Ich hatte als junge Bohemienne eine sonderbare Angewohnheit. Bevor ich aus der Theaterkantine fiel und ins Bett ging (auf Grund von Fernbeziehung ging ich öfter allein ins Bett als zu zweit) stellte ich mich vor den Spiegel und beschimpfte mich eine Runde. Ich weiß bis heute nicht, warum ich das getan habe, aber es hatte einen erfrischenden Effekt. Vielleicht war mir das, was ich in diesen Jahren tat, selbst nicht so richtig geheuer, sah mein staatspolitisch vorgesehener Lebensplan und der meiner Eltern für mich doch wesentlich anders aus und bestand nicht darin, mit einer Schauspielerin, die heute mit Rants gegen junge Männer in Talksshows durchs Netz geht, nochn Bier zu kippen.
Irgendwann, als ich sicher war, dass das ganz ok. ist, was ich tat, verlor sich diese Gewohnheit. Aber das nur am Rande.
Männer und Klamotten kaufen. Es gibt im Leben des Grafen ganz kurze Timeslots, in denen es möglich ist, ihn mit einem Kleidungsstück zur Kasse zu bringen, die muss man dringend nutzen, bevor ihm der Altbestand in Fetzen vom Leib fällt („Aber das ist doch noch gut!“ „Das hab ich doch noch gar nicht so lange!“). Den Rest der Zeit probiert er an und hängt die Sachen kopfschüttelnd wieder weg, wenn er denn überhaupt so weit kommt, manchmal bricht er auch Einkaufstouren ab wg. „nicht in Stimmung“. Ein klamotten-uneitler Mann hat zwar den Vorteil, dass er im Gesamtverbrauch sehr effizient und Madame auch nicht so im Druck ist, sich aufzutakeln, damit sie nicht wie eine Praktikantin neben ihm herlatscht (hatte ich ja schon mal, war anstrengend), aber mehr als ein Fleece-Pullover und drölfzig Marathon-Finisher-Shirts dürfen es schon sein. Außerdem: Wenn der Herr an meiner Seite einen Anzug trägt, mag ich das, sehr sogar. Deshalb arbeiteten wir uns gestern unter reger Anteilname sämtlicher grauhaariger Berliner Herrenoberbekleidungsverkäufer durch Mientus, P&C und das gute alte KaDeWe und brachten tatsächlich Beute nach Hause. Der besondere Termin muss also doch nicht in Badehose und Gummistiefeln begangen werden.
Und sonst so? Meinen gestrigen Post habe ich dann nachts schamhaft verborgen. Schwäche zeigen geht ja nicht. Außerdem, wenn die Vermutung naheliegt, die BU-Versicherung wolle sich rausziehen, läge das ja wohl nicht an der Versicherung, sondern an mir. Heute habe ich mir dann im Spiegel selbst den Vogel gezeigt und ihn wieder online gestellt. Auch durchhängen will gelernt sein.