Ich hatte nun über 30 Jahre Zeit, mich an den Valentinstag zu gewöhnen. Jetzt bemerke ich in den Medien, daß dieser Tag, an dem sich Paare kitschige oder süße Aufmerksamkeiten zukommen lassen, in einen Protesttag gegen männliche Beziehungsgewalt umgedeutet wird.
Ich denke dann immer an immer an ein Erlebnis aus meiner frühen Jugend. Jung Kitty kratzte ihr Taschengeld zusammen um den Roman „Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann“* zu kaufen, schwärmte sie doch für den hübschen romantischen Helden. Nun war das eine Bearbeitung für die Jugend im Sinne des sozialistischen Realismus. Der romantische Held war zu einem verbitterten revoltierenden alten Bauern geworden, dem irgendein fieser, häßlicher Adliger übel mitgespielt hatte. Damit die Leserinnen gleich wissen, wie die Geschichte eigentlich war und daß in ihr kein Platz für Romantik ist.
*Ein Bestseller des späten 18. Jahrhunderts, geschrieben von Goethes Schwager.
Es blieb heute grau und mild, mit Sonnenuntergang wurde es klar, sternenhell und sehr kalt.
Der Graf arbeitete noch einmal am Loch im Fußboden und wir planten, wie wir dort ein kleines Fundament aufbauen können.
Dann harkte ich Laub, ich muss etwas vorwärts kommen, nach Winterlingen und Schneeglöckchen kommen die ersten Krokusse. Die Katzen freuten sich über meine Gegenwart.
Abends beschäftigte uns noch ein blödes bürokratisches Problem.
Ich bin bass erstaunt, dass ich jemand kenne, der den Rinaldo Rinaldini gelesen hat, freiwillig, in der Jugend auch noch. Das hat schon fast etwas Zeitzeugenhaftes. Ich habe nur einmal die ersten Kapitel gelesen. – Ich lese gerade, dass es 1968 eine deutsch-französische Fernsehserie gab, und 1976 gab es eine DDR-Kinderbuchfassung von Karl Heinz Berger. Der Stoff war also tatsächlich noch aktueller, als ich dachte.
Ich habe ihn eben nicht gelesen! Nachdem ich die Fernsehserie gesehen hatte, fiel mir in der Buchhandlung das Kinderbuch von Karl-Heinz Berger auf. (Ich muss 10 gewesen sein.) ich kaufte es und erlebte mit der Dekonstruktion des Vulpius-Bestsellers die Enttäuschung meines Lebens, denn olle ungewaschene Revolutionäre hatten wir wahrlich genug Ja Rollenmodelle.
Die DDR war mit ihren Entscheidungen, was „unsere Menschen“ sehen und lesen sollten, speziell. So passierte es, dass die Parodie auf „Spiel mir das Lied von Tod“, „Mein Name ist Nobody“ einige Jahre vor dem Original im Kino lief, da dieses als menschenverachtender Auswuchs der kapitalistischen Kinoindustrie, die in ihrer Perversion immer stärkere Reize braucht, gebrandmarkt wurde. Das hielt Gott sei Dank nicht lange vor, dazu hatte der Film doch zu gute Kritiken und so konnte man 5 Jahre später die Anspielungen der Parodie verstehen.
Berger-Rinaldo: Dabei mag ich ja Neuerzählungen bekannter Stoffe, auch umdeutende und transponierte, da gestehe ich Freiheiten zu. Ich finde, es gibt viel zu wenig davon, was literarische Werke der letzten 250 Jahre betrifft. Aber als Kinderbuch ja eben doch: Robinson Crusoe und Moby Dick hatte ich als Kind. Ich kann mich zwar nicht an den Inhalt erinnern, aber der ist sicher auch undifferenzierter als im Original.
Heute sehe ich das genau so. (Wobei wir alle, in Ost wie West, Jules Verne in bis zur Unkenntlichkeit bearbeiteten Ausgaben gelesen haben, sie sind wohl original sehr schwer verdaulich.)
Die Neuerzählung des Wizard of Oz durch Sergej Wolkow plus folgende Bände, damit sind im Osten ganze Generationen aufgewachsen. Die waren wunderbar.
Aber die Verweigerung von Schönheit, Projektionsfläche und Bigger than life nehme ich den Kommunisten immer noch übel.