Edit: Die Diskussion über sexuelle Belästigung ihn Berufsleben und Alltag ist eine endlose Tapete, gemustert mit dem patricharchen Stereotyp „Damsel in Distress“ oder Deutsch „Jungfrau in Nöten“. Gemischt mit einer guten Portion Voyeurismus, nicht umsonst sagt man der modernen westlichen Welt Sexbesessenheit nach.
Man kann es nicht laut genug sagen: Es geht nicht um Sex. Sex ist ein Symptom, nicht die Ursache. Es geht um Macht und direkten Zugang zu Ressourcen, um das Messer und den Tortenheber, um das richtige Stück vom Kuchen abzubekommen.
Bei der Damsel in Distress-Diskussion zu bleiben, heißt, bei der Definition zu verharren, daß der größte Wert einer Frau ihre sexuelle Unversehrtheit ist und andere über den Wert bestimmen, während er Frau allerhöchstens die Ja/Nein-Entscheidung über ihre Unversehrtheit zugebilligt wird. Objekt mit Schlüssel. Aber kein freies Subjekt.
Edit Ende.
Vor ein paar Wochen dachte ich noch, och nö, bitte nicht schon wieder so ein Hashtagaktivismus, bei dem sich Frauen alles von der Seele brüllen und hinterher so weitermachen wie bisher, weil sie glauben, eskalieren und brüllen reicht schon für Veränderung. Nun weiß das jeder von Ehekrächen, rumbrüllen ist nur ein Ventil. Schweigend das eigene Verhalten zu ändern, um das Gegenüber in Bewegung zu bringen – womöglich um den Preis des beiderseitigen Verlustes von Teilen der Komfortzone – ist zielführender.
Überhaupt ist Veränderung nie einseitig. Wer vom Gegenüber Veränderung verlangt, stellt das gesamte Setting um und muss sich ebenfalls bewegen. Die eigene Rolle wird eine andere.
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie wenig Frauen in (West-)deutschland ernst genommen werden und wie rigide die konservativen Mann-Frau-Machtstrukturen sind, die Belästigungen und Übergriffe erst entstehen lassen*. Betrachte ich, wie gelernt und kommod das Leben in diesen Machtstrukturen für Frauen sein kann und wie anstrengend das Leben „draußen“, verstehe ich die Zählebigkeit der Strukturen.
*Machen wir uns nichts vor. Es geht in den seltensten Fällen um Sex. Kein Mann, der eine Frau blöd angeht, rechnet damit, dass sie sich ihm beeindruckt hingibt. Die Botschaften sind „weil ich es kann, Mäuschen und du nicht“ oder „eine Frau wie dich bekomme ich nie im Leben, dann zeige ich dir wenigstens, dass du noch weniger wert bist als ich“ (tbc).
Irgendwann schrieb ich, darüber befragt, wie das denn war im Osten mit dem Liebesleben, „es war wild“. Aber der wesentliche Unterschied war, dass Frauen keine sexuellen Objekte waren. (Zumindest nicht in meiner Generation.) Die Frauen waren wirtschaftlich selbständig, verdienten so viel und manchmal auch mehr als die Männer. Also gab es keine Verknüpfung zwischen Beziehung, Sex und Versorgung. Eine „alleinstehende“ Frau wurde nicht in erster Linie an ihrer F*ckbarkeit/Attraktivität/Erreichbarkeit bewertet (dieser schmale Grat, die Ambivalenz: Heiße Braut oder Schlampe?).
Es war kein Riesenereignis, wenn eine Frau im Chefsessel saß. Wenn ideologisch und fachlich alles ok. war, ging das fix.
Allerdings war es nicht so, dass die Männer darüber erfreut waren. Im Krankenhaus meines Heimatkaffs ließ sich eine Chirurgin die Gebärmutter entfernen, damit sie stundenlange OPs durchhielt. Um dem satten Chefarztgrinsen, Frauen müssten doch ständig aufs Klo, etwas entgegenzusetzen.
Meine Mutter erhielt jahrelang obszöne Anrufe. Ich bin mir sehr sicher, dass der Anrufer einer ihrer Untergebenen war, eine dummes, rotzfreches Arschloch, den die Stasi ihr hingesetzt hatte.
Ich hörte vom Kindsvater mehr als einmal „aber du bist doch nur ein Mädchen“(scherzhaft vorgetragen, mit bitterernstem Kern), wenn ich Zukunftspläne schmiedete.
Auf dem Dorf waren die jungen Agronomieaspirantinnen „det Fleesch“ und trotzdem war die nächste Generation, die die alten Säcke in der Chefetage demnächst ablösen würde, weiblich.
Die Hoffnung, Dinge nur laut genug anzuprangern, damit die Schuldigen einsichtig ihr Verhalten ändern, ist relativ gering. Die Schicht an dumpfem Alltagssexismus war in der wesentlich gleichgestellteren Gesellschaft der DDR ebenfalls da. Die Frauen waren nur weniger kränkbar und stabiler. Es war nicht ihr Kernwert, ein schützenswertes sexuelles Objekt zu sein. Sie fühlten sich nicht sofort als Opfer, wenn ein Idiot sich daneben benahm und konnten sich bei Übergriffen ziemlich gut wehren.
(Mir fehlte es oft sehr, als Frau nur durch Frau sein Dinge bewirken zu können. Schutz und Aufmerksamkeit zu bekommen, geborgen zu sein. Das weibliche Spiel von Attraktivität, Anziehung und Verweigerung zu spielen.
Anderseits wußte ich, dass die Welt, in der sich die Frauen-Frauen bewegten, klein und beschränkt war. Bürgerliche Freiheiten, Werte und Wohlstand gab es in dieser proletarisierten Gesellschaft kaum noch. Meine Großmutter war die erste und letzte der Familie, die ein großes Haus führte. Sonst hatte kaum jemand die Ressourcen dafür.
Und: Das, was Männer machten, war viel interessanter. Sie gingen in die Welt, erlebten Abenteuer, machten Erfindungen, schufen große Dinge. Und diese Männerwelt stand im Sozialismus den Frauen offen. Warum sollte ich in einer kleinen Welt hocken bleiben und Mangel verwalten?
Trotzdem wußte ich, dass der Preis hoch war. Frauen arbeiteten doppelt und dreifach. Für den Job, den Haushalt und die Familie. Das war extrem hart.)
Mir fällt noch etwas dazu ein. Wenn die viktorianische Epoche das Sexuelle rigide verdrängte, dann war es, weil in den Städten die Spielregeln des Dorfes nicht mehr funktionierten. Im Dorf kannte jeder jeden und wußte man, wer welchen Stand hatte oder aus welcher Familie kam. Welche Konsequenzen der Kontakt zwischen den Geschlechtern hatte. Welche Paarbeziehungen existierten oder angebahnt wurden und welche Frauen niemand und damit allen gehörten.
In der modernen Welt ist Geld- und Einflussakkumulation kein dynastisches Spiel mehr. Frauen sind als Instrument, Pfand und Verhandlungsmasse für Machterhalt nicht mehr nötig. Sie müssen nicht mehr als Gebärerinnen von Söhnen, den Kraftmaschinen der Familie, herhalten. Zugang zu Wohlstand nicht mehr von Körperkraft und Aggressivität bestimmt, sondern von Bildung.
Bildungsressourcen können nicht mehr verschwendet werden, weil immer weniger geeignete Menschen für die übriggebliebenen teilweise hoch anspruchsvollen Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Es macht keinen Sinn mehr, Frauen teuer zu bilden und sie dann in niedrigschwelliger Familienarbeit einzusetzen.
Also begegnen sich Frauen und Männer in der Arbeitswelt neu. Sie müssen nun auf Augenhöhe zusammen arbeiten und konkurrieren miteinander. Dafür braucht es neue Spielregeln.
Insert: Die sexuelle Revolution hat Sex und Zeugung und Sex und dauerhafte exklusive Paarbeziehungen entkoppelt. Trotzdem haben sich in Deutschland die Hausfrauenehe und der Mann als Familienernährer lange gehalten. Ergebnis ist die sonderbare Gemengelage von hochgradig sexualisierter Atmosphäre (Männer sehen in einer Allmachtsphantasie Frauen als Ansammlung von für sie immer verfügbaren T*tten und Ä*schen) und drögem, aber empfindsamem Biedermeier (Frauen haben das Bedürfnis nach übersichtlicher, kleiner Welt, solange der Lebensstandard stimmt).
In veränderten Bedingungen, wo Bildung, aber nicht Geschlecht über den Zugang zu bezahlter Beschäftigung entscheidet, knallt es immer dann, wenn die mit der Allmachts- und die mit der Empfindsamkeitsphantasie gegeneinander laufen.
Da werden sich eine Menge Allmachtsgefühle verabschieden müssen und es müssen dicke Felle über zarte Haut wachsen es muss der Wille (Druck/Lust, was auch immer) vorhanden sein, sich zu beteiligen, Verantwortung zu übernehmen, zu scheitern, Gegenwind zu bekommen.
Das Ziel ist Respekt voreinander, Allianzen schmieden.
***
Über das, was in der Entertainmentbranche abgeht, könnte ich lange Artikel schreiben. Das mache ich nicht, weil ich keine Namen nennen möchte. Es ist ein Fleischmarkt mit viel Angebot und Nachfrage. Es sind eine Menge narzisstische schwarze Löcher, wunderhübsche Supernovae und Borderliner-Pulsare in diesem Universum unterwegs.
Aus meiner Sicht: Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich kapiert hatte, dass die Avancen, die junge attraktive Schauspieler mir machten, wenig mit mir zu tun hatten, sondern mit dem, zu dem ich Zugang verschaffen konnte. Ich für mein Teil wollte nie erpressbar sein und war nicht ansprechbar. Macht über andere hatte ich genug und Sex mit im Job Abhängigen machte mich nicht an.
Ich hörte da aber mal eine Geschichte über eine Kollegin, die im normalen Leben längst Rentnerin gewesen wäre. Sagen wir mal so, in heutigen Zeiten wäre das eine himmelschreiende sexuelle Belästigung gewesen. Einen ganzen Nachmittag lang, ohne viel Aussicht auf Flucht für den Mann. Er hätte sich wehren können, hätte gehen können und hat sich nach Stunden irgendwie charmant lächelnd aus der Affäre gezogen. Er wollte nicht allzu viel Porzellan zerschlagen, schließlich besorgte sie ihm die Jobs und hatte exzellente Verbindungen. Aber das ist schon länger her und die alte Dame ist nun schon einige Jahre tot.
Edit: Nicht gut? Wir waren uns doch immer einig, daß die Männer die Schweine sind. Die Geschichte ist mit Absicht gewählt und kein Einzelfall. Denn es geht um Macht und um Zugang zu Ressourcen. Es geht nur am Rande um Sex.
Vielen Dank, dass Sie Ihre Gedanken teilen! Ich lese das sehr gerne und es regt mich zum Nachdenken an.
Liebe Grüße Polly
Vielen Dank! Das erklärt mir, warum ich mich als Ostfrau sowenig mit der ganzen Debatte und der dort gezeigten „Opferattitüde“ identifizieren kann.
Das hier interessiert mich: „Die Schicht an dumpfem Alltagssexismus war in der wesentlich gleichgestellteren Gesellschaft der DDR ebenfalls da. Die Frauen waren nur weniger kränkbar und stabiler. Es war nicht ihr Kernwert, ein schützenswertes sexuelles Objekt zu sein. Sie fühlten sich nicht sofort als Opfer, wenn ein Idiot sich daneben benahm und konnten sich bei Übergriffen ziemlich gut wehren.“
Wie ging das? Gab es Exhibitionisten, Busen/Schrittgrabscher auf der Straße, Penisreiber im Bus, Masturbation am Beckenrand, Verfolgung nachts auf dem Heimweg etc und wenn ja, wie konnte frau sich da ziemlich gut wehren, nicht als Opfer fühlen?
Für mich liegt der Vorteil dieser wiederkehrenden „Aufschreie“ darin, dass sich meine Tochter nun trauen kann, Verbündete zu finden, Übergriffe bei der Polizei anzuzeigen und evtl. dann in der Wache noch nicht einmal ausgelacht wird. In meiner Jugendzeit wäre das undenkbar gewesen. War das wirklich nur in Westdeutschland ein Problem?
Nach vielen Gesprächen mit anderen Frauen über die Jahre bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erfahrung/Wahrnehmung solcher Übergriffe sehr unterschiedlich ist. Vielleicht hängt es auch vom Typ Frau und von der Lebensweise ab, wie viel miese Erfahrungen machen musste? In der Rückschau sind mir mindestens 10 Dinge passiert, die man heute hätte anzeigen können, die wenigsten im Berufsleben. Ich habe es schon immer als extrem ungerecht gefunden, dass ich als Frau mehr Angst haben muss als ein Mann, wenn ich unterwegs bin.
Vom Leben im Osten habe ich keine Ahnung, aber dass im Westen der Kernwert der Frauen war, ein „schützenswertes sexuelles Objekt“ zu sein, dass das Leben zu Haus „niedrigschwellig“ und „kommod“ ist und das Leben „da draußen“ anstrengender, das ist doch auch reichlich klischeehaft und entspricht nicht meiner Erfahrungswelt.
Sonst gehe ich mit deinen differenzierten Betrachtungen meist konform, nur hier regt sich mein Widerspruch. Gern höre ich aber mehr vom Leben in der DDR!
Ich nehme das mal auseinander.
Gab es Exhibitionisten,
Ja. Das ist ja eher eine psychische Störung als eine tatsächliche Demonstration von Macht und Männlichkeit. Es gab Männer und Frauen, die diese Typen anschrieen, sie sollen sich verpissen oder mit dem Besen auf sie losgingen.
Als die Verhältnisse freier wurden, so ab Mitte der 70er, lachten viele Frauen über solche Männer.
Was ist an einem armen Würstchen, das sein Würstchen vorzeigt, schrecklich? Wie kann das Frauen verletzen?
Das wurde angezeigt und bestraft.
Kindern zu erzählen, dass sie jetzt etwas ganz schlimmes gesehen hätten, empfand ich als rückschrittlich.
Busen/Schrittgrabscher auf der Straße
Ja und nein. Ein Rudel angetrunkener Bauarbeiter auf der Straße konnte durchaus mal verbal unangenehm werden oder versuchen, zuzufassen. Die hat frau laut angebrüllt, sie sollen die Pfoten von ihnen lassen. Den Rest erledigte die rigide soziale Kontrolle untereinander. (die sehr unangenehme Schattenseiten hatte)
Mir hat mal ein Klassenkamerad in einer Übersprunghandlung auf dem Schulhof im Gedränge an die Brust gefasst. Dem habe ich eine geknallt.
Die Frage „habe ich den armen Mann durch mein Auftreten provoziert?“ gab es so nicht. Frauen hatten das legitime Recht, sich im öffentlichen Raum zu wehren und bekamen überwiegend Unterstützung.
Penisreiber im Bus
Ja. Ist mir zweimal passiert. Im Gedränge in der Straßenbahn und im Kino. Auch das fällt für mich eher unter armes Würstchen mit psychischen Problemen. Ich empfinde das als sehr unangenehm, aber nicht verletzend. Das eine Mal bin ich ausgestiegen, weil ich mich nicht traute, mit dem Ellenbogen nach hinten zu hauen. Die Bahn war so voll, dass ich jemand anders getroffen hätte. Das zweite Mal habe ich kurz und knapp mit einem Mann den Platz getauscht.
Masturbation am Beckenrand
Nicht dass ich wüsste, außer vielleicht der eine oder andere geistig Behinderte. Es gab eine andere Kultur von Nacktheit und Sexualität. Nacktsein beim FKK war nicht sexuell konotiert. (dass sich der/die eine oder andere aufgeilte – geschenkt) Sexualität hatte in der Öffentlichkeit nichts zu suchen und war in der Diskretionszone. Wer das missachtete, wurde angezeigt, bestraft oder ein halbes Schwimmbad lachte, schrie Igitt! und zeigte mit dem Finger auf ihn. Der ruinierte Ruf war eher auf Seiten des Wichsers als auf Seiten der Frauen, an die er sich wendete.
Verfolgung nachts auf dem Heimweg etc und wenn ja, wie konnte frau sich da ziemlich gut wehren, nicht als Opfer fühlen?
Ja. Gab es. Ich wohnte, als ich jung war, in ziemlich abgeranzten Vierteln und ging durch meinen Theaterjob oft spätnachts lange Strecken nach Hause. Ich fing mir ein- oder zweimal irgendeinen angesoffenen Typen ein, der mitging und mich zutextete, in der Hoffnung, ich nehme ihn noch mit hoch. (das gab es, Frauen nahmen Männer schon mit, auch nach drei Tänzen in der Disco, wenn die ihnen gefielen. Den Begriff Schlampe für eine promiske Frau kannte ich nicht.)
Da half nur, mit den Leuten zu reden, nicht wegzurennen. Wer redet, ist beschäftigt und kommt nicht auf blöde Gedanken. Wäre ein Übergriff passiert, hätte ich die Straße zusammengeschrieen.
In blöden Situationen habe ich mich auch abgesichert. Es gab da eine Strecke an Bahnunterführungen, wo niemand in Hörweite wohnte, und oft die Straßenbeleuchtung über mehrere Laternen ausgefallen war. Da hatte ich einen Knüppel im Gebüsch versteckt. Ich hatte Angst, es ist aber nie was passiert.
Nicht als Opfer fühlen funktionierte mit keine Angst zeigen, nicht huschen und flüchten sondern aufrecht gehen. Laut werden. Auf Distanz bestehen. Keine Schuldgefühle haben, dass man selbst Auslöserin dieser Attacke ist.
Beim Trampen bin ich vorzugsweise mit LKWs gefahren. Das eine oder andere Mal hat der Fahrer andeutungsweise gefragt, ob ich an Sex interessiert wäre. Einmal standen wir auf einem leeren Autobahnparkplatz. Es half nichts, ich musste mit sicherer, lauter Stimme sagen „Sie fahren sofort wieder auf die Straße!“ Innerlich war mir anders zumute.
Es gab Frauen, die anders waren. Meine Ex-Schwiegermutter machte ein Riesentheater, wenn ihr Mann die Woche über auf Montage war. Frau allein war gefährdet, musste sich doppelt und dreifach einschließen, konnte im Dunkeln nicht mehr auf die Straße etc. Ich habe das nicht verstanden. Ihre Botschaft war fortwährend „das und das kann ich nicht, weil ich eine Frau bin“.
Unangenehm in Erinnerung ist mir eher der ganze Bereich date rape. Leute kennen sich, mögen sich vielleicht sogar und machen sich nicht gegenseitig die Grenzen klar oder gehen nicht konsequent aus Situationen raus. Das konnte ich sehr schlecht handeln.
Man darf aber nicht vergessen, dass die DDR ein übersichtliches, abgeschlossenes Land war, mit fast dörflicher rigider Überwachung und heftigen Strafen. Die heutigen Verhältnisse könnten der Preis der Freiheit sein. Ich wehre mich aber gegen den Gedanken, dass Freiheit nur im Patriarchat möglich ist.
(Mal davon abgesehen, dass wir uns über Dinge erregen, die wir relativ unproblematisch mit Mut und Haltung abstellen könnten. Ein Typ einen ähnlichen kulturellen Hintergrund hat wie ich, der die Pfoten nicht bei sich halten kann oder blöde Sprüche macht, ist kein wirkliches Problem, den kann man einnorden.
Ich sehe eher Leute als ein Problem, die aus Gesellschaften kommen, wo es legitim ist, die Frau nach der Hochzeit aus dem fünften Stock zu schmeißen, wenn sie keine Jungfrau mehr war. In den Kaukasusrepubliken gab es das auch zu Zeiten der Sowjetunion und es wurde toleriert. Männer, die Frauen, die sich ohne Aufpasser bewegen, als Schlampen ansehen, die man sich nehmen kann. Die sprachlich nicht erreichbar sind oder erst Spielregeln, nach denen wir in Europa seit 120 Jahren leben, verinnerlichen müssen. Eben die, bei denen Familie und Erwerb noch dynastisch funktioniert und die als Söhne die Kraftmaschinen der Familie sind und die Frauen die Gebärerinnen der Söhne.
Aber das sind ja nun nicht so wahnsinnig viele. Wenn man sich klar ist über die kulturellen Unterschiede, ist es wiederum kein Problem.)
Ich habe es schon immer als extrem ungerecht gefunden, dass ich als Frau mehr Angst haben muss als ein Mann, wenn ich unterwegs bin.
Ich glaube, das ist eher Einschüchterung als Angst. Männer sind viel öfter und stärker Opfer von Gewalt. Diese Einschüchterung macht Frauen so gefügig und lässt sie freiwillig am Katzentisch der offenen Gesellschaft Platz nehmen.
aber dass im Westen der Kernwert der Frauen war, ein „schützenswertes sexuelles Objekt“ zu sein, dass das Leben zu Haus „niedrigschwellig“ und „kommod“ ist und das Leben „da draußen“ anstrengender, das ist doch auch reichlich klischeehaft und entspricht nicht meiner Erfahrungswelt.
Ich gebe zu, das war Polemik. Aber es muss kommod sein. Sonst würden Frauen nicht in diesen unterwürfigen Positionen verharren. Schon gar nicht unter dem veränderten Scheidungsfolgenrecht. Ansonsten halte ich Hausarbeit schon für niedrigschwellig. Das können auch Analphabetinnen, dafür muß frau nicht studieren.
Vielleicht ist das ja der wahre Ost/West-Kulturkonflikt. Während die Frauen im Westen sich mit den Hashtagaktionen Mut machen und ihrem Handeln Legitimität geben, stehen die Frauen im Osten befremdet daneben. Wir wurden in Sachen Gleichstellung 50 Jahre zurückgeschickt, wir hatten das alles schon, was jetzt mühsam erobert wird.
Was Kitty sagt, kann ich alles so bestätigen.
@Suschna:
Ich (Jahrgang 1972) habe ungefähr jeweils die Hälfte meiner Arbeitsjahre im Osten (Berlin) und im Westen (Hamburg, Bayern) verbracht und kann auch auf zwei Generationen starker Frauen zurückblicken (meine Oma war Jahrgang 1904 und meine Mutter ist Jahrgang 1942).
Was die Symptomatik angeht, bin ich tendenziell eher bei kittykoma, denn die – sehr hart erarbeitete – Selbstverständlichkeit von Ostfrauen im Berufsleben (und der ebenso selbstverständliche Umgang von Ostmännern damit) sind tatsächlich in der Form so im Westen so gut wie nie zu finden.
In meiner heutigen Umgebung ist es so, dass es entweder die Karrieren ohne konventionelle Familie gibt (nie Familie gehabt oder kaputtgegangene Ehen) oder eben den Teilzeitjob und Familie – aber nie in der gekannten Selbstverständlichkeit Vollzeit-Arbeit (und damit berufliche und finanzielle Augenhöhe) und gleichzeitig Familie.
Das sich dadurch in der Breite ergebende Machtgefälle zwischen Männern und Frauen ist sehr spürbar und gesellschaftlich gewollt.
Es gibt immer Ausnahmen von allem (auch im Osten wären viele Mütter gerne länger zuhause geblieben und es gibt sehr clevere und spannende Frauen im Westen), aber das selbstbewußte, selbstverständliche Auftreten dieser Generationen vermisse ich oft im Berufsleben.
Das hat sich nochmal anders angefühlt – auch wenn es schwer ist, Anflüge von Verklärung rauszudifferenzieren.
Zum Rest des Beitrags: klar. Ich bin allerdings skeptisch, dass sich wirklich was ändert.
Als stille Leserin möchte ich mich bei dem Thema auch zu Wort melden. Ich, Jahrgang 1971, in Dresden geboren, aber lebend und arbeitend im Rhein-Main-Gebiet. Mir sind die metoo- und aufschrei!Hashtag-Aktionen fremd geblieben, mich hat schon immer gewundert, dass (abgesehen von der Sparte Film, Kunst und Kultur – da greifen ganz andere Mechanismen und Abhängigkeiten, die mMn nicht auf das „normale“ Leben übertragen werden können) Frauen ihre Erlebnisse auf diesem Weg öffentlich machen. Ich habe nie verstanden, warum sich Frauen bei blöden Sprüchen und Begrapschen nicht wehren. Und ja, auch ich empfinde, dass „wir“ Frauen (aus dem Osten) heute mühsam Dinge erkämpfen und erklären, die mal völlig selbstverständlich waren – und das nervt! Weil man es schon mal hatte… das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum mich diese Aktionen nicht erreichen – weil ich mir denke: da waren wir schon mal weiter! Ich habe es noch nicht aufgegeben, mich zu wundern, warum Frauen völlig selbstverständlich in Teilzeit wechseln wenn Kinder da sind – anstatt den Mann einzubinden. Und mir würde es, wahrscheinlich bedingt durch meine Sozialisation, wirklich Angst machen, wäre ich Hausfrau und Mutter. Dieses Modell wäre mir viel zu unsicher. Abgesehen von der Blauäugigkeit, sich auf die Haltbarkeit einer Beziehung zu verlassen, ist es doch so, dass ein eigenes Einkommen unabhängig und selbstbewusst macht. Und die Männer haben bei den Lebensmodell nicht den Druck, allein für den Lebensunterhalt der Familie funktionieren zu müssen. Das ist für mich auch der Punkt, an dem ich die Männer, die das Teilzeit- oder Hausfrauenmodell präferieren, nicht verstehe. aus meiner Perspektive würden sie doch profitieren. Sagt eine, die Vollzeit arbeitet, mit einem „Westmann“ lebt, ein Kind mit selbigen hat und sich Kind und Haushalt versucht zu teilen…
@Kitty: Danke für den Beitrag! Aus dieser Perspektive habe ich das Ganze noch gar nicht gesehen…
Ich fand diesen und den letzten Blogpost sehr lesens- und nachdenkenswert, vielen Dank für Ihre gegen den Strich gebürsteten Perspektiven!
Ich habe keine DDR-Erfahrung und frage deshalb ganz ernsthaft. Welche Rolle spielte es denn, dass Frauen in der Propganda der Ostblockstaaten auch „Heldin“ sein durften, und zum guten Zweck auch gerne Gewalt anwenden durften? Ich erinnere mich an die Seit and Seit mit dem Helden in die glorreiche Zukunft schreitenden Frauenstatuen, gerne mit Gewehr in der Hand, kantig-entschlossenem Gesichtsausdruck und sehr unfemininer Haltung, oder auch an die Heldinnen des Widerstands/2. Weltkriegs, die auch gerne Partisaninnen sein durften. Im Westen war das „Flintenweib“ ja nun nicht so sehr geschätzt, und selbst eine Sophie Scholl kommt auf den Fotos eher schulmädchenhaft-brav rüber. Spielt also die wohlwollende Darstellung von Frauen als Heldinnen, auch Soldatinnen, eine Rolle?
Eine Überlegung, die sich mir angesichts der letzten Hashtag-Erregungswellen stellte: kann das auch eine Generationsfrage sein? Meine Mutter erzählte mir kürzlich, sie hätten sich damals im Büro unter Kolleginnen offen darüber ausgetauscht, wer von den Kollegen bzw. Chefs zu Übergriffigkeiten neigte, und dann hätte man sich Tipps zum Umgang damit gegeben. Energisch wegschubsen wurde empfohlen, und das schien auch zu helfen. Meine Mutter und ihre Kolleginnen rechneten mit solchen Übergriffigkeiten, nahmen sie nicht persönlich und wohl auch nicht allzu ernst, gingen nie davon aus, dass das ihre „Schuld“ gewesen sein könnte, und handelten umgehend und wehrten sich.
Im Moment scheint unter jungen Frauen eher ein Klima der entsetzten Nabelschau vorzuherrschen, von entschiedenem Gegenangriff keine Spur.
Woran liegt das? Kann es sein, dass die jungen Frauen gepampert bis zum Umfallen werden und schlicht aus allen Wolken fallen, wenn sie auf Übergriffigkeiten treffen?
Auf den kriegerischen Aspekt wurde garnicht so viel Wert gelegt. Das war eine unter vielen Facetten. Aber er wurde auch nicht lächerlich gemacht in Richtung „Flintenweib“. Frauen wurden als Forscherinnen, Ingenieurinnen und Professorinnen dargestellt und in Führungspositionen gleichberechtigt mit Männern. Das war Propaganda, hat aber bei mir die Wirkung nicht verfehlt.
Das Bild „die Frau an seiner Seite, die ihn bei einen Taten unterstützt und anhimmelt“ gab es kaum. Frauen wurden agierend gezeigt. Meine Freundin wollte unbedingt Landwirtschaft studieren, weil es in einer Fernsehserie eine sehr coole Agraringenieurin gab, die sich von Männern wenig sagen ließ.
(Manchmal auch grenzwertig. Ich erinnere mich an eine Lesebuchgeschichte in der Grundschule über ein Kind in den 20er Jahren, das eine Woche versteckt zu Hause blieb, weil die alleinerziehende Mutter zu einem illegalen politischen Kongress ins Ausland fuhr. Das Kind wurde uns als brav und vorbildlich dargestellt, die Mutter als Heldin.)
Außerdem hat meine Familie mich nie gebremst, dass etwas womöglich unweiblich oder nicht für Frauen geeignet sei. (Gebremst wurde ich sehr stark in ideologischer Richtung, ich durfte nicht über alles nachdenken und sprechen.) Der Einfluss der Familie war, glaube ich im Nachhinein, die viel wichtigere Sache. Dieses „Mädchen können kein Mathe, du brauchst doch keinen LKW- Führerschein“ etc, gab es bei uns nicht. Auch wenn ich für etwas „unweibliches“ eine Begabung hatte, wurde es gefördert.
Ich habe mich in der Pubertät eher selbst zurückgenommen, weil ich glaubte, so finde ich nie einen Freund. Was ich im Nachhinein sogar etwas bedauere. Die Typen, die ich in der Pubertät angehimmelt habe, waren Idioten, für die ich mich dumm und hilflos stellen mußte. Und selbst das hat nicht funktioniert. Die guten Begegnungen fanden auf Augenhöhe statt.
Ich habe mich als Kind geprügelt wie ein Junge, bin auf Bäume geklettert und war vorwiegend mit Jungs unterwegs. Bis auf eine Oma, die das kritisch sah, hatte da niemand ein Problem damit.
Das prägt genauso tief, wie eine Sozialisierung, die Frauen vermittelt, sie wären ständig in Gefahr, hätten eigene geschützte Bereiche und von Männern unterschiedene Begabungen.
Ansonsten sehe ich das ähnlich. Die älteren Frauen hatten es gelernt, sich gegen übergriffige Männer zu wehren, wenn sie nicht nur zu Hause sitzen wollten.
Was das heute ist, ich weiß es nicht. Opfer bekommen viel positive Aufmerksamkeit, mehr als Menschen, die einfach ihr Ding machen. Und je mehr Schutz Frauen geboten wird, desto weniger setzen Sie sich mit bestimmten Verantwortungsbereichen auseinander. Im Grunde genommen ist das positive Diskriminierung.
(Wie immer finde ich Ihre Beiträge und die Diskussionen, die sich dazu entwickeln, interessant und anregend. Ich bin Jahrgang 1975 und in Österreich auf dem Lande aufgewachsen, seit 1993 lebe ich in Wien.) Ich finde die Hashtag-Aktionen gut, weil sie gesellschaftliche Diskussionen anregen, das Thema in die Publikumsmedien bringen und vor allem die ja wirklich in den meisten Fällen völlig ahnungslosen jungen Männer darüber informieren, wie der Alltag für die Frauen um sie herum aussieht. Das ist offenbar noch immer ein Aha-Erlebnis nach dem anderen.
Leben muss gelebt werden, jeden Tag. Ihre Erzählungen, Ihre Anregungen für Verhalten und die innere und äußere Haltung, die Sie damit vermitteln, scheinen mir für einen guten Alltag sehr hilfreich zu sein. Das ist aber etwas anderes, als einen Diskurs über Machtverhältnisse zu führen, Utopien für ein gutes Zusammenleben zu formulieren und die Auswirkungen der Verhältnisse im eigenen Alltag aufzuzeigen. Das Private ist, immer noch, politisch. – Ich könnte mir jedoch vorstellen, wenn ich mit diesem Mantra in der DDR hätte leben müssen, dass ich dann der politischen Interpretation des Alltäglichen skeptisch bis abwehrend gegenüberstünde.
Ich stehe im Moment auch ein bißchen neben mir und frage mich, ob ich da die DDR nicht verkläre. Dazu neige ich sonst nicht.
Diese Änderung der Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen war kein verordneter und mit Sanktionen durchgesetzter Prozeß. Günstig war, daß die Kommunisten absolut für die Gleichberechtigung der Frau eintraten. Schließlich hat im Proletariat die frau immer gearbeitet. Gleichzeitig waren sie überwiegend Männer, die keinen Bock hatten, Privilegien abzugeben.
In der Praxis hatte Ostdeutschland nach dem Krieg, in dem Frauen gelernt hatten, für sich selbst einzustehen, weil die Männer nicht da waren, kein Wirtschaftswunder, mit dessen Wohlstand sie wieder in die Familienprivatheit geschickt wurden.
Es geht gar nicht um Umsturz. Wenn Frauen Macht außerhalb der Familie bekommen, weil es Vakanzen gibt oder durch höhere Bildung, Führungspositionen oder Arbeit in reinen Männerdomänen, dann passiert automatisch eine Positionsverschiebung.
Und das ist es, was mich an den hashtagaktionen so stört. Sie simplifizieren den prozeß darauf, daß nur Männer sich ändern sollen. Geht man dem gelegten roten Faden nach, hieße das, Frauen wollen aufgrund ihrer Macht-, Wehr- und Selbstschutzlosigkeit ganz besonderen Schutz und sichernde kommunikative Rituale. Warum sollten Männer das tun? Denen geht es gut und sie schwimmen auf der Suppe des Lebens auf der Wurst.
Wenn sie da runterrutschen, sieht es anders aus. Kein Mann macht eine frau blöd an, von der er etwas will und mit der er kooperieren muß, um die er nicht herum kommt.
Ich denke mit Verhaltensänderung bei den Frauen wird sich auch das Verhalten der Männer um einiges ändern. Umgekehrt habe ich weniger Hoffnung, weil es im appellativen erstickt.
In der Praxis hatte Ostdeutschland nach dem Krieg, in dem Frauen gelernt hatten, für sich selbst einzustehen, weil die Männer nicht da waren, kein Wirtschaftswunder, mit dessen Wohlstand sie wieder in die Familienprivatheit geschickt wurden.
In der Praxis hatte die DDR hingegen sehr bald einen Fachkräftemangel, weil so viele rübermachten. Der wurde dann irgendwann so groß, dass sogar eine Mauer gebaut wurde.
Arbeiten zu gehen, gar Karriere zu machen, war in West-Deutschland für Frauen nach der Geburt von Kindern sehr viel schwieriger als in der DDR, weil es im Westen eben nicht flächendeckend Ganztagsbetreuung für den Nachwuchs gab, schon gar nicht wenn der noch keine drei Jahre alt war (daran hapert es sogar jetzt noch vielerorts). Wohl der arbeitenden Frau, die ihre Großmutter in der Nähe hatte oder halt wohlhabend genug war, dass sie sich ein Kindermädchen leisten konnte.
Wir wurden in Sachen Gleichstellung 50 Jahre zurückgeschickt, wir hatten das alles schon, was jetzt mühsam erobert wird.
Warum habt Ihr das alles nicht besser verteidigt? Westdeutsche Feministinnen hatten seinerzet genau davor gewarnt. Trotzdem haben so viele im Osten Kohl gewählt – den wir in West-Deutschland sonst schon damals losgeworden wären. Vielleicht haben die ostdeutschen Frauen alles auch deshalb für selbstverständlich gehalten, weil sie womöglich nie darüber nachgedacht hatten, warum es ihnen in mancher Hinsicht so viel besser ging als ihren Schwestern drüben. Die westdeutschen Feministinnen haben sich alles sehr hart erkämpfen müssen – und mitunter profitierten davon auch direkt die ostdeutschen Frauen. Bestes Beispiel ist der Kampf gegen den Paragraphen 218. Nach der großen Aktion „Wir haben abgetrieben“ im Juni 1971, fiel den ostdeutschen Frauen das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft in den Schoß. Die DDR musste mal wieder zeigen, dass sie der bessere deutsche Staat war, der gemeinsame Beschluss des Ministerrats und des ZK zum geplanten Gesetz im Dezember 1971 kam völlig unerwartet. Weder davor noch danach hatte es öffentliche Diskussionen gegeben.
Eine Überlegung, die sich mir angesichts der letzten Hashtag-Erregungswellen stellte: kann das auch eine Generationsfrage sein?
Ja, ich denke schon. In den 1970er und 1980er Jahren thematisierten Feministinnen im Westen auch schon Gewalt gegen Frauen, auch die sexualisierte Gewalt. Sie beließen es aber nicht dabei, sondern gründeten Frauenhäuser, Beratungsstellen und Vergewaltigungsnotrufe.
Meine Ex-Schwiegermutter machte ein Riesentheater, wenn ihr Mann die Woche über auf Montage war. Frau allein war gefährdet, musste sich doppelt und dreifach einschließen, konnte im Dunkeln nicht mehr auf die Straße etc. Ich habe das nicht verstanden.
Welcher Jahrgang ist/war die Ex-Schwiegermutter denn? Hat sie den Zweiten Weltkrieg miterlebt und wenn ja, wo war sie bei dessen Ende?
Man darf aber nicht vergessen, dass die DDR ein übersichtliches, abgeschlossenes Land war, mit fast dörflicher rigider Überwachung und heftigen Strafen.
Das spielte sicherlich eine Rolle. Ich tippe darauf, dass das Risiko für Frauen im Westen schon größer war.
Ich finde die Diskussion sehr sehr interessant! Danke!
Das mit dem Paragraph 218 habe ich nie aus dieser Perspektive gesehen, das finde ich interessant.
Ja. Das Wirtschaftswunder fand woanders statt und Ostdeutschland leerte sich. Und das war historisch gesehen eine große Chance für Frauen, verwaiste Männerdomänen zu besetzen.
Warum wir unsre Errungenschaften nicht besser verteidigt haben?
Die Antwort ist komplex. Der Zusammenbruch eines Staates, den keiner mehr wollte und der einfachere, aber nicht von allen gewollte Weg, das Land in ein andres zu integrieren, hat ein riesiges Chaos und krachende Lebensbrüche bedeutet.
Das ist ein komplexes Thema, es läßt sich auch nicht darauf herunterbrechen, daß alles besser geworden wäre, hätte der Osten nicht Kohl gewählt. Ohne Kohl keine Merkel, keine von der Leyen als Verteidigungsministerin. Geschichte atmet langsam.
Es gab sehr schnell auch ostdeutsche Fraueninitiativen. Und wie in allen Bereichen ritten dort sehr schnell die Feministinnen aus dem Westen ein und wußten alles besser. Die wollten sich produzieren, nicht zuhören.
Das Problem war, wir hatten kaum gemeinsame Themen. Ähnlich wie heute.
In West-Berlin war die laute und sichtbare feministische Szene ultralinke, meist lesbische Boheme. Das war vielleicht für ein paar Abende mal ganz exotisch anzuhören, was für Schweine Männer sind, die tatsächlich ihre Penisse in Frauen stecken wollen, aber das wars auch. Der überwiegende Teil der ostdeutschen Frauen hatte schon in den 20ern Kinder, Familie und berufliche Pläne – und mußte nach der Wiedervereinigung erst mal schauen, wie es weitergeht und wo frau bleibt.
Viele Frauen hatten Angst vor der Zukunft und in der Provinz kam es auch knüppelhart. Trotzdem wurden wichtige Werte in der Gemeinschaft verteidigt. Die Kinderbetreuung zum Beispiel, überhaupt Kinder als wichtiger Lebenswert.
Und es wiederholte sich – es blieb den Frauen oft nichts anderes übrig, als für sich selbst einzustehen, statt das den Männern zu überlassen. Die machten nämlich fix den sterbenden Schwan.
Da sich auch ganz schnell jeder selbst der Nächste war, machten sich die Frauen auf den Weg. Ostdeutsche Frauen waren wesentlich erfolgreicher als die Männer. Nach den Irritationen, daß die „Muttis“ angeblich kaum zur Arbeit kamen, weil die Kinder ständig krank waren, waren zumindest in meinem Umfeld die Frauen aus dem Osten gut gefragt und beschäftigt, weil gut ausgebildet, pragmatisch und unkompliziert (aber auch auf der Kehrseite unter Druck und ohne Rückhalt). In der Branche, in der ich arbeitete, war das ganz besonders so. Die höheren Töchter aus dem Westen, die vorzugsweise Schauspielerin wurden (bzw. sich ohne großartige Ausbildung so nannten), hatten oft ein Fallback, konnten Rosinen picken, weil Papa oder der Gatte/Freund das Leben finanzierte.
Wo viele Regisseurinnen aus dem Westen mit weiblichem Befindlichsein und diversen -ismen rumruderten, führten die Frauen aus dem Osten einfach Regie und machten sehr gute Gebrauchsware. Ob ihnen das gedankt oder ob sie nicht irgendwann ausgebremst wurden, weil sie zu präsent waren und man dann doch lieber keine kleine, dicke sächselnde Frau mit selbstgeschnitten aussehenden Haaren als Cash cow der Firma präsentieren wollte, trotz diversen Filmpreisen fürs Produkt, steht auf einem anderem Blatt.
Diese Frauen machten einfach. Waren oft alleinerziehend, und gingen trotzdem Vollzeit arbeiten. Half ja nichts. Der unterhaltspflichtige Mann hockte irgendwo arbeitslos rum und haderte mit dem Leben.
Ich machte die erstaunliche Erfahrung, daß ich im Westen Männer traf, die auf wirtschaftlich selbstständige Frauen standen, Hausarbeit machten und nicht sofort eine Identitätskrise bekamen, wenn ich Erfolg im Job hatte. Da hatte der westdeutsche Feminismus gute Vorarbeit geleistet. Sie hatten überhaupt keinen Bock auf den way of life ihrer Mütter und Väter, wo Papa Geld ranschaffte und Mama zu Hause blieb.
Dagegen waren viele ostdeutsche Männer meiner Generation (bei den jüngeren ging das) im innersten Wesenskern gekränkte Machos, mit denen man kaum noch was anfangen konnte.
Ich war nach dem Mauerfall mit Männern aus dem Westen zusammen. Für beide Seiten war das ein Gewinn. Auch wenn die Frauen im Umfeld manchmal etwas giftig wurden und Sprüche machten, ich würde die Verhältnisse versauen, ihr Mann würde bin ihnen verlangen, sie sollten wieder zu arbeiten anfangen, weil die Frauen aus dem Osten ihren Teil zur Miete beitragen könnten.
Es ist aber nicht alles rosarot. Ich hätte ein Leben als bürgerliche, kulturinteressierte, entspannte Damedeshauses nicht uninteressant gefunden. Es ist alles eine Frage des Lebensstandards. Aber wahrscheinlich hätte ich den Preis dafür nicht bezahlen können. Ich war vom Wesen her zu dominant.
Das, was ich jetzt bin, bin ich auch durch die vielen Jahre Überlast im Job und Energieverbrauch durch Anpassungsleistungen. Inklusive Verschwendung, Konsum und Unverständnis gegenüber Kapital. Könnte ich den Weg noch einmal machen, wäre ich an manchen Stellen anders abgebogen. Aber es ist wie es ist und ich bin sehr dankbar für die Menschen in meinem Umkreis und für Achtung und Vertrauen.
Was meine Ex-Schwiemu betrifft… nein, die ist einfach eine fürchterliche Ziege. Zum Kriegsende war sie 4 Jahre alt und bei Verwandten auf dem Land, weil das Heimatkaff als Festung evakuiert war. Die hat nicht mehr oder weniger erlebt als andere Frauen in meiner Umgebung. Sie haßte mich für meine Selbstständigkeit und unterstellte mir, ich würde Enkelkind (das sie mit dem A… nicht ansah) und Sohn hungern lassen, nicht kochen und waschen können etc.
Dabei war sie diejenige, die nicht kochen konnte. Das machte immer ihr Mann.
Die hat einfach nie verwunden, daß ihre ältere Schwester in Hamburg einen Steuerberater geheiratet hatte und am Tag entspannt Tennis und Golf spielte und sie mit einem Zimmermann auf der anderen Seite der Mauer zusammen war und zähneknirschend halbtags als Buchhalterin arbeiten mußte.
(Ende der 50er sah das anders aus. Da war sie schon mit ihrem Zimmermann zusammen, der in West-Berlin arbeitete und „umrubelte“. Sie hatten gut Geld. Die Schwester war mit einem ärmlichen Wirtschaftsaspiranten zusammen. Daß dann die einen auf der einen Seite der Mauer wohlhabend wurden und die anderen rumkrebsten und sich für dieses Leben pesteten, hatte keiner geahnt.)
Ich frage mich aber trotzdem, ob es naturgegeben oder geprägt ist, daß eine Frau draußen mehr Angst haben sollte als ein Mann. Denn Männer sind laut Statistik wesentlich gefährdeter und sind nicht ängstlich
„Ich frage mich aber trotzdem, ob es naturgegeben oder geprägt ist, daß eine Frau draußen mehr Angst haben sollte als ein Mann. Denn Männer sind laut Statistik wesentlich gefährdeter und sind nicht ängstlich
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Naja, erstens ist es unmännlich Angst zu zeigen oder zuzugeben und dann ist es vermutlich einfach der Unterschied zwischen der Art der Gewalt, die droht.
Niemand denkt schlecht von einem Mann, der zusammengeschlagen wurde und nachdem die (hoffentlich nur) blauen Flecken verheilt sind, ist sein Leben wie vorher, zumindest was das Umfeld angeht.
Frauen fürchten sich ja explizit vor sexueller Gewalt und wissen noch immer, dass sie als Opfer solcher Gewalt selber stigmatisiert sind und sich niemand aus dem Umfeld mehr normal benehmen wird.
Individuell mag es da Unterschiede geben, aber das sind die gängigen Erzählmuster.
Das sind die gängigen Erzählmuster. Ja. Trotzdem wäre es an der Zeit, das zu durchbrechen. Solange Sexualität mit der Ehre der Frau konotiert ist, ist ein selbstbestimmtes Leben Hochgefahrenzone.
Danke für die ausführliche Antwort. Ich stimme mit Ihnen überein, dass Appelle allein nichts bewegen werden.
Frauen, die Hashtag-Aktionen vorantreiben, sind aber auch oft Journalistinnen, Autorinnen und andere, die sich ihren Platz in der Öffentlichkeit Tag für Tag erkämpfen müssen und dafür brutalste Belästigung und Bedrohungen erfahren. Ich würde das nicht wollen. Diesen Frauen zu unterstellen, sie würden sich zu Opfern stilisieren, um dafür Anerkennung zu gewinnen, erscheint mir unfair und dem Ausmaß der Anfeindungen nicht angemessen.
– Ich denke oft an ein Wort von Laurie Penny, die sinngemäß meinte, als „starke Frau“ gilt in unserer Welt eine, die alle Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen bewältigt, ohne zu klagen. Das macht mE gut sichtbar, wo unsere Kraft und Souveränität in schweigende Zuarbeit zum Status quo kippt. So bin ich auch da bei Ihnen: Wir müssen gestalten, dann wird sich etwas ändern.
Nein, Journalistinnen, sich das auf die Fahne geschrieben haben, unterstelle unterstelle ich das nicht. (Das steht auch nirgends.) Wenn sie das für ihren Job halten, sollen sie das tun.
Da sie im Kreuzfeuer stehen, wenn sie öffentlich sind, wie jede(r), erreichen sie viele Unverschämtheiten. Und solange eine Frau sich stark über ihren Wert als sexuelles Objekt definiert, ist sie sexuell beleidigbar. Genau wie Männer extrem in ihrer Männlichkeit kränkbar sind.
Ich habe viel mit jungen Schauspielerinnen gearbeitet. Der Teil des Berufs, in dem sich das Publikum an ihnen abarbeitet, ist oft extrem grenzüberschreitend. Ich habe immer geraten, das nie zu lesen oder anzuhören. Das betrifft das Imago, nicht die private Person.
Ich finde, es ist destruktiv und nicht hilfreich, den Dreck, den andere über einem auskippen, noch genau zu sortieren. Die Energie ist besser verwendet, in eine Position zu kommen, wo das keiner mehr wagt oder in Resilienz investiert.
Laurie Penny hat recht, die Kraft geht für Kompensation drauf und schon das wird als Stärke gewertet. Das friert einen aber fest. Das funktioniert so nicht.
Es hat keine gesagt, daß es leicht ist. Aber es ist verdammt befriedigend, sich selbst auch zu bewegen.
Mir greift die fortwährende Empörung zu kurz. Klage ist ein Ventil. Das wird geöffnet, damit alles beim Alten bleiben kann.
Das ist wie mit der Freundin, die einem stundenlang vorjammert, was für ein A… ihr Typ ist. Aber konstruktive Ratschläge entgegennehmen oder womöglich gar Konsequenzen ziehen und den Typen in die Wüste schicken -nada.
In den letzten Wochen gab es eine einzige Frau in meiner Timeline, die ein Erlebnis erzählte und sich mit anderen beriet, wie sie hätte handeln können.
Von mir auch Danke für die ausführlichen Antworten. Was die Ostgeschichte angeht, höre ich gern zu und nehme auf. Was den Rest angeht, hat Pamela schon ungefähr gesagt, was ich sagen würde. Es geht um die Frage, wie wir besser zuammen leben können. Öffentliches Klagen und Empören einer immer größer werdenden Gruppe ist mächtiger als stilles Ertragen im Verborgenen, schafft die Voraussetzung für wirkliche Veränderung. Die sehe ich auf jeden Fall, z.B. 2016 die Verschärfung im Strafrecht hin zu „Nein heißt Nein“. Natürlich ist es noch ein langer Weg, aber ich danke den Jüngeren für den wiederkehrenden Aufschrei. Der hilft beim ständigen Neuverhandeln, was gesamtgesellschaftlich akzeptiert wird und was nicht.
Ich sehe dort ein Problem, wo junge Frauen versuchen (oder ihnen suggeriert wird), „Empowerment“ unter den klassischen weiblichen Fahnen laufen zu lassen: „empowerte“ Frauen, die gutaussehend, selbstverständlich jung, selbstverständlich mit den richtigen schicken Rebellions-T-Shirts, schlank, auf frech und selbstbewußt gestylt daherkommen. Da ist oft, kommt mir vor, recht viel Pose dabei und wenig Substanz (wie die unsäglichen Pussy Riot-Mädels, deren Boss anscheinend nur die Hübschen blankziehen lässt…oben ohne als total empowernde Pose…naja, hm, eher mal nicht so.).
In Wirklichkeit scheinen mir wirklich mächtige Frauen eher ältere Frauen zu sein, die in der Regel männliche Dress- und Uniformcodes absolut akzeptieren und zum Teil diesen Fokus auf gutes Aussehen völlig überwunden haben. Frau Merkel fällt mir zu Letzterem ein, da merkt man, dass sie sich in der Früh anzieht wie ein Manager halt den Anzug aus dem Kasten holt – ohne sonderlich viel innere Beteiligung, da wird ein Stück Uniform angezogen und das passt dann schon. Wichtig ist was anderes. Ein Gegenbeispiel wäre Christine Lagarde, die die Dame gibt – immer schick, immer elegant, aber eben eine machtbewußte Eleganz.
Mit Pussyhat oder Piercings kommt keine Frau, die politische Macht hat.
Was mich tierisch aufregt, ist dieser Fokus weg vom Politischen hin zum Privaten. Ja, klar, das Private ist politisch und so weiter – aber der x. Artikel in der Zeit, wo junge Frauen über Selbstbefriedigung oder polyamouröse Beziehungen philosophieren, und das wäre dann so unglaublich befreiend und bewußtseinserweiternd und feministisch…nee, schon klar. Jemand, der reale Macht möchte oder reale Lebensverhältnisse nachhaltig ändern, sollte sich vielleicht weniger der Nabelschau hingeben, sondern klug netzwerken, Hierarchien durchwandern und was dergleichen Techniken mehr sind.
Aber vielleicht ist das auch ein bisschen eine Altersfrage.
Über diesen Beitrag und die dem vorausgegangene Diskussion habe ich in der letzten Woche mehrfach nachgedacht. Dass es diese Unterschiede zwischen Ost und West gab, war mir nie bewusst, die These scheint mir aber zuzutreffen, insbesondere in Hinblick auf die Konservierung der Vorstellung vom Wert der sexuellen Unversehrtheit von Frauen. Ob es bei metoo tatsächlich um Macht und nicht um Sex geht, weiß ich gar nicht, viellicht ist das auch nicht zu trennen. Vielleicht hätten die meisten Menschen auch einfach nur gern mehr Sex, als sie bekommen, und mächtige Männer nutzen ihre Möglichkeiten, die mächtige Frauen (noch) nicht haben