Brandstiftungsversuch im Hochhaus

Hier las ich heute ein paar sehr schöne Nachbarschaftsgeschichten.
Meine habe ich im letzten Jahr alle schon geschrieben. Aber ein Entwurf für Wohnungsgeschichten liegt noch herum.
Also dann in chronologischer Reihenfolge, mit einigen Auslassungen, denn ich bin in meinem Leben bestimmt schon zwanzigmal umgezogen:
Aufgewachsen
Das erste Jahr in Körbchen und Lauftstall an ständig wechselnden Orten: Omas Küche, Tantes Küche, Mamas Dachkammer, Nachbarins Küche…
Die nächsten 4 Jahre in einer 7 Zimmer-Villa am See mit Riesengarten und Chauffeur.
Dann Plattenbauwohnung im Plattenbauviertel bis zur Volljährigkeit. Vier Personen auf 60qm, heute undenkbar, es sei denn, man gehört in Migrantenkreise. Das Viertel war neu gebaut, eine Matschwüste mit Neubaublockquadraten bepixelt. Genormte Wohnungen, überall standen Tisch, Bett und Sofa an der selben Stelle. Gott sei dank werden diese Ghettos der entarteten Moderne mittlerweile abgerissen. Das einzige bemerkenswerte an dieser Art zu leben, war daß der Fabrikdirektor neben seinem Hausmeister und der Polizeichef neben dem Feuerwehrmann wohnte.
Weg von zu Hause
Ein Zimmer Plattenbau im 8. Stock vom besten Kumpel meines Freunds. Die beiden waren beim Wehrdienst, später studierten sie in Leipzig. Wenn der Kumpel alle drei, vier Wochen kam, ging ich für ein Wochenende zu meiner Mutter.
Herrgott, war das damals alles unkompliziert. Ich überwies die Miete, er zahlte den Strom. Es gab einen Stuhl und keinen Tisch. Fehlende Matratzen holte ich mir gegen Spende aus dem naheliegenden Krankenhaus. (Die Sprüche meiner Oma: Wer da alles drin gestorben ist! ignorierte ich.) Mein Revier markierte ich mit einem bleistiftgeschriebenen Shakespeare-Zitat an der Wand. ( …life is a walking shadow, a tale told by an idiot… – Glam, you know.)
Einen Fernseher gab es nicht. Nur ein gut sortiertes Bücherregal, meine Lieblingslektüre waren die medizinischen Fachbücher meines Hauptmieters, ein altes halbtotes Röhrenradio, einen Plattenspieler und ein Stapel Platten: Santana, Brian Eno, Van Morrison, Czezlaw Niemen. Als ich einmal im Theater einige Zeit nicht gebraucht wurde, bemerkte ich nach zweieinhalb Wochen zu meinem Erschrecken, daß ich in dieser Zeit kein Wort gesprochen und die Wohnung nur verlassen hatte, wenn ich einkaufen mußte.
In meinem jugendliche Leichtsinn stellte ich eines Abends einen Topf Kochwäsche auf den Herd und ging zur Arbeit. Wer Theaterberufe kennt, weiß, daß eine Souffleuse nicht bei laufender Vorstellung ihren Platz verassen kann, schon garnicht, wenn sie offen vor dem Publikum sitzt. Und so hielt ich aus, denn gleich als das Stück begann, war mir eingefallen, daß ich vergessen hatte, den Herd auszuschalten (Gott sei Dank Elektro). Nach der Vorstellung fuhr mich eine Kollegin mit ihrem Auto schnellstens nach Hause. Keine Feuerwehr vor dem Haus, Gott sei Dank! Ich steig aus dem Fahrstuhl und sah, daß die Wohnungsstür mit Schrauben reparierte Risse hatte. Drinnen stank es infernalisch nach versengter Baumwolle. Auf dem Balkon stand der Topf, in ihm verkohlte Unterwäsche. Der Nachbar war am Sonntagabend von der Arbeit gekommen, hatte den Qualm bemerkt und zusammen mit dem Hausmeister die Tür eingetreten und den brennenden Topf auf den Balkon gestellt. Das fällt für mich in die Kategorie mehr Schwein als Verstand. Das wäre ein zweifelhafter Ruhm gewesen, mit 20 ein Hochhaus angezündet zu haben.
Meine Heirat mit 21 berechtigte mich/uns zum Bezug einer ersten eigenen Wohnung (mein Mann studierte noch immer anderswo).
Nach etlichen Rattenlöchern, die uns angeboten wurden, zogen wir in eine Küche-Stube-Kammer-Kombi mit Klo auf der halben Treppe. Ein nettes, nicht allzu baufälliges Haus mit sechs Mietsparteien und nicht allzu viel Leerstand. Die Nachbarn waren nett, aber sehr … bodenständig. Die Geschichten über die Nachbarn muß ich mal in eine extra Geschichte auskoppeln, die sind einfach zu scharf, um sie kurz abzuhandeln. Nur soviel: Es gibt Menschen, die am liebsten bei offener Klotür schei*en, auch wenn das Klo auf dem Treppenabsatz ist.
Zwei Jahre später siedelten wir ins bürgerliche Leben um: Herrschaftlicher Altbau.
Die Geschichte folgt in einer Fortsetzung, ich muß aus dem Haus!

4 Gedanken zu „Brandstiftungsversuch im Hochhaus

  1. souffleuse fackelt platte mustersiedlung ab. dit wär domma wat jewesen…

  2. REPLY:
    ick weeß nich… wo ich doch auf der autobahn immer vorsichtig fahre, aus angst, daß ich einen unfall mit kilometerlangem stau verursachen könnte.

  3. REPLY:
    aber gern. ich hab noch gut sieben wohnungen im archiv.
    mir kommt beim aufschrieben ein großmuttersatz: ich hab doch schon eine menge erlebt. ganz ohne bungee-jumping.

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