Von der Schwierigkeit, sich zu paaren

Ich schreibe nicht über die Stelle, wo Frauen und Männer am besten zusammenpassen, nämlich in der Mitte, harhar.
Ich meine die emotionsüberfrachtete Suche nach dem Menschen, mit dem man gern den Rest seines Lebens verbringen möchte. (Und daß der Rest des Lebens dann in der Regel 7-8 Jahre lang ist, liegt einfach an unserer obzön hohen Lebenserwartung.)
Entweder man nimmt die Sache sportlich und stürzt sich ohne Verzögerung mit Neugier auf den neuen Menschen, der an die Tür klopft, lernt dabei eine Menge, erweitert seinen Horizont, stößt irgendwann an Grenzen und zieht weiter. Keine schlechte Sache, was die Beziehungs- und Lebenserfahrung angeht. Fazit ist aber oft die Erkenntnis, daß Menschen und Beziehungen so unterschiedlich garnicht sind. Denn 50% der Beziehung ist man selbst und in der Regel ändert man sich nicht.
Mal abgesehen von der enormen Vernichtung von Lebensenergie und Ressourcen, mit der die Suche nach einem neuen Partner verbunden ist. In Bars rumhängen, zuviel trinken, blöd quatschen und dann zu freudlosen sexuellen Handlungen entweder zu mir oder zu dir gehen (welcher Mann bringts schon in der ersten oder zweiten Nacht zufriedenstellend?). Die Trennung, weil man es nicht mehr aushält (sehr gern von gerade frisch getrennten Therapeuten empfohlen) könnte ein Weg in eine Singlehölle sein, die man erst recht nicht aushält. Von materiellen Dingen ganz zu schweigen. (Erst letztens den privaten Hintergrund einer Kundin erfahren. Durch eine Therapie hat sie den Mut zur Trennung gehabt, weil Männe ständig fremd ging. Haus verkauft, Altersvorsorge aufgelöst, separate Wohnungen bezogen, aber keiner ist glücklich. Die Frau nicht, weil sie beruflich den Anschluß nicht findet, um sich selbst zu ernähren – ganz abgesehen von einem neuen, womöglich treuen Mann, wer flirtet ein 60jähriges Muttchen an? Der Mann nicht, weil Fremdgehen etwas anderes ist als das banale Pistenf*cken, die Konkurrenz ist jünger und die Objekte der Begierde sehen plötzlich in ihm einen Partner und machen Streß. Fazit: Klassisches Lose-Lose.)
Die Vorstellung, daß es der Mensch sein soll, für den man sich aufhebt, treibt auch die seltsamsten Blüten. Einer meiner Freunde hat 8 lange Jahre allein verbracht weil, sein Forderungskatalog an die Frau seiner Träume lautete: mindestens zwei Frendsprachen fließend oder ein Doktortitel. Nun liebt er eine sehr nette Musiklehrerin, die an einer zweisprachigen Schule arbeitet.
Ein anderer sucht nun seit zwei Jahren die Frau seines Lebens, also am besten sollte es ein Mädchen sein, lieblich und nicht so abgeklärt. Mit dem Ergebnis, daß er mittlerweile schon zusammenzuckt, wenn ihn an der Supermarktkasse eine Frau anlächelt. Immerhin besser als früher, wo sein klassisches Beuteschema war: Ich will die Frau, die mich nicht will. Seine Ehefrau hat er vier Jahre geliebt und verfolgt und bekommen hat er sie erst, als es ihr mal ganz beschissen ging und sie einfach jemanden brauchte, dann war er da. Leider Gottes war sie dann auch sofort schwanger und diese Geschichte nahm einen Verlauf in eine unheilvolle Ehe. Auch mich hat er mal vier Jahre so angehimmelt. Ein oder zwei Mal war es es weit, daß ich dachte: ach, scheiß doch drauf, du brauchst einfach jemanden, der da ist und dich in den Arm nimmt. Es ist Gott sei Dank nie dazu gekommen. Ich hätte ihn vom ersten Augenblick an gehaßt, weil er mich in meiner Schwäche erobert hat.
Meine These ist, daß Menschen, die hohe Erwartungen an einen Partner haben, Murphys Gesetz unterworfen sind. Sie suchen so lange nach dem Menschen, der ihren Projektionen entspricht und sie haben ihre Projektionen in langer Zeit perfektioniert, daß sie im Erfolgsfall auf jemanden treffen, dem nicht gewachsen sind und der nicht zu ihnen passt. Wenn Aschenputtel endlich den Traumprinzen bekommt, ist sie trotzdem immer noch eine Erbsenzählerin und der Prinz ein reitender Schnösel.
Das andere worst-case-szenario ist, daß man vor lauter Entzug dann schließlich zum nächstbesten Deppen, der nicht bei drei auf dem Baum war, ja sagt. Der natürlich dem Bild vom Mann der Träume nicht entspricht. Erfolgreicher Arzt, schöner, romantischer Junggeselle mit künstlerischen Ambitionen war der Plan, angefetteter Buchhalter mit Volksmusikvorliebe ist die Ausführung.
Shit happens.
Deshalb bin ich nach wie vor dafür, wieder ein Heiratsvermittlungssystem einzuführen, das nach Ähnlichkeit der Herkunft, charakterlichen Ergänzungen und ähnlichen Lebensplänen arbeitet und diesen ganzen romantischen Schmus außer Acht läßt.

15 Gedanken zu „Von der Schwierigkeit, sich zu paaren

  1. *herzlich gelacht hat* Habe ich mir auch schon mal überlegt, das z.B. die Tradition in moslemischen Kreisen, das die Eltern, Verwandte und Freunde auswählen, wohl nicht das Falscheste ist.
    Die wissen eher was man will und braucht, als man selber. ;-)

  2. Meine Rede: warum soll eine Mutter nicht wissen, was für ihre Kind gut ist.Trotz aller Modernität vetraut man in Indien immer noch auf die Heiratsvermittler und die Eltern. Man begründet es damit, dass Liebe als Grundlage für eine Ehe viel zu unsicher sei.Stimmt eigentlich.
    Wenn ich so um mich schaue, sehe ich nur Lebenszeit-und Vermögensvernichtung.
    Und das Alleineleben will auch gelernt sein. Man kann nicht Frau und Kinder sitzen lassen und dann den Freunden vorjammern, dass man nun so alleine sei. Und die Gespielin hat auch einen eigenen Mann zu dem sie nun zurück ist.
    Und die andere, die schon ein Schloß für den Prinzen gebaut hat, und der kein Prinz genügte, hat nun einen ganz einfachen, kleinen, ziemlich unansehenlichen Mann, der LKW fährt.
    Jetzt scheint alles egal zu sein.

    In der Welt der Paarungen hat die Vernunft keinen Platz.

  3. Minderheiten*fragen.
    A) Wieso ist partnerInnensuche verschwendung und nicht inspiration?
    B) Welche frau schaffts schon beim ersten oder zweiten mal, zufriedenstellend zu sein?

    [Im grunde fein beobachtet. Ich musste an diese Szene in „Harry und Sally“ denken, nach dem anruf der beiden bei ihren freunden im morgenbett, in dem sie „gestehen“, „es“ getan zu haben. Da sagt sie zu ihm sinngemäß „Wie froh ich bin, dass ich nie wieder da raus muss.“]

    *weil >30 jahre in unersetzlicher beziehung

  4. *seufz*
    Ach Kitty, wie Recht Du hast. Im Übrigen bin ich für Deinen Vorschlag. *meld*

  5. REPLY:
    ich vergaß – ihr hattet ja nicht „des broadways liebstes kind“.
    ;-)

  6. Ich weiß nicht…mit diesem Pessimismus kann ich immer noch nichts anfangen, obwohl ich ihn von allen Seiten bestätigt kriege…

  7. REPLY:
    kann sicher gewaltig schief gehen. wenn die familie nicht nur den eigenen vorteil im kopf hat, sollte es besser funktionieren als so manche kopfdurchdiewand-liebesbeziehung.

  8. REPLY:
    zu A) ich behaupte, daß es nur bis zu einem bestimmten grad inspirativ ist, irgendwann wiederholt es sich.
    zu B) ja, das gilt auch für frauen
    solche minderheiten sollten für jedes beziehungsjahr einen fresskorb vom bügermeister bekommen. ich schreibe gerade die todesanzeige für kkm. in meiner generation tauchen plötzlich die partner auf, die die familie kaum noch kennt.

  9. REPLY:
    ich denke mir das vor allem so, daß (sorgfältige auswahl der kandidaten vorausgesetzt) maximal 5 kandidaten vorgeschlagen werden. sonst gilt man als unvermittelbar. einfach, um dem auswahleffekt vorm vollen joghurtregal zu entgehen.

  10. Ich halte mich an zwei Dingen fest.

    a) es gibt mehrere Personen, mit denen eine Ehe gut funktionieren könnte.
    b) der soziale Hintergrund muss zusammen passen.

    Um den Richtigen oder die Richtige zu finden, bedarf es einer kühlen Abstraktion. Man muss sich vorstellen, wie sich das Wesen ohne die Erotik darstellt. Ob man den anderen achten kann.
    Es ist schön, wenn man das auch noch schafft, wenn das Alter die ersten ästhetischen Hindernisse aufwirft.

Kommentare sind geschlossen.