Das wars mal wieder

Es erleichtert mich, daß ich nicht die einzige bin, die einen Jahresrückblick hinausschieben möchte.
Da ich es jetzt schon einige Jahre fleißig getan habe, nach dem Beispiel dieser wackeren Frau, muß ich jetzt wohl ran. Silvester naht mit Riesenschritten. Also.

Zugenommen oder abgenommen?
Das mit der Anschaffung weiterer Hosen konnte ich dieses Jahr zweimal nicht vermeiden. Zwei Konfektionsgrößen oder die Wahl zwischen Ersticken und Platzen.
Viel ist davon chemiebedingt. So richtig sehe ich das gerade nicht als meinen Körper an. Eher als Proviant für eine lange Reise. Und da wir in der Hinsicht alle archaisch programmiert sind, möchte auch mein tiefes Inneres lieber für harte Zeiten gewappnet sein.
Das wird sich auch wieder ändern und ich hoffe, nicht par force. 10 Kilo innerhalb eines Jahres wäre ok.
Haare länger oder kürzer?
Zu meiner großen Freude sehr viel länger. Frisur kann man das gerade nicht nennen, aber ich will erst wieder Mitte Januar zum Friseur gehen, dann habe ich die Haare ein Jahr wachsen lassen.
Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Ohne Lesebrille gehen nun auch Telefon und iPad nicht mehr. Es erschreckt mich immer wieder, wenn ich – die Brille auf die Nasenspitze geschoben, zwecks besserer Orientierung – an einem Spiegel vorbeikomme. Ich sehe aus wie meine Mutter in dem Alter.
Mehr ausgegeben oder weniger?
Noch weniger als letztes Jahr, bis auf die Investitionen ins Nestchen.
Der hirnrissigste Plan?
Hm. Es gab einige Pläne, die ich schnell aufgegeben habe, weil ich dazu noch nicht in der Lage war. Aber hirnrissig waren die nicht.
Die gefährlichste Unternehmung?
Auch die gab es nicht. Ich bin im Frühjahr auf Sardinien am Meer durch die Felsen am Meer geklettert, um gegen meine Ängste anzugehen. Aber vor dem Fall wäre ich ins Wasser gesprungen.
Der beste Sex?
Nach wie vor: Die Kavalierin genießt und schweigt und derjenige, den es meint, weiß, wer gemeint ist.
Die teuerste Anschaffung?
Ein Ring. An neuen Lebensabschnitten beschenke ich mich selbst mit Ringen, das ist so, seit ich volljährig bin.
Dieser ist aus schwarz brüniertem Eisen, das mit einem Hammerschlag gesprengt wurde und in dessen Riß ein winzigster Diamantsplitter klemmt. Ein gutes Symbol, wie ich finde.
Das leckerste Essen?
Wieder auf Sardinien. Gekochter Meeraal in Tomatensoße und selbst gekochte Muscheln.
Das ist nicht zu trennen vom wunderbaren Anblick der Pflaumen, die ich dort aus Nachbars Garten holte, um Pflaumenmus zu kochen.
Das beeindruckenste Buch?
Ich habe so viel gelesen in diesem Jahr, keine Ahnung.
Der wichtigste Text in diesem Jahr ist wieder einmal Shakespeare, Prosperos Epilog aus „The Tempest“:
Now my charms are all o’erthrown,
And what strength I have’s mine own,
Which is most faint: now, ‚tis true,
I must be here confined by you,
Or sent to Naples. Let me not,
Since I have my dukedom got
And pardon’d the deceiver, dwell
In this bare island by your spell;
But release me from my bands
With the help of your good hands:
Gentle breath of yours my sails
Must fill, or else my project fails,
Which was to please. Now I want
Spirits to enforce, art to enchant,
And my ending is despair,
Unless I be relieved by prayer,
Which pierces so that it assaults
Mercy itself and frees all faults.
As you from crimes would pardon’d be,
Let your indulgence set me free.

(Quelle)
Der ergreifendste Film?
Keine Ahnung, ich vergesse derzeit zuviel und Filme ergreifen mich grade nicht.
A Single Man vielleicht. Er war sehr ästhetisch.
Meistens habe ich Filme im Kopf. Wenn ich sie dann wieder sehe, bin ich oft enttäuscht. Der directors cut von Blade Runner war so ein Erlebnis. Stalker auch. Überhaupt lese ich derzeit lieber. Ich mag es nicht, wenn sich ein Regisseur meiner Zeit bemächtigt. Denn lesen kann ich schnell oder langsam.
Die beste CD?
Ich habe viel elektronische Musik gehört.
Das schönste Konzert?
Da ich auf wenigen Konzerten war, erinnere ich mich am liebsten an die Ansprache von Mark Knopfler anläßlich seines Berlin-Konzerts. Er monologisierte lange, wie dankbar er für seinen Spezialstuhl sei, der es ihm ermöglichte, trotz Bandscheibenvorfall aufzutreten.
Die meiste Zeit verbracht mit…?
Kalkputz, venezianischer Kelle und japanischer Federstahlkelle, um den Innenverputz und den Stucco fürs Nestchen zu machen.
Die schönste Zeit verbracht mit…?
Die Abende mit meiner Tochter, als wir plaudernd in meiner Bettnische lagen, die ich essentiell und herzwärmend fand und Wärme im Herzen ist sehr, sehr wichtig.
Der dramatisch schönste Moment des Jahres war ein Nachmittag auf Sardinien im Frühjahr. Wir ankerten in einer wilden, wunderschönen Felsenbucht und ich konnte wieder angstfrei schwimmen. Insofern mit Felsen, Meer, Wind, Sonne, HeMan und Matteo Tedesco, der mich bei der Hand nahm und mit mir ins Wasser sprang.
Vorherrschendes Gefühl 2010?
Scheiße, ist das noch nicht vorbei?
2010 zum ersten Mal getan?
Auf eigenen Wunsch den Beruf aufgegeben.
2010 nach langer Zeit wieder getan?
Bis mittags geschlafen. Komisches Gefühl.
3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Auf den Breakdown in der Nacht der Wintersonnenwende. Wobei er – wie das mit solchen Tagen ist – eine Wende brachte.
Auf 8 Kilo Gewichtszunahme.
Alles andere habe ich mit dem All-Inclusive-Paket, das sich Leben nennt, erworben und habe mich nicht zu beschweren.
Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Ich wollte niemanden von etwas überzeugen.
Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Ich weiß so etwas nie. Das ist meine zwischenmenschliche Blindheit.
Vielleicht habe ich es mir selbst gemacht, indem ich tiefe Veränderungen in meinem Leben zugelassen habe.
Ich habe nach fast 15 Jahren meine Firma geschlossen, bin nun nicht mehr Schauspielagentin, sondern Karriere- und Kommunikationsberaterin. Es läßt sich gut an und im Moment zögere ich sogar mit der flächendeckenden Akquise, weil ich noch nicht zu viel arbeiten möchte/kann als ich Aufträge habe.
Ich lebe wieder allein. Vielleicht ist dieses Geschenk auch Freiheit und Distanz. Für den Mann, der lieber in Gedanken mit anderen Menschen lebt als in der Realität.
Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Das waren so viele. Ein Frühlingsnachmittag auf dem Walter-Benjamin-Platz. Eine Schnorcheltour im Mittelmeer, nackt, allein und doch unter Schutz. Zwei Hände voll Meersalz. Ein Winternachmittag auf dem Sofa, im Hintergrund Teil 1 und 2 des Harry Potter-Films. Finanzielle Hilfe, ohne Wenn und Aber. Vertrauen in Form von Kooperationsangeboten und Aufträgen. Eine Fotosession. Ein Sofa und ein Sessel. Blumen, immer wieder Blumen.
Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Ich habe ihn in diesem Jahr öfter gehört, so und anders formuliert: Du weißt, ich bin für dich da.
Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Keine Ahnung.
2010 war mit 1 Wort…?
Passage.

Meine kleine Lebensjolle wurde ziemlich von Wellen und Strömung durchgeschüttelt, nachdem ich sie wieder flott gemacht hatte.

Und das waren 2009 und 2008.

2 Gedanken zu „Das wars mal wieder

  1. „passage“ gefällt mir gut. klingt anstrengend, schön und spannend gleichzeitig.
    ich bin gespannt, wie ihr nächster jahresrückblick ausfallen wird und wünsche schon mal ein spannendes und schönes, kommendes jahr!

  2. REPLY:
    :) darauf bin ich selbst gespannt. danke, ihnen auch, rutschen sie gut rein!

Kommentare sind geschlossen.