Selbst hier in der Innenstadt erklingt morgens ein filigranes und ohrenbetäubendes Vogelkonzert. Ich mag die Rotkehlchenstrophen sehr:
Gestern flüchteten wir bei 22 Grad in den Grunewald und spazierten unter Bäumen mit knallenden Knospen. Wenn man still stand und die AVUS ausgeblendete, hörte man bald das Ticken und Knispern, mit denen die Winterhülsen weggesprengt wurden.
Im Forsthaus Paulsborn rasteten wir. Hier kann man gut essen, aber auch für 5 Euro eine recht verschnippte Hundefoodbox ordern, angepasst ans Publikum. Man sah Jagdhunde aller Sorten, Goldknopfsakkos und Liftings unterschiedlicher Technologiestufen. Es sieht übrigens nichts blöder aus, als eine fett aufgespritzte Oberlippe, die durch zu viel Botox nach unten hängt.
Bei Samstagseinkauf erwischte uns der Frühjahrsregen, der mit einigen Unterbrechungen den ganzen Abend niederprasselte. Für die Blümchen ist es gut, das Kind hatte im Garten die Aussaat beendet.
Weil ich grade beim Essen war. Eine Woche vor Ostern war das Büro vom Oranienplatz an die Weberwiese umgezogen. Was hieß, vom Streetfoodparadies mit bestimmt 10 wohlschmeckenden und wohldosierten Angeboten in unmittelbarer Laufnähe zur kulinarischen Diaspora der Vorgentrifizierungsphase: ranzig aussehende Dönerbuden mit davor stehenden Säufern, langsame Bedienung und Suppenkoma versprechende „hier deutsche Küche!“-Restaurants, Essen, das auch noch samt und sonders genauso teuer ist wie die guten Angebote in Kreuzberg. Der einzige Lichtblick ist ein klassischer Ost-Bäcker, nur wenn ich damit anfange, verbringe ich den Rest des Arbeitstages aufm Klo, ich firmiere schließlich unter Glutenunverträglichkeit seit 2002.
Ich muss mir was einfallen lassen. Ich fühle mich den Tag über halb verhungert und schlecht versorgt. Alles was in Reichweite ist, ist entweder eklig, erschlagend schwer oder viel zu kompliziert zuzubereiten. Mit dem Arbeitspensum habe ich weder Nerv noch Zeit, mittags in den Edeka zu gehen und mir danach etwas zusammenzubasteln, da bleibt es oft bei Kartoffelsalat mit Würstchen aus dem Kühlregal oder Reiswaffeln und Käse. Was ich dann abends mit viel gutem Essen oder Nudeln mit Ketchup kompensiere, wenn ich es nicht mehr brauche. Die Kleider spannen schon nach zwei Wochen und ich fühle mich aufgedunsen und das trotz der Angewohnheit, die 3 1/2 km abends zurück zu laufen (was hungrig auch kein Spaß ist) oder das Fahrrad zu nehmen.
Nächste Woche wird erst einmal die Biokiste wieder bestellt, dann nehme ich mir ein Suppentöpfchen mit oder ähnliches.
Und sonst? Mir fiel gestern ein, dass es eigentlich absurd ist, was Eltern (mich eingeschlossen) für ein Geschiss um den Medienkonsum ihrer Kinder machen. Nur dosiert, nur kontrolliert, nur politisch korrekt kindgerecht (je nach Haushalt) oder aber mit Erklärung der Eltern.
Mich hat man mit vollen Bücherregalen allein gelassen und ich habe ab dem Alter von 9 Jahren alles gelesen, was ich in die Hand bekam und was mich interessierte. Und was mich interessierte war definitiv nichts Kindgerechtes, sondern Schaudergeschichten (E.A. Poe, E.T.A. Hoffmann), brutale Brachialsatire (der Simplicissimus, Gullivers Reisen), Hans Dominik*, später Bücher mit „Stellen“ oder am besten gleich Doktorbücher mit eindeutige Abbildungen, Bücher über Ehehygiene oder sexuelle Bräuche von Naturvölkern, die meist gut versteckt waren, aber ich fand sie trotzdem.
Geschadet hat es mir definitv nicht und was ich an Feedback auf Twitter dazu bekam, den anderen auch nicht. Es gab nur einen Menschen, der meinte, es gäbe einen Unterschied zwischen Schund zwischen Buchdeckeln und Schund im Bewegtbild. Und dass Sex und Gewalt anders zu bewerten sein, wenn es sich um Klassiker handele.
Das sehe ich defintiv nicht so, dafür habe ich im Studium zu viel Shakespeare-Gemetzel gelesen.
Dann noch zwei Links. Robin Urban darüber, dass ihr das ganze Awareness-Gepose als Betroffene nicht weiterhilft. Und ihr späterer Artikel, der das Ganze leider wieder auf die aktivistisch-abstrakte Ebene hebt, was sicherlich in der Peergroup Anerkennung bringt, aber den Versuch, das eigene Problem tatsächlich anzugehen, aufweicht.
Das Netz ist voll von meist jungen Menschen, die sich über ihre seelischen Einschränkungen unterhalten und über das, was gut und richtig dazu ist, aber selten tatsächlich etwas dagegen tun. Das scheint mir eine Art sekundärer Krankheitsgewinn zu sein. Es ist gut zu wissen, dass man mit Problemen nicht allein ist, aber in der Wärmestube von Lebensverhinderten hockenzubleiben finde zumindest ich nicht so gut.
*Das waren jeweils die Originalfassungen.
Hier vor dem Fenster singt es auch, das Kehlchen. Da ich ja merkwürdige Zeiten habe, erinnert es mich daran, dass bald die Sonne aufgeht und ich vielleicht noch eine Mütze Schlaf bekomme.
Kennst Du die Statt Kantine von cucina?
Ich mag die Ideen sehr, obwohl ich jetzt gerade wieder in der Babybreiphase bin.
http://stattkantine.blogspot.de
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Meine Empfehlung:
mit dem Pausenbrot über die Kreuzung zum Auerdreieck schlendern und unter Bäumen die Ruhe genießen, wenn die Zeit es erlaubt den besten Burger der Stadt im Rembrandt in der R-Sorge-Str. probieren oder die Auerstraße hoch bis zur Ecke Strassmannstr und dort bei Frau Honig in der Sonne lunchen…
Liebe Grüße und herzlich willkommen antje