Am Sonntag Abend gab es einen Polizeiruf aus dem Jahr 1977. Nichts Besonderes, eher Ware von der Stange.
Ich fand den Polizeiruf als Kind und Jugendliche pottlangweilig. Ich las alle Krimis, die ich bekommen konnte und die braven Fernseh-Geschichten über Eierdiebe und Trickbetrüger fand ich lame. Wenn es schon mal eine Leiche gab, war das meist ein Unfall.
Ich schaue mir die Filme heute sehr gern an. Zu einen, weil mir immer wieder ins Gedächtnis rufen will, wie das Leben war, wie es aussah und zum anderen, weil die Erzählweise mit Kultur und Gesellschaft korrespondierte.
Das Konzept der Reihe ist ohnehin nicht „whodunit?“. Täter und Tat sind meist bekannt. Da die Ermittler als Vertreter der Staatsmacht uninteressant zu erzählen sind (authentisches Privatleben, Ambivalenz und Differenziertheit von Figuren nicht möglich), ist das Hauptaugenmerk auf dem Täter und dessen Verstrickung oder Zufallsbegegnung mit dem Opfer. Gesellschaftskritik ist natürlich obsolet und nur versteckt möglich. Die Meta-Erzählung ist: Verbrechen muss nicht sein, es ist das Werk von Gestrauchelten und Verirrten. Denn diese Gesellschaft bietet jede Entwicklungsmöglichkeit und lässt den neuen Menschen wachsen.
„Des Alleinsseins müde“ hat eine grandiose bildhafte Szene, die Herkunft des Täters beschreibt (eine klassische Szene der Reihe – die Schau auf die Wurzeln). Der Vater ist Fischer, im Nebel, zwischen Netzen und vereistem See hantiert ein knorriger Mann mit Fischen und fragt sich, warum sein Sohn so anders ist. Alles andere ist bildlich und von den Spielsituationen nicht sooo interessant, das gibt es bessere Folgen. Durch die ganze Folge zieht sich ein trockener Ton, fast ein Brechtscher Verfremdungseffekt. Die Figuren werden von den Schauspielern vorgeführt, prototypisch gehalten, nicht gelebt. Ich habe Rolf Ludwig schon ganz anders erlebt, hier bleibt er ganz distanziert und spielt einen Heiratsschwindler, den sein Job sichtlich nervt und anstrengt. Die Frauen sind Typen: kränkliches Seelchen, dralle Naive, weltfremde Intellektuelle, auch hier wird vorgeführt.
Ich hatte wieder meine Deja vues. Was in den 80ern die psychdelischen Tapetenmuster waren (einmal zählte ich insgesamt 20 Stück in einem Film), ist in den 70ern unverhohlen aufgenommene Schutthaufen, beulige Straßen mit tiefen Schlammpfützen und rußschwarze Häuser. Die Interieurs und Kostüme sahen zwar nach DDR aus, waren aber für normale Leute unerschwinglich oder nicht zu bekommen. Wenn heute im Film die Erzieherin in einem riesigen Loft wohnt, das sie sich im wahren Leben nie leisten könnte, war das damals nicht anders.
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