Der Herr Lucky hatte wie jedes Jahr Spargel, Schinkenhäppchen und Kartöffelchen besorgt. Miz Kitty packte Eier, Dijon-Senf und Butter in die Tasche, dazu ein vorbereitetes Rhabarber-Crumble, hübschte sich etwas und machte sich auf den Weg nach X-Berg. Leider nicht mit dem Rad, das ist kaputt.
Die Stadt ist am Pfingstwochenende noch voller als sonst, wenn die Sonne scheint und das hat Nebenwirkungen. Über New York habe ich irgendwo gelesen, man solle als Tourist in bestimmten Vierteln schon aus Respekt vor den Leuten, die dort leben und arbeiten, nicht im Weg rumstehen. Vielleicht wäre das für Berlin auch eine gute Ansage. Es gibt Strecken in Berlin, die werden zum Hindernis-Parcours.
Seit im Pfefferberg ein Hostel ist, stehen vor dem U-Bahn-Eingang Senefelder Platz Menschengruppen, die auf U-Bahn- oder Stadtpläne starren. Hat man sich dort durchgewunden, stehen die nächsten vor dem einzigen Fahrkartenautomaten.
Ausländische Touristen sind meist schnell, werfen ihre Kohle ein und ziehen ihr Ticket. Besonders Schwaben, die in der Großfamilie oder in Gruppen unterwegs sind, beginnen erst einmal eine detaillierte Diskussion, welche Rabattmöglichkeiten die meiste Ersparnis bringen. Zu diesem Behuf hat man schon jemanden vorn am Automaten stehen, der wahlweise Knöpfe drückt und aus dem Hintergrund kommen weitere Diskussionsbeiträge und Rechenvorschläge.
Mich hat das ein Mal bereits 40 € gekostet. Ich hatte einen dringenden Termin und noch zwei Minuten, um den Fahrschein zu kaufen. Die Leute vor mir überlegten, entscheiden sich, entscheiden sich um, suchten nach kleinen Scheinen… Ich bat irgendwann, dass sie mich bitte vorlassen sollten, ich hätte es eilig, ich trug schon das passende Geld in der Hand. Die schauten mich nur verständnislos an. Ich sprang dann fluchend in die ankommende U-Bahn und Bums! hatte ich an der übernächsten Station eine nette Begegnung mit Kontrollettis.
Gestern nutzte ich die Kampfrentner-Taktik: Rücksichtsloses Vordrängen. So hatte ich eine Fahrkarte, bevor die Bahn die Türen schloss. Ich musste nur noch die fünf asiatischen Mädchen in kurzen Hosen beiseite kicken, die sich mit dem Rücken zum Eingang stehend, dort nicht wegrührten.
Ich drängte mich in die Mitte des Wagens. Um mich herum farbenfrohe südländische junge Ballonseidenhosenträger-Männchen, die breitbeinig sitzend stolz ihre Gonaden präsentierten. Ihre eigentlichen Brutplätze sind im Wedding, in der U2 sind sie selten, aber anhand ihres lauten Geschnatters konnte ich sie als süditalienische Touristen identifizieren.
Ich bemerkte, dass ich mit der U8 wesentlich schneller beim Herrn Lucky angekommen wäre und ärgerte ich mich kurz. Aber als ich am Gleisdreieick in eine mäßig volle U1 stieg, die sich dann am Halleschen Tor in den Vorhof zur Hölle verwandelte, wußte ich: 1. Es ist Karneval der Kulturen und 2. Wenn ich am Kotti umgestiegen wäre, wäre ich gar nicht in die Bahn gekommen. Um mich herum harmlose genervte Berliner, dazu Flaschensammler mit ihrer Beute, nicht mehr so ganz frisch riechend und ein ganzer Pulk Pubertisten aus einer der deutschen Provinzen (und es ist mittlerweile egal, ob Ost oder West). Die jungen Menschen erlebten, wie sie sich lautstark zubrüllten, zum ersten Mal eine volle U-Bahn. Zur allgemeinen Unterhaltung drohten sie sich gegenseitig, sich im Gedränge zu filmen und zu fotografieren und das Ganze auf Facebook zu stellen. Als sie von einem freundlichen Ureinwohner mindestens ebenso laut gebeten worden, endlich die Schnauze zu halten, war Ruhe. Jetzt beschäftigte sich nur noch eine Herde halbwüchsiger Türkenbengel damit, in den Stationen aus dem Wagen zu steigen, um sich am Schluss wieder reinzudrängen und wer es nicht schaffte, hatte verloren, musste noch etwas mitrennen und gegen die Scheiben bummern. Ich wünschte mir sehnlich ein Rambo-Kopftuch und eine Wumme. Schließlich musste ich mich am Schlesischen Tor mit drei rohen Eiern und einem in der Hitze weichgewordenen Stück Butter in einem Stoffbeutel zur Tür vorkämpfen. Irgendwie ging es. Ich musste ihn nur über den Kopf halten.
Auf der Schlesischen Straße kamen mir dann immer mal vier fünf Leute im Pulk entgegen, die gerade bei einem Fahrradverleih auf Hollandräder gestiegen waren und sich nun erstmal vorsichtig auf dem Gehweg warm fuhren.
Beim Herrn Lucky angekommen, empfingen mich entspannte Menschen, unter anderem der Herr Glam und Fräulein Nina, ein blühender Balkon und ein Glas Sekt auf Eis.
Es war ein wunderbarer, entspannter Nachmittag, der in den Abend und die Nacht übergingen. Die Spargel war delikat, die Hollandaise beschloss nach anfänglichem Zicken doch zu funktionieren. Ein Couchie aus San Francisco und der später eintreffende Graf ergänzten die Runde und wir führten Gespräche wie eine die Pest überwinternde Runde in einem Italienischen Renaissanceschloß.
2. Teil folgt
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Pfingstsamstagnacht auf der Oranienburger Touristenweitkicken auf dem Heimweg gespielt. Wir haben es einfach nicht leicht.
Da bin ich ja beruhigt, daß ich nicht die Einzige bin, die ob dessen immer mal richtig aggro wird.
Es war so wunderbar mit Ihnen! Und schon allein für den letzten Satz müßte man Ihnen die Füße küssen, und für die Hollandaise mit dem eingerührten Drama-Effekt (TM) und natürlich den Rhubarb-Crumble…!
Hollo Bollo mit Drama, hihi.
Für ein richtiges Decamerone ist mein Englisch leider zu schlecht. Wir wären eine gute Runde dafür gewesen.
„eine die Pest überwinternde Runde in einem Italienischen Renaissanceschloß.“ (so stell ich mir die nacht vor, in der die shelleys und byron frankenstein ersonnen haben. also mary eigentllich. byron fiel ein vampir ein. perce hat dit ooch irgendwie verarbeitet. aber mary – victor und seine kreatur. uns lief gestern noch ein dunkellockiger jüngling über den weg und wollte ausgesaugt werden.)
O-o und die Polizei findet die leere Hülle eines dunkellockigen Jünglings und steht vor einem Rätsel.
Ja, Pfingsten in Berlin ist …. toll?!!!
Der Herr-Irgendwas-ist-immer und ich entgingen dem Trubel im schönsten Garten Randberlins.
Aber ihre Geschichte geht ja gut aus und hört sich sehr entspannt an.
So ein Garten in Randberlin oder etwas weiter wäre ja immer noch mein Traum. Aber das kommt noch.
in der „brovinnds“ war es ähnlich voll, aber dafür sehr entspannt — und flächendeckend schwarz. erstaunlich fand ich die insgesammt wirklich extrem entspannte grundstimmung. die nervzwecken waren i.d.r. khakibehoste rentnerpaare, die vor motzen über die vielen schwarzen gestalten („die jugend von heute …!“) übersahen, dass sie in der zufahrt zu einem parkhaus mitten auf der straße standen. also kürzten wir den besuch im zentrum von l.e. ab, reisten heim und pflegten unsere zuneigung (in zeiten der cholera?) zwar nicht auf einem boot, aber dafür am see vor den toren der stadt.
zum krönenden abschluss mischten wir uns gestern abend noch unters heidnische volk und fanden, dass eigentlich viel öfter pfingsten in l.e. sein könnte.