Wiederum inspiriert von Glam – so langsam muß ich Lizenzgebühren abliefern – ein Exkurs über Laufen und Reden oder Bewegung in Bindungen, wie auch immer.
Man kann mit Frauen schlafen und man kann mit ihnen spazierengehen. So ähnlich lautete der Satz, der am Freitag abend beim Käsefondue im Nolas fiel. Den muß ich noch mal eingehender im Kopf bewegen (hatte leider schon etwas mehr Kirschwasser intus).
Glam meinte eher das beziehungsanbahnende Spazierengehen als Verbesserungsvorschlag zu Bar- oder Kneipentreffs. Wer sich schon mal durch einen mehrgängigen Business-Lunch mit dem falschesten Gegenüber der Welt gequält hat (entweder weil man sich absolut nichts zu sagen hat außer Gemeinplätzen oder weil die Gier, sich zum Nachtisch der unkompliziert und tabulos der Unterwäsche zu entledigen leider nur einseitig ist), sucht nach Alternativen.
Spazierengehen. Ja. Nebeneinander hergehen entspannt und konfrontiert nicht. Es gibt die Möglichkeit, in eine Harmonie der Körperbewegungen zu kommen und trotzdem auf Distanz zu bleiben. Gemeinsam gehen ist besser als sich gemeinsam volllaufen lassen und lallend Pseudogemeinsamkeiten zu finden.
Und im schnellen Gleichschritt durch den Wald zu laufen, unter der Jacke eines Mannes geborgen, dem Frau grade bis zur Brust und mit der Schulter unter die Achsel reicht und nix stolpert und holpert. Tja, das ist Liebe.
Ich habe da aber noch eine andere, ältere Geschichte zu erzählen. Eine von einem Datingportal gestiftete Verabredung begann mit einer Mail in der stand, er hielte so gar nichts von Treffen in Kneipen. Dieses ewige Essen und Trinken! Bis dahin konnte ich noch folgen. Vielleicht ist der Gute so sensibel und anspruchsvoll, zudem mit einem schwachen Magen geschlagen oder muß auf die Figur achten – ok. Vorgeschlagen war ein Nachmittagsspaziergang durch den Grunewald.
Ich bin wirklich nicht ängstlich. In den Zeiten meiner Theaterexistenz bin ich nachts allein durch verrufenste Stadtteile gelaufen, weil der letzte Bus weg war und mir es an Taxigeld mangelte. Aber ich konnte mich schwach daran erinnern, daß der Grunewald groß ist und habe doch besser eine Freundin informiert, wo ich mich rumtreibe.
Hm und dann trabte ein verkrampfter, magerer Typ vier Stunden neben mir und redete ununterbrochen. Nach zehn Minuten hatte ich die Orientierung verloren, denn wir liefen nur menschenleere Schleichpfade und mein latent vorhandener Impuls zu sagen danke, war nett, das reicht und auf dem Hacken umzukehren wurde von dem Wunsch überdeckt, überhaupt irgendwann wieder nach Hause zu kommen.
Es gab zwei Höhepunkte auf der Strecke. Er zeigte mir den Selbstmörderfriedhof an der Havel (hab schon immer gern mit einem fremden, etwas sonderbaren Mann Friedhöfe besichtigt!). Und er lud mich auf ein Stück Kuchen in ein Café ein (scheinbar nach eingehender Prüfung, ob ich diese Ausgabe überhaupt wert sei, er outete sich nämlich als geiziger und lustfeindlicher Mensch) obwohl ich ihm eine ganze Strecke des Wegs erklärt hatte, daß ich keinen Kuchen essen kann, weil ich kein Mehl vertrage. Wieder zu Hause angekommen, schrieb ich ihm eine Mail, daß ich mich in meinem Interesse für ihn vollkommen geirrt hatte. Ich war höflich, aber bestimmt. Er war tief beleidigt. Es wäre doch total nett gewesen. Für einen Menschen, dessen Beruf mit eingehender Kennntnis von Körpersprache zu tun hat, war er bemerkenswert unsensibel. Es hätte ihm auffallen müssen, daß einer von uns immer vorausstürmte, ich immer auf sicheren Abstand zwischen uns bedacht war und wir uns nie ansahen.
Was es gebracht hat? Die Erkenntnis, daß selbst so eine harte Braut wie ich Anwandlungen von Grusel hat und sich des Horrorfilms im Kopf nicht erwehren kann. Ich sah mich geschändet und in Stücke zerlegt unterm Grunewaldrasen, von Wildschweinen wieder ausgegraben und zernagt, nix Nettes also…