Sommeranfangssonntagsmäander

Es ist mal wieder an der Zeit, über dieses und jenes zu plaudern.

Zuerst mal die nervige Seite von Berlin. Dann hamwa’t hinta uns.
Gestern verstopfte nachts um halb 2 eine Gruppe Menschen den Eingang zu Kastanienallee, es war nur ein Durchkommen per freundlicher Ansprache, sondern nur, indem man einigen auf die Füße trat und sich durchdrängelte. Es war weder eine Demonstration, noch eine Art stay-in, sondern 15 Touristen in unterschiedlichen Stadien von Betrunken- und Bedrogtheit, die sich darüber zu verständigen versuchten, wohin sie als nächstes ziehen.
Am Abend zuvor waren die Trinker vom Helmholzplatz ausgeschwärmt, um irgendwie gegen den Entzug vorzugehen. Einer saß zuckend und zusammengerutscht auf den Außenplätze einer Gastronomie, einer bettelte im EDEKA um ein Bier. Diese Population existierte schon,als ich 1987 nach Berlin kam. Fällt einer weg, nimmt jemand anders seinen Platz ein.

Jetzt gehen wir die Skala hoch.
Seit drei Jahren kommentiert André Spiegel unter Keiner davon ist witzig Tweets, die jenseits von Kalauern und Empörpatriotismus sind. Mein Monatshighlight.

Man kann in der „Zeit online“ mit einem fetten Rechtschreibfehler in der Überschrift brillieren: Wir nannten es Erhohlung. Der Text steht seit 2 Tagen schon so im Netz. Aber vielleicht bin ich ja auch ein widerlicher kleinkarierter Rechtschreibnazi.

Nazi. Ich wußte irgendwie, das es in der DDR eine Neonazi-Jugendbewegung gab, genauso wie es Punks gab. Im Gegensatz zu den Destroy- und Nullbockparolen der Punks, die politikablehnend waren (weil linksradikal sein, das taugte nicht als Provokation in einem Staat, in dem die Regierungsmitglieder in ihrer Jugend selbst linksradikal waren), hauten die ostdeutschen Nazis genau dort hin, wo es weh tat. Auf die Identität dieses Staates, auf den dezidiert erklärten Antifaschismus.
So richtig klar wurde mir das erst Anfang der 90er, als ich jemanden kennenlernte, der an dem Überfall auf das Punkkonzert in der Zionskirche beteiligt war. Ein Arbeiterkind mit Ausbildung zum Bauarbeiter, nicht sehr helle, aber stark.
Vorher, in der DDR wußte ich nichts darüber. Punks, Hippies und kritisch-intellektuelle Abweichler wurden gemaßregelt. Das stand zwar auch nicht in der Zeitung, fand aber in meinem akademischen Dunstkreis statt.
Aber zu dem Arbeitermillieu, aus dem die Neonazis kamen, hatte ich keinen Kontakt. Überhaupt merke ich, dass ich auch hier wieder im Auge des Orkans lebte. In einer Welt, in der Studenten aus Angola oder Äthiopien wegen ihrer natürlichen Intelligenz, die sie ausstrahlen würden, gelobt wurden. Wo polnische, nordkoranische, vietnamesische und mosambiquanische Gastarbeiter ohne Zögern Freunde waren, bei denen man akzeptierte, dass sie lieber unter sich bleiben wollten.
Den (für unsere Kreise grundlosen) Hass der einfachen Leute auf „Fidschis“ und „Preßkohlen“ markierte man als Mangel an politischer Aufklärung und moralischer Hebung, den es zu verbessern galt. Die Geschichte, dass mosambiquanische Waldarbeiter mit ihren Äxten eine Hochzeitsgesellschaft überfallen hätten, weil ihnen wegen geschlossener Gesellschaft der Zutritt zu einer Dorfkneipe verwehrte, galt als gerüchthafte Legende (oder wie man heute sagt: Fake-News). Wenn jemand wie ich in der Nähe war, sprach man eher nicht darüber.
Hier die Sicht der anderen Seite, die Geschichte eines Mannes, der aus einem afrikanischen Staat kam und blieb.

Und wenn wir einmal dabei sind: Von weitem (allerdings durch die Presse gefiltert) hören sich mit Erdogan und Trump zwei Staatsoberhäupter irrsinnig an. Auch von dem zurückgebliebenen Kaczynski-Bruder wird mitunter ein sehr eigene Weltsicht berichtet.
Ich habe mich immer gewundert, wie mit Stalin und Hitler zwei offenkundig Irre das Schicksal von Nationen bestimmen konnten. Aber scheinbar ist es gar nicht so schwer. Vielleicht braucht es diese Mischung aus Paranoia und Aggressivität, um an der Spitze zu bleiben und spektakuläre Entscheidungen zu treffen. Von Topmangern hört man ähnliches.

So, jetzt raus aus dem Grumpy Gerede.

So schnell rast die Zeit. Das Enkelkind bekommt schon Zähnchen und greift, außerdem findet es Sitzen ziemlich cool und versucht es und sie ist – im Gegensatz zu uns allen in der Familie – ein sehr bewegungsorientiertes Kind.
Ich versuche, mich mit einem Quilt zu entspannen. Manchmal ist akkurates Nähen, auf den Stich genau, besser für die Achtsamkeit als Mandalas ausmalen. (Überhaupt, Achtsamkeit als neues Buzzword. Selbst Coaches, die früher Erfolg versprachen, haben jetzt das Wort Achtsamkeit auf dem Schild.)
Und nächste Woche werde ich schauen, wie das mit dem Sockenstricken auf der Strickmaschine geht. Ach, und das Crafteln-Kimonokleid ist immer noch auf der Liste! Nachdem schon der Stadtmantel und das Ninja-Shirt völlig selbstverständliche und viel getragene Bestandteile meiner Garderobe geworden sind, wird es höchste Zeit dafür.