Ein gleißend heller Tag, aber es wehte ein scharfer, eiskalter Wind, gegen den die Sonne kaum ankam.
Die Katzen saßen an windstillen Plätzen in der Sonne und wenn sie kamen, um sich kraulen zu lassen, hatten sie sonnenwarme Fellchen.
Die erste Maschine Wäsche war innerhalb zwei Stunden trocken, die zweite kollidierte Nachmittags mit dem Taupunkt und wurde wieder feuchter, je tiefer die Sonne stand.
Wir fuhren mittags nach Tribsees und gingen ins Trebelcafé. Ein im letzten Jahr eröffnetes Café in der historischen Altstadt, in der gut die Hälfte der Häuser leer stehen. Es gibt einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie schön es hier sein könnte, wäre die Stadt überall liebevoll hergerichtet und vollständig bewohnt.
Dann gingen wir einkaufen und lieferten auf dem Rückweg beim Freund im Dorf etwas zu essen ab, er liegt krank und in Quarantäne zu Hause.
Der Graf telefonierte etwas herum, wir brauchen noch mal Kohlen, aber es gibt scheinbar in den einschlägigen Geschäften keine mehr. Das könnte ein kleiner Vorgeschmack auf den nächsten Winter werden (hoffentlich nicht).
Danach fuhr der Graf nach Grimmen und ich kümmerte mich um die Wäsche und bereitete das Essen vor.
Nach dem Essen strickte ich und sah einen sehr guten Film über Leben und Werk von M.C. Escher. (Über den ich in meiner Jugend nie ein wort gehört hatte. Er kam in der Kunstbetrachtung nicht mal unter dem Stichwort „Dekadenz“ vor.)
Jetzt sind die Heizdecken fast warm und es geht ins Bett.
Noch eine Bemerkung zu etwas, das mir seit Tagen im Kopf herumgeht. Im Studium haben wir uns mal ein Semester mit den Wechselwirkungen von Medien und Krieg beschäftigt.
Ich halte meinen Informationskonsum über den Krieg so knapp wie möglich. 90% der Informationen, die uns erreichen, sind Kriegspropaganda, 10% sorgfältig formulierte offizielle Verlautbarungen. Wirklich wichtige Informationen sind derzeit nichts fürs Publikum. (Siehe den Umstand, daß sich der polnische Außenminister verplappert und die Aktion mit den auszutauschenden Flugzeugen vor die Wand läuft.)
Kriegspropaganda ist erst einmal nichts Verachtenswertes sondern ein wichtiges Mittel der Kriegsführung.
Das Narrativ fasziniert mich. Der ukrainische Präsident in einer Heldenrolle, der russische Präsident als klassischer Schurke.
Was wirklich passiert und warum, das werden wir sehr viel später erfahren. Jetzt kann man nur das Leiden derer lindern, die zu falschen Zeit am falschen Ort leben und hoffen, daß es nicht ewig dauert.
Ich staune über mich selbst. Als Kind bin ich unter Menschen mit Uniformen aufgewachsen, ich wollte Offizierin werden, bis ich (natürlich) als Teenagerin Pazifistin wurde.
Mein erster Impuls Ende Februar war, daß man natürlich eingreifen* müsse, koste es, was es wolle. Viele Nächte voller Alpträume später bin ich der Meinung, daß der Westen als stark abgesicherte, kinderarme und gealterte Gesellschaft das nicht mehr kann. Diese Form der Auseinandersetzung würde das alte Europa vernichten. (Und vielleicht beginnt gerade das erste Kapitel des Anfangs vom Ende. Man weiß es nicht.)
* Im Sinne klassischer Kriegsführung: Physisch Ressourcen des Gegners vernichten oder unter Kontrolle bringen.
Ob es der Anfang vom Ende ist, hoffe ich nicht. Aber es wird sich definitiv etwas ändern, dass dem alte Europa nicht schmecken dürfte.
Ja. Und das alte Europa, das sind wir.
Vielleicht braucht das alte Europa aber nun genau jenen Tritt in die Weichteile. Ich kann mir nicht vorstellen das die Ost-Staaten ein „weiter so“ mittragen werden.
Ja, aber wie? Eine völlig runtergekommene Armee, Menschen im wehrfähigen Alter, die es nie gelernt haben und den Krieg eher auf dem Sofa kommentieren wollen – oder aber westliche Werte überhaupt nicht teilen.
Ich glaube wirklich, daß diese Gesellschaft in einer Ära angelangt ist, in der sie keinen Krieg mehr führen sollte.
Ich bin gespannt, ob sich eine Mehrheit findet, die bereit wäre, sofort das Gas abzudrehen.