Habe ich gestern aus dem Gärtchen nahe dem Oderkaff mitgebracht. Seit letztem Jahr starten wir Kinder den Garten für die Eltern, wenn der Winter vorüber ist.
So richtig prickelnd ist das nicht, was da zu sehen ist. Der Teil hinter dem Sommer-Haus, den wir im letzten Mai in einer Hau-Ruck-Aktion umgraben sollten, ist genau ein Jahr so liegengeblieben. Einen richtigen Plan was da passieren sollte, gibt es auch nicht. Die Kraft reicht gerade noch für den Bereich unmittelbar vor der Terrasse, auf den der Blick fällt und für das, was unmittelbar im Argen liegt, nicht funktioniert oder morsch und verfault zusammenbricht.
Die beiden sind Ende 60. Eigentlich kein Alter, um so abzubauen. Bei ihren Müttern kam das erst mit Ende 70, Anfang 80. Aber sie verbrauchen nun schon fast 50 Jahre ihre Energie in einer destruktiven Beziehung. Alle Kraft geht in Angenöle und Gezicke, jetzt ist nicht mehr viel über.
Gestern zogen die beiden gut mit. Aha, sie können also noch. Kaum waren sie am Ende des Tages allein nebeneinaander beschäftigt, ging es wieder los. Meine Mutter mußte meinem Vater lang und breit erklären, was gerade alles unkoordinierter Blödsinn ist, an dem, was er tut. (Und ich kam nicht umhin, ihr zuzustimmen. Seine Leistung des Tages war ein halbgemähter Mini-Rasen und ein halb angeschliffenes Rosenspalier. Mein Vater dreht sich ohnehin nur um sich selbst. Semi-Asperger halt, den mußt du machen lassen.) Mein Vater regte sich im Gegenzug darüber auf, das etwas Erde die Abdeckung der Kellerfenster verstopfte. Ergebnis: Ein lautstarker Disput darüber, daß verwesende Pflanzen Erde erzeugen und wer die denn wegzumachen hätte. Wenn denn ein Tisch dagewesen wäre, hätte ich gern meinen Kopf darauf geschlagen.
Klar kann man sagen: Geht mich alles nix an. Das mache ich seit Jahren auch so. Aber nun, da ich mit meinem Bruderherz zusammensaß und wir ein Gespräch mit den Eltern zu ihren Alterslebensplänen vorbereiteten, fiel es mir doch auf. Jeder von ihnen verarbeitet seine negative Energie auf seine Weise. Mein Vater mit Ignoranz und Alkohol. (Für die Gefühle ist ohnehin der Herzchirurg zuständig. Seine Mutter stirbt, er braucht eine neue Herzklappe, sein Bruder sitzt dem Tod auf der Schippe, er braucht einen Herzschrittmacher.) Seine Versuche, sich fit zu halten, enden meist in heftigen Hauruck-Aktionen. Neuer Herzschrittmacher -> 14 Tage später lange Radtouren.
Meine Mutter kreiselt in typischer Frauenart mit Sorge für andere und Zeterschüben auf den depressiven Tiefebenen und ist gerade noch in der Lage, den Kühlschrank zu füllen und mit meinem Vater gemeinsam leerzuessen. Der Rest ist die Sorge um die Mutter im Pflegeheim, um die Katzen vom Tierschutzverein und liebevolle Gespräche mit Tieren, wie zum Beispiel der Raupe, die sich auf dem Spaten fand.
Was mich gerade daran so erschüttert ist, daß wir Kinder letztlich in ein paar Jahren die mentalen Kollateralschäden dieses Lebensstils irgendwie versorgen müssen. (note to myself: Vor der eigenen Tür kehren!) Denn an Geld mangelt es dieser Generation noch nicht so. Ich frage mich eher, was passiert, wenn einer der beiden allein zurückbleibt und nicht mehr kann. Ich habe jetzt, heute, den Eindruck, mit Haltung bis fast zum letzten Tag für sich selbst sorgen, wie es meine Großmutter getan hat, geht nicht.
Aber man kann sich irren. Es kann sich vieles verändern, wenn das schwarze Loch, von dem die Lebensenergie angesogen wird, verschwunden ist.
Ich war glücklich darüber, in der Erde zu wühlen. Wobei wir nur einen Anfang gemacht haben, da steckt noch viel Arbeit drin.
Nach der Rückkehr wollten wir uns nur eine halbe Stunde hinlegen und ich wachte dann um halb sieben Uhr morgens wieder auf.
Sehr berührend. Und vor allem auch bedrückend. Dazu wuselt mir viel Unsortiertes im Kopf herum. Es demonstriert einem sehr deutlich die eigene Machtlosigkeit – jeder hat seine eigene Entscheidung getroffen, wie er oder sie mit der eigenen Lebensbefindlichkeit umgehen will. Schwer, einiges mitanzusehen, aber da gibt es wohl nur eine Mixtur aus karmischem Loslassen und ja, auch das, die Folgen der „mentalen Kollateralschäden dieses Lebensstils“ mitzutragen.
Ja, irgendwie ist es ja eine Art Staffellauf. Wir bekommen was in die Hand gedrückt, mit dem wir zurechtkommen müssen und der nachfolgenden Generation drücken wir auch etwas in die Hand.
Ich wünschte sehr, ich könnte Ihnen nach all den Jahren mit meinen Eltern ein konstruktives Patentrezept für den Umgang mit schwierigen, alten Menschen in der eigenen Familie geben. Kann ich aber nicht, dafür Sie jedoch meiner Anteilnahme und guter Wünsche für Sie selber versichern und hoffen, dass Ihnen dies ein wenig zur Hilfe gereicht.
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