Ein Teil meines Freundeskreises begleitet mich schon seit mehr als 20 Jahren. Kondensationskern ist meine Freundin X, die, obwohl seit langer Zeit auf einem Einzelgehöft in McPomm residierend, es immer wieder schafft, die Leute zusammenzubringen. Ein bis zweimal jährlich mindestens, zum Heringsangeln oder zu Silvester.
Das ist der Ausgangspunkt der Geschichte. Die handelnden Personen sind:
A: Mittlerweile Studienrat. Hat sich hochstudiert vom Handwerksmeister. Ein sehr männlich erscheinender Mann, Traumkörper, jede Menge Muskeln, das Herz auf dem rechten Fleck. Hat sich schon vor langen Zeiten, als das noch unüblich war, das gemeinsame Sorgerecht für eine nunmehr erwachsene Tochter erstritten. Im Gegensatz zu seinem markigen Äußeren ein sehr netter, sehr umgänglicher Mensch, böse Zungen sagen, er ist ein Weichei.
B: Relativ neu in unserem Kreis. Schlank, attraktiv, sehr weiblich, sensitiv bis zur Nervosität. Sehr musikalisch begabt. Hat sich trotzdem nie weitergehend gebildet. Arbeitet in künstlerischen Hilfsberuf an einer süddeutschen Kultureinrichtung. Hat eine Tochter, die ihr sehr ähnelt, die sie overprotected.
C: Mein Exfreund. Ein auf Hochtouren durchs Leben rasender, charismatischer und hochintelligenter Versager. In der Kindheit durch Vernachlässigung von seiner Mutter, einer Künstlerin, schwer körperlich und seelisch traumatisiert. Ein phantastischer Liebhaber mit dunklen Abseiten verbaler Brutalität.
Silvester 2003
C und ich sind auf unserem letzten gemeinsamen Skiurlaub, kein Paar mehr, aber noch zu gemeinsamer Sorge umeinander verpflichtet. Deshalb sind wir in diesem Jahr nicht auf der Silvesterparty von X.
A kommt mit seiner Freundin auf den Hof von X. Er ist gut 5 Jahre mit ihr zusammen, ohne sich recht zu ihr zu bekennen, deshalb ist sie erst zum zweiten Mal mit von der Partie. Sie hat Nägel mit Köpfen gemacht und ist im 8. Monat schwanger.
Auch B ist zum ersten Mal mit ihrer Tochter dabei.
Als A B sieht, trifft es ihn wie ein Donnerschlag. Das ist die Frau seines Lebens, wie er in der Nacht der X weinend gesteht. Er verläßt seine schwangere Freundin noch am Neujahrstag. Auch B hat es so erwischt: A ist der Mann, auf den sie immer gewartet hat.
Das Angelwochenende, Frühjahr 2004
Das Schiff ist nichts für mich. Die anderen angeln und ich bereite wie immer das Essen vor. Auch B ist auf dem Hof geblieben. Wir unterhalten uns lange. Ich bedauere das einerseits, denn das einsame Vorbereiten des Essens finde ich immer sehr schön. Andererseits bin ich neugierig, diese Frau kennenzulernen, die allein mit ihrer Präsenz bewirkt hat, daß nun in Berlin eine alleinerziehende Mutter sitzt und ein frischgebackener Vater Pläne schmiedet, wie er so schnell wie möglich sein Staatsexamen bestehen kann, um zu ihr nach Süddeutschland zu ziehen.
Die Frau redet ununterbrochen, ohne daß ich sie dazu auffordere. Über einen Mitschüler, der um sie warb, den sie nicht wollte und der ein Filmstar geworden ist und nun – zu ihrem Bedauern – auf ihre Kontaktversuche nicht mehr reagiert. Über ihre gleichgültigen, lieblosen Eltern. Über ihre Tochter, der sie so viel wie möglich Aufmerksamkeit schenkt. Über B, den sie über alles liebt und der alles für sie aufgegeben hat. Der sich um sie kümmert und auch die Tochter jeden Abend mit einem Telefonat zu Bett bringt, eine Wohnung für sie alle sucht, Handwerksarbeiten für sie erledigt usw.
In einem Gespräch mit X, die wieder einmal davon schwärmt, was für ein tolles Traumpaar A und B sind und daß sie glücklich ist, daß gerade das Silvesterfest bei ihr diese Beziehung gestiftet hat, nehme ich kein Blatt vor den Mund. Ich bezeichne die Beziehung als absolut theatralisch, die Frau als neurotisch und hysterisch und den Mann als auf der Flucht vor der Verantwortung für sein Kind.
Die X wird unsicher. Dann meint sie, ja, es gäbe etwas mit der B, das hätte sie auch gewundert. Vorige Nacht saß sie mit C zusammen, B kam dazu und sie war kaum noch vorhanden. Zwischen den beiden brannte die Luft. Sie flirteten ungehemmt vor ihr. Immer wieder provozierte B den C, der – frisch solo und den A nicht so recht mögend – sehr gern darauf einstieg.
Sommer 2005
A und B heiraten. Die Hochzeit in Süddeutschland bringt den Freundeskreis fast komplett wieder zusammen. Es ist etwas chaotisch. A wohnt noch in Berlin, es gibt aber schon eine gemeinsame von ihm liebevoll hergerichtete Wohnung und die Hochzeit stand lange fest. Doch von der Kirche zum Ort, an dem gefeiert wird, müssen alle eine Stunde laufen. Um die Logistik hat sich niemand gekümmert. Im Schloß angekommen, ist nichts vorbereitet, das Paar richtet erst einmal den Saal her und deckt die Tische gemeinsam mit den Hochzeitsgästen.
C offenbart X ungefragt, daß ihn die Hochzeit nicht im geringsten jucke. Er warte ein paar Jahre ab, dann würde sich B sowieso von diesem Langweiler trennen.
Sommer 2006
B verbringt gemeinsam mit ihrer Tochter eine Woche Urlaub bei C.
Der zeigt mir stolz die Fotos gemeinsamer Unternehmungen. Ich gebe ihm scherzhaft-ernsthaft den Tipp, er solle die Finger von der B lassen, die sei schließlich frisch verheiratet. C wehrt ab. Nein, nein, das sei rein platonisch, sie verstünden sich sehr gut. Er sei auch oft in Süddeutschland bei ihr zu Besuch.
Silvester 2006
Ich bin auf Mallorca, die X beschreibt es mir im Nachhinein:
Zwischen B und C brennt nun ganz offen vor allen die Luft. C hofiert sie und ihre Tochter. Alle sehen: die drei sind wie geschaffen füreinander, spielen sich die Bälle zu und haben ungeheuer viel Spaß miteinander. A schickt das überdrehte Kind irgendwann mit Nachdruck ins Bett und gibt sich allein die Kante.
X ist sauer. Der Termin war ewig bekannt ebenso wie das Procedere: jeder hat etwas mit Liebe bereitetes für das Büffet mitzubringen oder einen anderen Beitrag zu leisten. B hat zwei gefrorene Torten von der Tanke mitgebracht.
Die offizielle Variante der Mènage à trois lautet so: B und C sagen: „Da ist doch nix!“ Und A muß irgendwie zustimmen: „Wir verstehen uns doch alle wunderbar und meine Frau ist glücklich!“
Januar 2008
Ich telefoniere mit C. Er wirkt ruhelos und aggressiv. Flucht über seinen Job und seine Insel im Norden, die so übersichtlich ist, daß er keine Frau findet, die ihn interessiert. Er will weggehen, hat in der Stadt, in der auch A und B wohnen die Fühler nach einem Job ausgestreckt.
„Du willst in die Nähe von B ziehen?“ Frage ich ihn gerade heraus. C wiegelt wieder ab. Er wolle nur Freunde in der Nähe haben und das Kind von B mag seinen Hund so und die B gibt ihm mittlerweile Gesangsunterricht und er müsse das einfach tun… Natürlich sei da nichts.
Drei Lösungen wären möglich:
Die Langweilige: A haut C eins auf die Nuss, B besinnt sich darauf, daß er mal ihr Traummann war und C vergegenwärtigt sich, daß man des Nächsten Weib und Kind nicht begehrt.
Die Langwierige: B weiß den liebevollen, treusorgenden und verbeamteten A immer noch zu schätzen und holt sich das wahre Leben bei C.
Die Katastrophale: C macht B dem A abspenstig. Die beiden Neurotiker B und C beginnen eine heftige Liebesbeziehung, die im Desaster endet.
Edit, 7 Jahre später:
A und B sind längst geschieden (Bs Begründung: Ich fühle mich eingeengt und will weitere Erfahrungen machen!), trotz Kurzzeitehe gab es einiges an Unterhalt für B. Bs Tochter zog für ein paar Jahre zu A, weil sie von ihrer Mutter so genervt war. A hat eine neue Frau und ist noch einmal Vater geworden.
C hat sich im Moment der ehelichen Trennung von B abgewendet, sie sei ein Luder und hat das mit den Frauen jetzt ganz gelassen.
B ist komplett raus aus dem Freundeskreis. Der Star, dessen Jugendliebe sie einst war, hat sich nie bei ihr gemeldet und sich vor ein paar Jahren totgesoffen. Er war ein einsamer, traumatisierter großer Junge, hieß es.
Ach, Du meine Fresse! Und ich dachte, dass ich verschlungene und ausweglose Beziehungen kenne… Tststs.
Und was ist mit dieser Version: A schmeißt die B raus, weil er keine Lust mehr hat, sich veralbern zu lassen. Als die B nun ganz frei beim C eintrifft, ist der ob der ungewohnt einfachen Situation gelangweilt und gesteht ihr seine rein platonische Liebe, aber nix weiter. Am Ende sind alle frustriert und solo.
Fände ich auch ganz plausibel. :o)
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zu 1: desaster sag ich auch. mein ex ist the master of desaster.
zu 2: ihre spur hat sich leider für mich verloren… das letzte was ich hörte war, daß B es garnicht mochte, wenn A sein kind besuchte.
danke für 3! ich komme langsam wieder in die gänge.
REPLY:
stimmt, die variante habe ich garnicht bedacht.
REPLY:
nee, mich regt das derzeit ziemlich auf. da bahnt sich eine mittelprächtige katastrophe an. und das mit dem „alles nur platonisch“ halte ich für eine glatte lüge.
REPLY:
ich habe zu anfang auch überlegt, in welchem roman ich das wohl gelesen habe.
„Der Reigen“ … *schulterzuck* … der kommentator diagnostiziert einen gewissen mangel (was hier nicht negativ gemeint ist) an verantwortung für andere …
wie kann man so verdreht sein und sich mit so einer Traumtänzerin wie der B einlassen? Verstehe ich nicht. *kopfschüttel*
Ich stimme auch für Variante Katastrophe.
Was ich aber voll verstehe, ist, daß der Typ, der jetzt ein Star ist, auf die Kontaktversuche der B nicht mehr reagiert. Bravo! Würde ich genauso machen. Wie sagt das Sprichwort so schön: „Wer Deine wahren Freunde sind, erfährst Du nur in der Not.“ (Oder so ähnlich)
Nebenbei bemerkt, ich stimme Frau Fragmente zu, Ihre Blogabwesenheit war schwer auszuhalten. Aber nun sind Sie ja wieder zurück, wie schön. :)
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ich hab in meinem leben zwei, drei frauen wie die B getroffen, die wie die nomadinnen durch die soziale landschaft zogen. wenn alle verfügbaren angreifbaren beziehungen gekillt waren, gab es sicher ein ereignis, das sie an einem anderen ufer anspülte, wo sie weitermachen konnten.
und : danke fürs kompliment!
Das Leben schreibt schärfere Geschichten als sich mach einer ausdenken kann.
Diese, die Ihrige, erinnert mich daran, dass ich immer schon „Die Männer meiner Schwester“ beginnen wollte. Diese Geschichten sind leider zu wahr um glaubhaft zu wirken.
Es ist alles dabei von ungeklärten Vaterschaften über Erwischen im Morgengrauen bis zu geheimen Heiraten.
Zur Zeit haben wir allerdings Funkstille, weil ich eine Pause in diesem Fortsetzungsroman brauche.
Bin gespannt, wie Ihre Geschichte ausgeht. Eine Frage noch: sind alle Beteiligten so zivilisiert, dass ein Totschlag im Affekt auszuschließen ist?
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ich kann mir da alles vorstellen. C ist ein psychoterrorist. ich bin so manchen schönen morgen aufgewacht und habe überlegt, womit ich ihn am besten vergifte.
wenn die beiden zusammenkommen, gibt es mord und totschlag.
ich werf jetzt mal nen blick in die hühnerschreckliche glaskugel und prognostiziere die katastrophale version.
aber ist es nicht immer wieder seltsam? das leben schreibt stories, die man in einem roman als furchtbar ausgedacht und künstlich empfinden würde.
schon seltsam.
schön gelacht schon, heute morgen!
1) Desaster
2) Was wurde denn aus der schwangeren, verlassenen Freundin von A.?
3) Sie schreiben schon geil. Hat mir gefehlt, als Sie im Dezember im Urlaub waren.
hach gott, wenn ich das so lese, was bin ich langweilig, ich liebe schon ewig den selben und er mich auch…die probleme wie oben beschrieben, haben wir halt zu zweit, schön, wenn man eine etwas multiple persönlichkeit ist…
REPLY:
ehekrach und fremdgehen mit multiplen persönlichbeiten, hihi. keine uninteressante variante.