Allein unter Sekretärinnen

Der gestrige Abend fand unter dem Motto ist ja auch mal interessant statt.
Eine Bekannte hatte zum Essen eingeladen. Sie ist eine Freundin von HeMan und in der Zeit seiner Abwesenheit hat sie mich ein wenig unter die Fittiche genommen. Also das lief unter der Bezeichung „Wenn du weg bist, dann machen wir mal so richtig Party.“ Party heißt in diesem Fall keinesfalls in einem Club rumhängen und den Jungs auf den Bizeps starren sondern irgendwo essen oder um den Schlachtensee gehen. Oder eben zum Chili con Carne von Maggifuk einladen (ohne Scheiß).
Es waren noch drei weitere Frauen anwesend, allesamt Arbeitskolleginnen, allesamt Chefsekretärinnen.
Nun ist das Bild, das ich von einer Sekretärin hatte, nicht mehr aktuell. Diese Spezies hat weder blaugespülte, festgesprayte Haare, noch magentafarbene Krallenfingernägel. Sie trugen Jeans, Pullover, Pferdeschwänze und redeten von ihren Chefs. Daß es eine große Nähe gibt. Aber sobald die Zusammenarbeit beendet ist, sind sie vergessen. Über Besserwisserei und einen raushängen lassen, wenn andere Chefs Zeugen eines Telefonats mit der Sekretärin sind. Über die Frauen der Chefs – alterslose, superkontrollierte Ex-Pferdemädchen mit halblangen blonden Haaren. Über Lebenspläne (in der Runde gab es nur eine verheiratete Frau mit Kind), die Hoffnung, bei einem Job im Ausland einen deutschen Arzt zu treffen und zu heiraten (im Falle der Jüngsten in der Runde), die aufgegebene Hoffnung, mit Ende 40 noch einen Mann zu finden, der keine Macke hat, aber auch kein Langweiler ist (im Falle der Ältesten), gegebenenalls einen Hund anschaffen als Gefährtenersatz.
Ich nippte an dem süßlichen Aldi-Riesling-Sekt („da schwör ich drauf, der ist so schön trocken und ganz billig“) und löffelte meine roten Bohnen. ich hatte einen Bärenhunger, weil ich gerade drei Stunden in der Muckibude verbracht hatte. Die Hoffnung, daß es eventuell noch einen Salat geben könnte, war enttäuscht worden. Minutenlang übelegte ich krampfhaft, ob ich in die Küche gehe, mein Sektglas und den Rest aus der Flasche im Kühlschrank in die Spüle kippe, damit wir endlich meine Flasche Sekt trinken konnten. Ich wußte, der war trocken, fruchtig und hatte die nicht diesen Gummibärchen-Geschmack, der einen Brummschädel verspricht.
Mitunter mischte ich mich ins Gespräch. Schließlich war ich fünf Jahre auf der anderen Seite gewesen und hatte selbst eine Sekretärin gehabt. Begriff, was sie wohl über mich gedacht hat, wenn mir zehn Minuten vor Arbeitsschluß einfiel, noch ein Fax zu diktieren – und durchsetzte, daß das heute noch rausging. („Den ganzen Tag sitzte rum und zu Feierabend fällt Scheffchen noch ein, womitter dich beschäftigen kann!“)
Ich begriff, warum die Bekannte so ist wie sie ist, ein Grund, weshalb wir wahrscheinlich nie miteinander warm werden. Auch wenn sie mitunter eine wunderbar unkomplizierte Art hat. Sie hat Zugang zur „großen Welt“ einer internationalen Großfirma. Ein Teil der Macht dessen, für den sie arbeitet, überträgt sich auf sie. Sie empfiehlt Restaurants für Geschäftsessen, Läden für Geschenke, Makler für Wohnungen, Partyveranstalter, Ärzte, Architekten. Halb Berlin, soweit es Dienstleister ist, liegt vor ihr auf dem Bauch und hofiert sie. Das bringt eine ungeheure Anspruchshaltung mit sich. Männer auf Augenhöhe sind langweilig. Der Porschepilot ist die Zielgruppe, aber der ist meistens zweite oder dritte Wahl, verheiratet oder pleite. Besuchte Restaurants sind teuer, aber sie klagt, daß sie kein Geld hat. Sie möchte eigentlich gern abgeholt und eingeladen werden. Zu Hause dann gibt es Maggifuk. Der Anspruch ist gepaart mit Trägheit. Wenn sie nicht mitgeschleppt wird, reicht der Impuls grade bis zur Videothek oder zur Pizza beim Italiener. Die Neugierde reicht nur bis in Bücher – die Ersatzwelt.
Nichts für mich, definitiv.
Ich saß daneben und haderte mit mir. Udo Jürgens sang „Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden“ und die Gastgeberin sang mit. Eigentlich mag ich Udo Jürgens. Meine Scheiß-Konfliktunfähigkeit. Ich hätte mir mit einer nonchalante Ausrede eigenes Essen mitbringen können, um diesen Industriefraß nicht essen zu müssen. Ich hätte sagen können, vom Aldi-Sekt bekäme ich Kopfschmerzen. Ich saß brav bis halb zwölf, beobachtete und hörte zu. Schlug die zum Verkauf angebotenen abgelegten Klamotten freundlich aus. Dann war sowieos Schlafenszeit und das war auch gut so.

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13 Gedanken zu „Allein unter Sekretärinnen

  1. argh, in sowas ähnliches bin ich neulich auch reingeraten. aber es war ein ehepaar, die mich als „freundschaft“ halten um den kontakt zur basis (du, wir hatten auch mal ne mietwohnung) nicht zu verlieren. es gab halbfertiggebackene tiefkühlpizza und danach billigcracker mit 30% fett weniger, von denen ich mir ausdrücklich ordentlich welche „gönnen“ sollte. niedrigsten prosecco für die muschis und der mann hatte mische. ich musste mir robbie williams live in knebsworth auf einem beamer ansehen und „angels“ wurde laut mitgesungen. es gab schlimmere veranstaltungen aber mir fiel echt keine ein.

  2. Edit: Schöner anlass auch, daran erinnert zu werden, dan man doch vioel mehr lebenszeit mit den arbeitskollegen verbringt als mit dem/der liebsten… Und: wozu renne diese leute dann noch zu after-work-lounges?

  3. REPLY:
    die wissen nicht mal, was ein blog ist.
    aber bevor icgh mich dem vorwurf der arroganz aussetze: das sind nette kompetente frauen. ich bin nur nicht mehr kompatibel dazu.und ich bin eine verlogene sau, das nicht auf irgendeine diplomatische art und weise zuzugeben.

  4. …aber ich wusste schon vorher, warum ich nicht in solche frauengrüppchen gehe!
    und ein glück kenne ich keine chefsekretärinnen….

  5. REPLY:
    ja aber so schön nun auch nicht, daß das drumherum egal ist oder?

  6. *hüstel* …*ähm* … scheint ja jeder außer mir zu kennen, aber was bitte ist „maggifuk“?

  7. REPLY:
    ne diese gelben tütchen mit bindemitteln, farb- und geschmacksstoffen, an die man nur noch hackfleisch, mais und bohnen zugeben muß.
    gibt es auch für spaghetti bolognese, lasagne, kartoffelgratin und anderes.

  8. REPLY:
    ACH-DU-SCHIE**E !!!

    ich finde das nicht mal so schlimm, bei menschen, deren horizont grundsätzlich etwas einfacher gestrickt ist. jeder mit seinen mitteln. es ist auch völlig in ordnung, wenn man sich aus rein finanziellen gründen „nur“ den gummibärchensekt leistet [na gut, ich würde dann lieber gar keinen trinken]. wenn aber der zielgruppenschnittmengenanspruch irgendwo im bereich „ich bin wichtig“ liegt kauft man weder das eine, noch bietet man seinen gästen[!] so einen fraß an … *schüttel*.

    p.s.: mit dem thema anspruchsdenken v.s. eigene realität würde ich auch gerne mal verbal auskotzend die ein oder andere bibliothekswand füllen.

  9. REPLY:
    neu in der stadt gewesen… mit der biografie gewachsene soziale beziehungen sehen anders aus.
    aber ich bin auch immer noch der meinung, ich bin die zicke. das ist eine patente, bodenständige frau, die ihre visionen hat. ich passe nicht dazu.

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