Obwohl, so richtig trübe wie in den letzten 3 Tage ist es gar nicht mehr. Im Lauf dieses Morgens wurde es zusehends lichter. Wenn das so weiter geht, kann ich den Einhornschlafplatz an einen herbstlich bunten Baum hängen und fotografieren, der liegt ja nun schon seit August hier herum. Dieses Teil ist gemeint, eine dick gefütterte Decke von 1,30 x 1,80m:
Einhornschlafplatz, weil mich das Rot-Gelb und das Muster an alte Wappen erinnerten. Die Decke sollte vor allem war eine Übung in Quadraten und Variationen sein und eine Aktion, um die allzu bunten Farben in meinem Schrank aufzubrauchen. Es gibt ein eigens dafür gesticktes Einhorn, das mich aber in der Ausführung nicht so überzeugt, irgendwie mochten sich Stoff und Faden nicht.
Die Farben sind wahnsinnig schwierig zu fotografieren. Der Unterstoff ist violett, nicht blau und die Oberstoffe sind ein sattes Echtrot und ein strahlend helles Gelb, das nach dem Waschen ein wenig rötlicher geworden ist. Ich mag das ja sehr, wenn Farben sich durch Ausbluten noch etwas angleichen.
Der Stoff ist ein Wäschedamast aus den 60ern. Das, was die Omis immer geschont haben und deshalb jahrzehntelang unbenutzt in den Schränken lag.
Es gibt noch Quadrate für ein Kissen, das braucht aber noch etwas Zeit.
Weiter im Text. Über Arbeit mag ich gar nicht reden. Ich teste derzeit, ob 6 Stunden-Tage funktionieren. Für mich bringt das etwas Entspannung, ich schlafe wieder wesentlich besser. Trotzdem war ich Freitag Abend platt, hatte Bauchweh und fühlte mich vergrippt.
Das ist alles noch nicht der Weisheit letzter Schluss.
Bleiben wir beim Thema Arbeit. Beim Gesetzgeber ist mittlerweile langsam angekommen, dass Menschen nicht mehr arbeitslebenslang Vollzeit bei einem Arbeitgeber angestellt sind. Er hat sich zuerst darauf eingestellt, dass es Menschen – vor allem Frauen – gibt, die zwar arbeiten, aber dann mit den mitzuversorgenden Familienmitgliedern unter dem Existenzminimum liegen. Also subventionierte man solche Arbeitsplätze über das ALG 2. Die „Aufstocker“ waren geboren. Mittlerweile gibt es aber immer mehr Tätigkeitsformen, für die europäische Arbeitsmarktregularien nicht ausgelegt sind und die Schlussfolgerung nahelegen, dass der kontinuierlich arbeitende und damit voll sozial abgesicherte Arbeiter oder Angestellte nur eine kurze Episode in der Geschichte des abhängigen Tätigseins gewesen sein könnte.
Aus Sicht des Arbeitgebers ist das folgerichtig. Das Ideal ganzjähriger, regulierter Vollzeitarbeit resultiert auch daraus, dass Maschinen nicht müde werden und in ihrem Existenzzyklus – bevor sie verschlissen oder technisch überholt sind – möglichst rund um die Uhr laufen sollten. Also stellt man Arbeiter abwechselnd in Schichten zur Bedienung an diese Maschinen.
Nun brauchen solche schweren Maschinen immer weniger Bedienung, digitale Arbeit sieht völlig anders aus, Dienstleistungs-Arbeit auch. Es ist ein riesiger Aufwand, Arbeitnehmer außerhalb der Bedarfsspitzen mit irgendwas zu beschäftigen, das rechtfertigt, dass sie 40 Stunden in der Woche am Arbeitsplatz sind und dafür bezahlt werden. Die Lösung dafür sind flexible Arbeitszeit und Arbeitszeitkonten, das Risiko ist, dass es einem Unternehmen (wobei das z.T. sogar den krisensicheren öffentlichen Dienst betrifft) vor Auflösung eines Arbeitszeitkontos so schlecht geht, dass der Gegenwert der angesparten Arbeitsleistung nicht mehr existiert.
Wenn wir in die Geschichte der Arbeit sehen, war es normal, dass dann gearbeitet wurde, wenn zu erledigendes da war (oder aber, im einfachsten Fall, die Ernährungsgrundlage alle). In jeder Tätigkeitsform. Ob Bauer oder Handwerker, Krieger oder barmherzige Schwester. Während der Aussaat oder Ernte wurde den ganzen hellen Tag gearbeitet, im Winter rumgesessen oder Werkzeuge repariert.
Als ich Landarbeiterin war, hatte sich die Genossenschaft extra etwas einfallen lassen, damit wir auch im Winter zu tun hatten. Es wurde Sellerie angebaut und eingelagert, den wir dann im Winter für den Verkauf putzen sollten. Das Zeig war regelmäßig halb verfault, es war eine Riesensauerei. Aber das war egal. Es war dafür gedacht, dass wir jeden Tag etwas zu tun hatten und unser Geld abarbeiteten.
Auch Handwerker arbeiteten, wenn Materialien schnell verarbeitet und in haltbareren Zustand gebracht werden mussten oder wenn es Aufträge gab. Beim Tagelöhner, Wander- und Saisonarbeiter war der Name Programm.
Das „Wer rastet, der rostet“ kam erst sehr spät in die Welt. Natürlich ist Kontinuität wünschenswert. Vor allem wenn der Ertrag der Arbeit so knapp bemessen ist, dass er gerade zur Erhalt der Existenz während der Arbeit dient.
Kontinuität und moralischer Wert der Arbeit wurde erst in der Protestantischen Arbeitsethik zum Ideal erhoben.
Der Sozialstaat reguliert Arbeitsangebot und -nachfrage, indem er Arbeitnehmer und Arbeitgeber Abgaben zahlen lässt, die er in Zeiten, in denen es keine oder wenig Arbeit gibt, wieder ausschüttet. Man sieht da ganz klar eine Wanderung von Verantwortung und Fürsorge hin zum Staat. Weder dem Arbeitnehmer noch dem Arbeitgeber wird zugetraut, dass es genügend Vorsorge für schlechte Zeiten gibt. Die Gegenleistung der Menschen ohne Arbeit ist, dass sie die Zeit nutzen, sich um neue Arbeit bemühen oder aber an ihrer Arbeitsmarktfähigkeit feilen.
Dienstleistungsarbeit ist Arbeit in Time. Sie ist wenig planbar und hat – als einzige Konstante – saisonale Spitzen (Weihnachtsgeschäft, Urlaubsgeschäft…). Für diese Spitzen braucht der Arbeitsmarkt verfügbare Kräfte, Vollzeitbeschäftigung fast aller arbeitsfähigen Menschen in kündigungsicheren Arbeitsverhältnissen kann also nicht das anzustrebende Ideal sein.
Digitale Arbeit braucht weder schwere Maschinen, noch Fabrikhallen oder örtliche Präsenz. Der Erfüllungsort von Arbeit wandert wie beim Bauern oder Handwerker wieder an den Lebensort des Tätigen. Das hat nicht nur Vorteile für den Arbeitgeber, der sich Ausrüstung und Immobilien spart, sondern auch für den Arbeitnehmer, der keine Anfahrt und separate Kleidung und Ernährung mehr braucht.
Die Nachteile sind offensichtlich – Vereinzelung und fehlende Organisation unter Arbeitnehmern. (Wobei die Organisation von Arbeitnehmern über soziale Netzwerke ähnlich schnell gehen wird, wie vor 100 Jahren in den Menschenansammlungen der Fabrikhallen.)
Hier sind zwei interessante Links dazu: Ein Artikel über die Fragmentarisierung und Anonymisierung von Arbeitgebern und einer darüber, wie neue Arbeitsformen überhaupt in den Sozialstaat integriert werden können.
Machen wir uns nichts vor, die Gewerkschaften kümmern sich vor allem um die Rechte derjenigen, die im alten Vorbild bei einer Firma dauerhaft angestellt arbeiten. Das neue Proletariat von Auftrags- und Werkvertragsarbeitern, kurzfristig, auf Anruf oder unständig Beschäftigten, Subunternehmern und auf kleiner Flamme Scheinselbständigen wird größer. Da ist der geschmähte Leiharbeiter noch ungeheuer privilegiert. (und für den Arbeitgeber extrem teuer)
Ich möchte noch etwas bei diesem Thema bleiben. Da ich lange Jahre privatversichert war, hatte ich mich um die Entwicklung der Beiträge für Selbständige in der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung nie gekümmert. Erst im Gespräch mit einer Freundin, die bei der allmählichen Rückkehr aus der Erziehungspause in ihr Selbständigendasein vor großen Problemen stand, wurde mir klar, dass Frauen in Teilzeitselbständigkeit nicht vorgesehen sind. Brand 1 hat dazu einen guten Artikel veröffentlicht.
Auch hier wieder das Ideal des abhängiger Angestellter vs. schwerreicher Unternehmerin. Wer mit selbständiger Teilzeit-Arbeit zum Familienetat beitragen will, belastet diesen nur unmäßig. Wahrscheinlich erklären sich so auch die Preise für relativ aufwändige Produkte in Dawanda-Shops. Das sind Taschengeld-Jobs. Dafür einen vernünftigen Preis zu verlangen, würde nur Verluste bedeuten.
Kleine Anekdote am Rande (unter Verwendung von Originalmaterial):
Y: Du findest X gut? X ist für gewöhnlich eine arschig-frauenfeindliche, antifeministische Person. Hier übrigens eine Liste, auf der detailliert ihre Verfehlungen gegen unsere moralischen Maßstäbe aufgezählt sind.
Eine ganze Menge Leute sehen das anders und widersprechen dem. X reagiert souverän, so weit das möglich ist.
Y: (zwei Wochen später) … X, der ich meine letzte Haßwelle verdanke …
Ally im Hintergrund: Posttraumatische Belastungsstörung wird bei Betroffenen von Hasskommentaren bisher nicht anerkannt.
Finde den Fehler. Vielleicht sollten die mal unter The Haterettes auftreten.
Habe die „Prostestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ neben meinem Bett liegen (allerdings nur ausgeliehen). Bei dem asketischen Protestantismus ist „Nichtstun Sünde“. Weber ist ja nicht einfach zu lesen, interessant finde ich, wie der Protestantismus die Berufsethik beeinflusst hat.
Bei den gesetzlichen Krankenkassen existieren auch keine teilzeitbeschäftigten Selbstständigen. Es gibt noch die Midijobvariante (Gleitzone) http://www.nebenjobs.info/midijob. Die soll für Selbständige auch ganz gut sein, weil man dann sozialversichert ist und trotzdem noch genug Zeit hat, seinem Gewerbe nachzugehen.
Was aber bedeutet, einen kleinen Teilzeitjob annehmen zu müssen. Das ist in Berlin nicht ganz so einfach…
Zur kleinen Anekdote am Rande:
Y hat mir mal gedroht, mich anzuzünden. Ich hatte auf ostwestfälische Art ihren Kleidungsstil kritisiert. ;-)
Krass. Ich finde es wirklich frappierend, wie groß der Unterschied zwischen austeilen und einstecken können ist und dass immer, immer, immer die anderen schuld sind.
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