MMM 25.9. – Das Schleifenkleid

Ich hatte mich im Frühling in einen Schnitt verliebt, der „eigentlich“ im Gepäck hatte. Eigentlich zu schick. … zu jugendlich. … zu extravagant. … zu unpraktisch.
Daher wollte ich ihn unbedingt realisieren. Dann lief mir auch noch ein wunderbar strahlendes stahlblaues Leinengemisch in die Quere. Also konnte ich nicht anders.
schnitt  stoff
Ich änderte nicht viel. Die üblichen 2 cm runter an der vorderen und 2 cm rauf an der hinteren Taille, was in diesem Fall hieß, den Rückenausschnitt zu verschieben, aber das war einfach. Außerdem gefiel es mir gar nicht, dass die Schleife so weit oben saß. Mein Rücken ist in der Mitte nicht mehr taufrisch und der BH war auch zu verdecken, deshalb setzte ich die Schleife tiefer und breiter an.
Schleifenkleid von vorn Schleifenkleid von hinten
Der Schnitt ist simpel und einfach zu realisieren. Das Oberteil wird gedoppelt, die Anleitung für das Einarbeiten der Schleife von Innen und das Verstürzen des Oberteils ist detailliert und nachvollziehbar. Mittlerweile würde ich das Teil nicht mehr doppeln sondern füttern, doppelt ist der Stoff sehr steif. Auch ein Rockfutter wäre bei der Halbtransarenz eigentlich gut gewesen, aber uneigentlich – Unterhöschen blitzen nicht durch, dazu ist oben genug Stoff und das verlängerte Bein durchscheinen zu sehen, finde ich ganz reizvoll.
Die mitgegebene Stoffverteilung für die Größe, die ich zuschneide (20 mit Sicherheits-Zugaben) ist verdammt knapp. Deshalb durfte ich die Zickzackpräzision der damals neu gekauften Bernina austesten, indem ich kleine Keile in angefressene Teile setzte. So langsam sollte ich den Schnitten wieder vertrauen, meist sind meine Zugaben unnötig. Aber zu viel Weite wegnähen ist besser als zu viel Enge wegwerfen.
Einsatz
Der Reißverschluß wurde weggespart, das Kleid ist weit genug, ich habe hinten einfach eine Falte geknöpft.
Knopfverschluß
Vorn musste ich leider einen Abnäher setzen. Hohe U-Boot-Ausschnitte und ich waren noch nie Freunde. Der Ausschnitt war ursprünglich 3 cm höher, aber da protestiert meine empfindliche Schilddrüse.
Ausschnitt
Ich finde das Kleid ziemlich fein, die Farbe steht mir sehr und die Schlichtheit vorn und die Verspieltheit hinten sind ganz nach meinem Geschmack.
Rückenansicht
Was man dann drüberzieht, ist ein eigenes Thema. Jedes Jackett hätte einen Buckel. Mehr als ein Pashmina oder Cache-Coeur funktionieren nicht. So ist es ein Kleid für warme Sommerabende. Ich sehe mich damit Martini trinkend auf einem Barhocker sitzen, im Hintergrund dezenter Jazz.
Rock

Und nun folgt leider ein Rant erster Güte: Dieser Stoff, so genial er aussieht, ist der letzte Dreck! Es handelt sich um ein Leinen-Modal-Gemisch. Was heißt: Das Leinen braucht eine hohe Bügelemperatur, um glatt zu werden, die Modalfasern vertragen das aber nicht.
Ich habe mir zwei Mal beim Ausbügeln Löcher in den Stoff gesengt. Das Modal britzelt weg wie Zigarettenpapier und der Leinen-Schussfaden liegt plötzlich allein da, wenn man nicht gaaanz vorsichtig mit einem sehr feuchten Tuch rangeht und damit gleichzeitig leichten Krissel in Kauf nimmt. Eine große Stelle konnte ich nur durch eine Schnittänderung rausholen, die andere (beim finalen Ausbügeln passiert) muss ich auftrennen und von innen mit Klebebelag reparieren.
Schaden
Deshalb bleiben solche Brüche einfach drin und können wahrscheinlich nur mit Waschen und nassbügeln entfernt werden.
Stoffbruch
Außerdem kratzt der Stoff ganz erbärmlich. Also ist das Kleid tatsächlich etwas für den großen Auftritt von zwei Stunden nach dem frau ganz schnell wieder in den seidenen Kimono schlüpfen darf (dann auch gern mit diesen Halsbrecherschuhen, zu denen es hier eine schöne Geschichte gibt).

edit: Wenn ich mir die Fotos kritisch ansehe , habe ich gut was zu nölen:
1. Oberteil zu weit und um den Busen doch noch zu eng. Also demnächst Brustweite anpassen.
2. Wird Zeit, dass ich mir einen Rocksaum-Abrunder besorge, wenn ich ständig Tellerröcke nähe.
3. Die Bügelschäden hinten sind immer noch zu sehen.

Demnächst gibt es dann hier wieder ganz normale Sachen. Ich sitze ja schon an den Herbstschlumpiklamotten.

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11 Gedanken zu „MMM 25.9. – Das Schleifenkleid

  1. Oh, das mit dem Stoff ist furchtbar schade- denn das Kleid ist wirklich gut und auch die Farbe passt.
    Du hast herrlich modifiziert und deinen Bedürfnissen angepasst. Gerade der vordere mittige Abnäher in Kombination mit der Liegefalte ist souverän hingepfuscht :)
    So einen lässigen Umgang mit Schnitten kann man jedem wünschen, der länger Spaß an der Näherei haben möchte.

    Ich wünsch dir noch ein paar laue Spät- Sommerabende!

    • Souverän hingepfuscht ist der treffende Begriff, den übernehme ich gern total gern :)
      Schaun wir mal, was das Wochenende an Sonne bringt.

  2. Ohhhhh … was Du alles kannst!!!

    Im Ernst das Kleid ist wunderschön und wenn Deinem Mann nicht der Atem stockt im Jazzclub, dann weiß ich auch nicht! ;-)

    • Oh danke! Der Mann beschwerte sich, daß er derjenige sei, der die Schleife zumachen müsse, das kann man tatsächlich nicht allein. Er mache aber lieber die Schleife auf. :)

  3. Mir gefällt das Kleid ausnehmend gut – mit allen Höhen und Tiefen, die Du oben beschrieben hast. Auf den Fotos ist davon nichts zu erkennen und das Kleid steht Dir sehr gut. Ich hätte mich an diesen ausgefallenen Schnitt wahrscheinlich nie rangetraut. Vielleicht sollte ich das aber doch irgendwann mal wagen und dann mit genausoviel Gelassenheit an die Sache rangehen, wie Du.
    Herzlichen Glückwunsch zu dem schönen Kleid!
    Martina

    • Danke! Da ist tatsächlich meine Prägung durch Theaterkostüme als junge Frau im ersten Job, die mir die Angst vor Extravaganzen genommen hat, vor allem, wenn die Schnitte der Figur schmeicheln. Wichtig ist, dass man sich nicht von der Klamotte einschüchtern läßt und einfach einen großen Auftritt hinlegt. Das macht Spaß.

  4. Ich kann verstehen, das du an dem Schnitt nicht vorbeigekommen bist! Denn das Kleid sieht himmlisch aus. Ein richtiges Märchenkleid!

  5. Oh, das tut mir so leid, dass das Ergebnis nicht so ausgefallen ist, wie du gehofft hattest. Ich weiß nicht, was ärgerlicher ist: dass die Passform noch optimiert werden muss oder dass der Stoff so ein Griff in die Schüssel war.
    Wenn er beim Bügeln so eine Katastrophe ist und dann auch noch kratzt, würde ich mir 2 mal überlegen, an dem Teil noch irgendetwas zu ändern, weil ich mich so oder so nicht darin wohlfühlen würde. So ähnlich geht es mir mit einer Hose. Der Stoff kratzt wie Hulle, und die Hose ist einfach nur schauderhaft geworden. Ich überlege, ob ich sie im Winter zum Herumschlumpfen mit einer Strumpfhose drunter tragen soll oder ob sie zur Schrankleiche mutiert.

    Trotz all dem Ärger wünsch ich dir weiterhin gutes Gelingen. Lieben Gruß

    Ulrike

  6. Die Änderungen sind dir sehr gut gelungen. Glückwunsch! Das steht dir großartig.
    Schade nur, dass der Stoff so zickig ist.

    :hust: der Schnitt liegt nicht zufällig noch in anderen Größen bei dir rum?

    • Den Schnitt gibt es ab Größe 36, wenn ich mich nicht ganz täusche.
      Ich glaube, das würde dir hervorragend stehen. :)
      Was heißen will: den erbste schon vorfristig.

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