Ich vergesse die Geburtstage von Freunden und nahen Verwandten. Ich wundere mich, dass Weihnachten schon wieder vor der Tür steht. Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, einer runden Zahl von Followern auf Twitter oder meinem x-tausendstem Tweet Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich dachte ja, dass das bei meinem zehnjährigen Bloggerinnengeburtstag anders wäre. Ende November 2014, da schreibe ich einen Post mit Cremetorte und Champagner, dachte ich.
Vorgestern habe ich nachgeschaut. Mein erster Blogpost ist vom 7. Oktober 2004. Jetzt habe ich die 10 Jahre seit Monaten voll und habe es noch nicht einmal gemerkt.
Manchmal fange ich Sachen an, als wollte ich das Fahrrad neu erfinden. Im Netz war ich seit der Jahrtausendwende immer mal wieder über Logbücher gestolpert. Mich faszinierte das zutiefst. Mittlerweile hatte ich eine ganze Kiste mit Tagebüchern und literarischen Versuchen gefüllt. Das Alleinsein mit meinen Themen war mir zu wenig und mit publikumsfähiger Literatur hatte das, was ich schrieb, wenig zu tun. Zu unfertig, zu zaghaft.
Ich las die Notizen aus dem Leben anderer Leute und wußte, das war es und wußte noch nicht, wie. Ich schrieb zwar passabel html und hatte seit Mitte der Neunziger Websites gemacht, aber noch steckte ich zu tief in der Mediendenke, in der Vorstellung, dass alles bebildert und sendefähig sein musste und im Hobbyfilmemachen, das Versuche und Improvisation zuließ, aber in der Regel nicht für die Öffentlichkeit.
Parallel zum endgültigen Zusammenbruch des neuen Marktes, bekam ich mit, wie die Leute, die in den Startups gearbeitet hatten und nun auf der Straße saßen, versuchten, in Verbindung zu bleiben und sich zu vernetzen. Ich gehörte nicht zu dieser Szene, ich war wie so oft nur Beobachterin, wohnte am Stadtrand, war 10 Jahre älter und auch in der Wirtschaftskrise noch genug mit dem Job beschäftigt.
Komischerweise kam ich auch nie auf die Idee, deutsche Blogs zu lesen. Außer dem von Else Buschheuer kannte ich keine.
Deshalb legte ich die Gedanken an ein Blog immer wieder ad acta. Was hätte ich schreiben sollen? Es gab genug Geschichten, aber ich arbeitete im Hochdiskretionsbereich und mein Privatleben war zu dieser Zeit kompliziert. Ich hätte nicht gewollt, dass Bekannte das lesen und die Idee, dass eine Zeit kommt, in der man persönliche Texte ist Netz stellt, damit Fremde sie lesen, war mir fremd.
Im Herbst 2004, mittlerweile in den Prenzlauer Berg umgesiedelt, hatte ich lange Abende vor mir und wenig Geld, sie in den umliegenden Kneipen zu verbringen. Das einzige, was ohnehin bezahlt war, war der Internetanschluß. Ich recherchierte noch einmal, wie man das denn macht mit diesen Blogs. Blogger.com war mir zu anonym. Der Antville-Server war voll. Auf Blogger.de und twoday.net kam ich komischerweise nicht, warum auch immer.
Ich fragte meinen Bruder um Rat, der wiederum verwies mich an den @slogmen, die beiden hatten mir mit noch einem Dritten im Bunde immer sehr geholfen, was das Firmennetzwerk betraf. (Sie hatten mir zum Beispiel eine Linux-Firewall auf einem alten Computer aufgesetzt, damit unser Internetzugang sicher war. Ja Kinder, so war das früher.) Und da hörte ich dann so Worte wie Movable Type und Textpattern. Ich hatte für die Firma eine Menge Webspace und sage und schreibe 3 Datenbankzugänge. Also machte ich mich selbst an die Arbeit.
Ich fing an zu frickeln und mit Textpattern kam ich zurecht. Für das, was ich schrieb, entwickelte ich eine Form, damit mich niemand identifizieren konnte. Ich splittete mich selbst in zwei Personen auf, die Businesssoldatin und das Weibchen, die in einer fiktiven WG wohnten. So konnte ich prima Geschichten über mich erzählen und mich mit mir selbst auseinandersetzen.
Für Kommentare oder den Gedanken bei anderen zu kommentieren, war ich zwei Jahre viel zu distanziert, das wuchs erst langsam. Für mich war das kein soziales Medium, eher eine kleine Insel der Selbstreflektion, Bekräftigung, dass ich wirklich da bin und mir das gerade passiert. Es rauschte in dieser Zeit viel zu viel vorbei.
Das Blog war damals Tagebuch, Twitter, Spotify, und Facebook in einem.
Zwei Jahre später klebte ich die gespaltene Persönlichkeit zusammen, eine mitlesende Autoren-Freundin bemerkte, dass ich durch die Distanzierung von den Figuren auch Leser auf Abstand halte. Dann stieß mich jemand auf Kitty Koma, eine Maske, die ich gern für mich benutzte, ich erfuhr ja erst viel später, was es mit dieser Figur auf sich hatte. (Eine lange Geschichte.)
Da Textpattern mit den sich entwickelnden Ansprüchen nicht mithalten konnte, es war schwierig, Fotos und Videos zu posten und ich auch immer wieder mit kleinen Bugs kämpfen musste, schloß ich das Blog. Ich hielt die Geschichte für auserzählt, auch weil die Freunde immer wieder befremdet waren, was ich da in dieses Internet schreibe. Aber ich war infiziert, deshalb setzte ich mir ein WordPress auf und da mir die Kommunikation auf Twoday sehr gefiel (ja, nach einigen Jahren Robinsondasein auf meiner Bloginsel hatte ich andere bloggende Lebewesen entdeckt), zog ich bald in Richtung Twoday um.
Dort war ich wiederum eine der ersten, die wieder aufbrach, als ich sah, dass dort nichts mehr investiert wurde. Wer mein Geld nicht will, dem kann ich auch nicht helfen. Also wieder WordPress.
In den Jahren ist es ein Gemischtwarenladen geblieben, viel Befindlichkeiten. Das ist sehr ok. so. Nun ist dieses sonderbare Hobby 10 Jahre alt geworden.
Edit: Mein Mangel an Enthusiasmus hat nichts mit Geringschätzung derer zu tun, die hier lesen. Die liegen mir am Herzen. Der Novemberblues hat mich in die eisige Pranke genommen.
Aber auch das geht vorüber.
Ich lese immer so gern, wie das bei anderen war und wie sie damals anfingen, diese sehr eigene Welt für sich zu entdecken. Das klingt oft ein bisschen so, als wären Pioniere mit ihren Planwagen gen Westen aufgebrochen. Und irgendwie war es doch auch so. Herrlich!
Oh Pioneers!
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Schön das Sie hier sind.
Und ich klopfe mir mal selber auf die Schulter, Sie gefunden zu haben und hoffe auf viele weitere Einträge.
10 Jahre! In Katzencontent sind das 70 Jahre! Glückwunsch!