WMDEDGT Oktober 2017

Frau Brüllen fragte wieder, was wie am Monatsfünften getan haben. Das war gestern und ich komme erst jetzt dazu, es aufzuschreiben, denn das Leben hat derzeit eine hohe Schlagzahl.

Um 8 Uhr war ich wach und stand auf. Ich drehte die Heizung, das Warmwasser und die Kaffeemaschine an. Wegen zweier temporärer Mitbewohnerinnen ist das derzeit Teil meines Morgenprogramms, denn die Heizung hat die eine oder andere Besonderheit.
Gegen 9 Uhr aß ich Joghurt mit Birne, Banane und Dattel und trank zwei Tassen Kaffee.
Dann schaute ich nach der Wäsche, bei der ich im Moment kaum hinterher komme und putzte kurz das Bad.
Der Graf war um 10:30 Uhr auch fertig, wir klärten noch die eine oder andere Sache, holten Post vom Bezirksamt mit dem Anwohnerparkausweis aus dem Briefkasten und machten uns im Regen auf den Weg in die Demminer Straße, ca 800m von uns entfernt, wo mangels besagten Anwohnerparkausweises der neu erstandene Transporter parkte.
Ein wegen angedetschten Schalldämpfers beeindruckend röhrendes Gefährt, das auf der Rückscheibe  „Rasselbande an Bord“ in Fraktur stehen hat. Die Vorbesitzer sind ländliche Sachsen mit 4 Kindern.
Wir parkten ihn in einer Einfahrt vor der Haustür, räumten noch einmal die Ladung – gebraucht erstandene Haushaltsgeräte – um, fixierten sie mit Spanngurten und montierten einen neuen Plattenwagen, um sie im Norden in die Scheune zu bekommen.

Dann erstanden wir noch beim Weinhändler unseres Vertrauens 2 Europaletten und los gings. Es war schon 13:30 Uhr, es regnete noch immer und machte der Unwetterwarnung alle Ehre und ich war gut durchgefeuchtet am dauerfrösteln.
Wir fuhren die A19 entlang, überlegten, was wir tun wollten, wenn wir zu früh im Norden ankämen und keiner uns die Scheune aufmachen könnte, da verwandelte sich der stramme Wind in den angekündigten ernsthaften, bösen Orkan und der Regen in einen Wolkenbruch. Der Sturm drückte Unmengen von Wasser auf dem Asphalt fest und das Auto schusselte drüber. „Der nächste Parkplatz ist unserer.“, meinte der Graf und so saßen wir irgendwo nördlich der Müritz anderthalb Stunden im Auto, aßen unsere Reisevorräte und der Sturm rüttelte und schüttelte uns. Gott sei Dank gab es weit und breit keine Bäume.

Gegen 16:00 Uhr ließ der Wind nach und wir fuhren weiter. Diesmal nahmen wir eine Abkürzung auf der Landstraße, die uns am Haus eines Menschen vorbeiführte, den wir im Sommer bei einem Fest kennengelernt hatten. Wir fuhren mal ran, wie man das auf dem Dorf so macht und ließen uns das große alte Haus zeigen (das aber im Gegensatz zu unserem als Neubau bespöttelt wird, da in der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut).
Da steckt durch 10 jährigen Leerstand viel, viel Arbeit drin, die er größtenteils allein macht, aber die Substanz ist sehr solide.
Er meinte: „Wer sagt, er hätte Gott sei Dank keinen Schwamm im Haus, hat ihn nur noch nicht gefunden.“ und zeigte uns einen freigelegten Balken, über dem jahrelang eine Badewanne gestanden hatte, der bröselig wie Zunder war. Schwamm, durch den Leerstand wahrscheinlich abgetötet, der mag es nämlich warm, aber den Balken hat er vorher aufgefuttert.

Nach dem Rundgang stiegen wir wieder ins Auto und beeilten uns, weiterzukommen, denn es wurde bald dunkel. Der Sturm hatte aufgehört, es kam sogar etwas die Sonne und der blaue Himmel zwischen dramatisch jagenden Wolken durch. Wir ritten in unserer zukünftigen Heimat in der Dämmerung um 18:30 Uhr ein. Die Verkäuferin unseres Hauses, die gerade ihre neue Wohnstatt ausbaut, hatte uns gesehen und kam mit ihrem Auto angebraust, um uns zu begrüßen, sie hatte bei dem Wetter nicht mehr mit uns gerechnet. Wieder was gelernt, auf der Stichstraße ins Dorf sieht man jeden, der kommt.
Die Hausdächer waren intakt und alle Bäume rund um Haus und Scheune auch, das ist beruhigend. Ein guter Ort, wenn auch nicht mit exponierter Lage und weiter Sicht. Dafür aber windgeschützt. Die Alten wussten in den Zeiten vor den Versicherungen ganz gut, wohin sie schadlos bauen können.
Wir sprachen kurz mit dem Mietern des kleinen Hauses an der Scheune, die uns eigentlich jetzt im Herbst Platz machen sollten, denn ihr eigenes Haus am Dorfanger ist seit Jahren in der Fertigstellung. Aber wie das so ist in Vorpommern. Da geht die Welt hundert Jahre später unter. Es sei auch mit zweimonatiger Verschiebung nicht zu schaffen, obwohl man sich bemühe, hieß es.
Der Mann des Hauses trug mit uns die Küchengeräte in die Scheune. Sie kamen auf die Paletten und wurden mit einer Plane bedeckt. So haben wir zwar schon eine Heißmangel, einen Kühlschrank und eine Tiefkühltruhe dort, aber noch keine freie Wohnstatt.
(Eigenbedarfsklage oder so Zeug wollen wir nicht. So tritt man nicht im Dorf an.)

Um 19:30 Uhr fuhren wir wieder los. Wir wollten in Richtung Ostsee, auf den Darß. Der Graf wollte die Füße ins Meer stecken und Hunger hatten wir auch. Als wir nach 20 Uhr ankamen, plädierte ich für erst Essen. Weniger aus naturgegebener Verfressenheit als aus dem Wissen, dass es in den Ostseeorten in der Nebensaison keine Berliner Küchenöffnungszeiten gibt. Wir gingen in 5 noch offene Restaurants und alle winkten ab. Man warte nur bis die Gäste fertig wären, die Küche hätte längst aufgehört. In einem Laden mit Ambiente und guter Karte entfuhr mir ob dessen das Wort „Sch…!“ und im Dönerimbiß, der auch gerade schließen wollte, lachte ich nur noch irre.
Als wir mit hängenden Ohren zur Seebrücke fuhren, um etwas stürmisches Meer zu tanken (also der Graf, ich war viel zu durchgefroren), um hinterher zum nächsten McDonalds zu fahren, der von dort auch gut 40 km entfernt ist, sahen wir noch einen Griechen, der tatsächlich die Küche bis 23 Uhr offen hielt. Also gab es Gyros mit Pommes und hinterher für mich zwei Ouzo, denn der Graf wollte ja noch fahren und mir war zum ersten Mal am Tag warm.
Auf das Meer verzichteten wir dann beide und machten uns gegen 22:30 Uhr auf den Heimweg nach Berlin. Der Vollmond war aufgegangen und beleuchtete jagende Wolken. Die Autobahn war recht leer. Viele hatten heute auf Reisen verzichtet und sogar LKWs waren im Stall geblieben. Wir schnurrten in amerikanischem Tempo unsere Kilometer runter, ich nahm zwischendurch eine Mütze Schlaf, denn nach Mitternacht kann ich mich nur noch mühselig wachhalten, während der Graf ein Nachtmensch ist.
Um 1 Uhr hielten wir kurz auf einen Red Bull und etwas Bewegung an frischer Luft und klebten die Anwohnerparkpakette an die Scheibe.
Jetzt haben wir auch die Lösung, warum sie bei so vielen Berlinern an einer Seite schlapp rumhängt.

Früher nahmen die Damen im Amt nämlich, nachdem sie das Kennzeichen mit Filzstift auf die Sichtseite eingetragen hatten, die Schutzfolie von der Klebeschicht ab, pappten diese auf die Sichtseite und verwandelten die Vignette in etwas, auf dessen Beschriftung man nicht mehr rummalen kann und von dem man eine weitere Schicht abzieht, um sie ins Fenster zu kleben.
Heute wird die Vignette im Stück per Post geliefert, den Trick mit der Aktivierung der Klebefolie weiß aber niemand. Und so hängen die Parkvignetten lappig in den Fenstern, die eine oder andere mitleidige Seele spendiert ihnen vielleicht noch etwas Klebestreifen.
Man hat scheinbar im Amt weder Zeit, die Schutzfolie abzuziehen, noch den Bürgern eine Erklärung mitzuliefern, wie das Ding zu bedienen ist.

Dit is Berlin.

Wir kamen gegen 2:30 Uhr dann in Berlin an, fanden unsere Straße unversehrt vor und auch glücklich einen Parkplatz und ich fiel sofort ins Bett.

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