man sie zu sehen hat, wie es nötig ist, sie zu sehen, damit sich die große Idee durchsetzt – so lange, bis man an der eigenen Wahrnehmung zweifelte.
Die Filme befreiten. „Es ist doch da! Es ist doch passiert! So sieht es aus! Du kannst nicht sagen, es existiert nicht oder wird falsch dargestellt!“ Die Menschen, die die Welt gern eher so wie in ihren ideologischen Vorstellungen hätten, konnten wenig dagegenhalten. Außer verbieten und in Fällen, wo das nicht ging, nachträglich verschlimmerklären.
Vor diesem Hintergrund könnte diese Reportage ein subversives Meisterstück sein. Oder im Effekt ein Zufall in der fast religiösen, sehr hingewendeten Geste, biblisch, ein „Komm und sieh!“
Diese Liebesgeschichte ist eine sehr bewegende. „Schau in meine Welt!“, der Titel passt so gut. Ich mag diese Dokus, die einfach erzählen.
Kennst Du „Menschen hautnah“ vom WDR?
Ich sehe kaum noch Fernsehen, aber „Menschen hautnah“ kenne ich.
Was die Liebesgeschichte betrifft, so beschäftigt mich das Dargestellte sehr. Ich liege zwischen „Oh, wie toll ist diese Völkerbindung!“ und „Der Untergang des Abendlandes ist nah“.
Ich habe viele Fragen. Der junge Mann, dessen Alter erst weggedruckst oder schlicht vergessen wurde, hat eine Community mit ihren Erwartungen und feste religiöse Wertvorstellungen hinter sich, auch und gerade die Rolle der Frau betreffend. Die junge Frau hat eine Menge Selbstbewusstsein und ihre westlichen Wertvorstellungen. Community? Eher nicht. Du wirst in Ruhe gelassen, darfst dich verwirklichen, aber ich bezweifle, daß sie im Fall, daß sie an ihre Grenzen kommt, die Kraft und die Unterstützung hat, sich durchzusetzen. (Und selbst wenn sie die Kraft hätte, was bedeutet das für die Beziehung der beiden? Wenn die andere Seite die Erwartung hat, ein richtiger Mann hat die Frau, die ihm gehört, im Griff.)
Ein minderjähriger unbegleiteter Flüchtling, der er vor dem Familiennnachzug war, wird mehr als Kind behandelt als dieses Mädchen. (Daß er erst 20 ist, glaube ich nicht so ganz, aber das ist völlig egal. Hätte ich in seiner Situation die Möglichkeit gehabt, meine Familie aus einer beschissenen Situation rauszuholen, hätte ich auf jeden Fall falsche Angaben gemacht.)
Das Pädophilie-Geheul kann ich nicht verstehen. Der junge Mann scheint es mit dem Mädchen ernst zu meinen. Was heißt, nach seinen Wertvorstellungen möchte er keine Frau heiraten, die Sex vor der Ehe hat. Wahrscheinlich möchte er auch deshalb bald heiraten.
Die Verbindung ist altersmäßig die, die meine Großeltern hatten. Sie 16, er schon einiges über 20. Sie haben geheiratet, als sie 17 war, um ihren Ruf und die Ehre ihrer Familie zu schützen.
Nur: das ist nicht mehr Deutschland im Jahr 1940. es hat sich seitdem viel verändert.
Nicht umsonst erklärt das Mädchen, sie wolle nicht heiraten. Warum auch? Die Welt steht ihr offen und diese Welt liegt jenseits der Regeln des Korans. Es täte mir im Herzen weh, wenn ein solch offenes, selbstbewusstes Mädchen in patriarchalen Regeln verkümmert.
Und das ist der Punkt, wo es knallen könnte. Wie es knallt, weiß keiner. Ich hoffe nur, sie hat in dem Moment genauso viel Unterstützung, wie sie der junge Mann mit Gewissheit haben wird.
Mich hat diese Reportage sehr zorni gemacht. Im kinderfernsehen unkommenziert Friede, Freude und eierkuchen zu präsentieren, der auch davon abhängt, dass eine viel zu junge Frau sich für den mann an dessen kulturelles system anpasst …Da werden Botschaften transportiert, die ich so meiner Tochter nicht vermittelt haben möchte. Die Mädchen werden wahrlich genug mit mehr oder weniger subtilen aufforderungen zur Unterwerfung unter schönheits- und verhaltensdiktate bombardiert, da muss ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht noch ein schäuflein drauflegen. Von Peinlichkeiten wie dem falschen alter oder den Facebook likes mal abgesehen.
Ich glaube, wir neigen momentan gern dazu, den Boten für die Nachricht zu bestrafen.
Elterliche Medienkompetenz bedeutet, Nachrichten für Kinder im Gespräch einzuordnen und die Wertvorstellungen der eigenen Familie zu vermitteln. Das kann nicht Aufgabe von Fernsehen sein. (Von jeglicher Quelle, denn der Kunderkanal wird nicht das Einzige sein, was sie sehen und hören.)
Ich bin im Gegenteil dankbar, daß es nicht noch einen Erklärbärtext dazu gab und auch, daß das Thema dargestellt statt verschwiegen wurde. So kann jeder sehen: Es ist so, denke drüber nach, wenn bei euch etwas ähnliches passiert. Was tut ihr dann? Wie verhaltet ihr euch?