In meinem aufgemotzen Wohngewerbehof gibt es einen Conciergedienst. Und da man scheinbar befürchtet hatte, daß die Leute dieses Wort weder aussprechen noch schreiben können heißt der Concierge bei uns Doorman. Die drei Herren, die sich im Schichtdienst abwechseln, schauen wer herein- und herausgeht. Bei Leuten, die wie die Panzerknackerbande aussehen und sich auffällig bewegen, holen sie wahrscheinlich die Polizei. Sie schauen angestrengt auf ihre Monitore, daß keiner den Überwachungskameras die Zunge rausstreckt und öffnen Einlaß begehrenden Menschen die Tür. Außerdem empfangen sie den Paketboten, damit sich niemand der hart arbeitenden Menschen am Samstag in die Schlange am Postamt einreihen muß, verwahren Zweitschlüssel, gießen auf Wunsch Blumen, drehen Heizungen an und ab, lassen Handwerker rein und nehmen Sachen für die Reinigung in Empfang. So weit so gut, eine komfortable Sache. Wenn es nicht immer Probleme mit dem Personal gäbe.
Pariser Concierges und Wiener Hauswarte hatten dereinst einen Ruf wie Donnerhall, hatten sie doch durch ihren Beruf die Kontrolle über das Leben der Reichen. Ihr Schweigen über ihr Wissen von peinlichen oder skandalösen Details im Leben ihrer Mieter ließen sie sich mit Handgeld bezahlen.
Als ich einer Klientin erzählte, wo ich hinziehe, meinte sie nur: „Oh Gott, da ist so ein ekliger Pförtner, der macht mich immer an.“ Sie mußte öfter einen Schlüssel für einen Studentenjob abholen und hoffte stets, daß das Ekel grade keinen Dienst hatte. Ich wehrte souverän ab. Daß eine 20jährige Studentin wahllos angebaggert wird, das kannte ich aus meiner Jugend. Aber ich doch nicht. Ich bin schließlich paar Jährchen älter und als Mieterin einer nicht allzu billigen Wohnung eine Respektsperson… Dachte ich.
Beim ersten Betreten der Pförtnerloge wußte ich schon durch das fette, süffisante Grinsen das mir entgegenstrahlte: Das ist das Ekel. Ich hätte meine Mietvertragskopie noch nicht abgegeben. Ich entgegnete, daß ich auch nicht die Absicht hätte, ihm den Inhalt des Vertrages zur Kenntnis zu geben.
Und so ging die Geschichte weiter. Kam ich mit einer Bitte (Aufgabe!), hieß es: „Soso, aha…“, er wippte breitbeinig auf seinem Drehstuhl und musterte mich von oben bis unten und grinste. Wenn ich meinen Satz noch einmal wiederholte, meinte er: „Hab ich doch gehört!“ Ich kam mir vor wie ein blödes kleines Mädchen und vergaß völlig, wer hier der Boß ist.
Die ersten Monate waren heftig. Nachdem er abgecheckt hatte, daß ich Single war, kam ein blöder Spruch nach dem anderen: „So ein kurzes Röckchen, ist ja warm…“, „Wir sehn hier alles mit unseren Kameras…“, „Manche Leute haben Sachen in ihren Wohnungen liegen…“ Immer alles so formuliert, daß ein paar scharfe Sätze von mir nur die Reaktion: Was für ne Zicke! hervorgerufen hätten.
Als HeMan konstanter bei mir auftauchte, bat ich ihn eines Tages, mit mir langsam, den Arm um mich gelegt, am Dienstfenster vorbeizugehen. Ein oder zwei Auftritte später hatte sich das mit der Anmache erledigt. Wenn sich HeMan mit seinen 1,90 vor einem 1,70-Zwerg aufbaut, ist Schicht im Schacht.
Doch dann kam die Sache mit dem Staubsauger. Meine Putzfrau versicherte Stein und Bein, sie würde fegen und wischen und den Staubsauger nicht anrühren. Dann gab sie mir einen Tipp, den ich erst Wochen später kapierte. „Denkense mal dran, wer hier den Schlüssel hat und jederzeit rein kann!“ Der Herr H. – das Ekel – sei in schweren Geldnöten. Natürlich schob sie immer wieder den Satz dazwischen: „Ick wil ja nüscht jesacht haben, aber denkense mal nach.“ Sie hätte ihn auch schon erwischt, wie er seine Hemden unter die Wäsche eines ihrer Kunden getan hätte, um sie von der Reinigung auf dessen Kosten waschen zu lassen.
Ein paar Tage war ich schwer verunsichert. Da gab es ein … nun ja … Damenspielzeug, das einmal falsch verpackt war. Und meine Wodkaflasche im Eisfach war auch atemberaubend schnell alle geworden. Doch dann verdrängte ich die Gedanken, sonst hätte ich mich in meiner Wohnung nicht mehr wohl gefühlt.
Als ich nach Mallorca abreiste, trug ich die einzige Blume, die ständig gegossen werden mußte, in die Pförtnerloge, damit niemand meine Wohnung betreten mußte und brachte an meiner Waschmaschine versteckte Markierungen an, um zu sehen, ob sie jemand benutzt. Aber ich war beruhigt, es war alles ok.
Heute nun kam die Putzfrau und erzählte, jetzt gäbe es endlich einen richtigen Kündigungsgrund für das Ekel.
Nach zwei Abmahnungen hat er sich am hellichten Tag mit offener Tür und offenem Schlüsselschrank beim Pennen erwischen lassen. Die Mieter haben ihn jahrelang gemieden und ihre Post lieber eine Schicht später abgeholt, Unkorrektheiten waren ihm nur zwei nachgewiesen worden und ansonsten war er kaum zu feuern, weil er einen Schwerbehindertenbonus hatte. Mein Gott, bin ich froh. Sollte es Widerspruch gegen die Kündigung geben, werde ich das sagen, was ich weiß. Nur das sind nichts als Befindlichkeiten und Vermutungen…
Buah, das liest sich ehrlich eklig. Da entwickle ich hier vorm Rechner direkt Paranoia.
REPLY:
ich kann solche sachen ziemlich gut blocken, bis zu einem bestimmten punkt und dann ergreife ich die flucht. insofern bin ich heilfroh über die kündigung.
vor heman die hysterikerin zu geben mit: ich kann da nicht bleiben, wäre mir extrem peinlich gewesen.