Vigil 24

Das Absurde am Castro-Obama-Treffen: Amerika wird derzeit von einem afrikanischstämmigen Präsidenten regiert, in Kuba herrscht seit Jahrzehnten eine spanischstämmige Revolutionärsdynastie. Im Sozialismus sind alle Menschen gleich, manche aber gleicher. Und im Kapitalismus können Leute, die sich gut präsentieren, eine Menge erreichen.

Mit dem Älterwerden schaue ich mir Dinge an, die ich vor 25 Jahren rigoros ablehnte. Ich denke noch einmal über schnelle Trennung statt schmerzhaftem Durchhalten in der Beziehung nach, frage mich, ob die harte Business-Lady & abwesende Mutter-Biografie wirklich gut war und schaue mit Abstand auf den Kommunismus, die heilige Lehre meiner Kindertage.
Der Kommunismus hatte klare, scheinbar logische, zwingende Argumente und war auf der Seite der moralisch Guten. In der Theorie ist das fein. Die Praxis zeigte, dass moralisch gut zu sein, nur ein paar verkopfte Eliten interessierte und die auch nur, so lange es nicht an die eigene Komfortzone ging. So predigten sie öffentlich Wasser, soffen heimlich den raren Wein und verwiesen auf das Himmelreich, das in zwei, drei Generationen auch auf Erden errichtet werden würde und bis dahin wäre Mühsal der Tage Lohn.
(BTW. Ich habe von den Hubschraubern, die in 1984 den Menschen in die Häuser schauen als 15jährige geträumt, ohne das Buch je gelesen zu haben.)
Wenn ich die Gesellschaft ansehe, in der ich heute lebe, schaue ich auf eine äußerlich große Komfortzone. Was ich nicht sehe, aber bei anderen ebenfalls vermute, sind selbstkonditionierte Hirngefängnisse.
(Die Freundin erzählte letztens davon, dass man sie zwar als partner- und kinderlose Anfangsvierzigerin im aktuellen Job unbedingt wollte, ihr aber nicht mehr als 20 Wochenstunden anbot, so dass sie einen zweiten Job annehmen musste, um ihre Miete zu zahlen – wir reden dabei nicht von Hilfsarbeiten. Nachdem ihr Überstundenkonto platzte, gab man ihr in einem persönlichen Gespräch den Rat, sie solle sich in Richtung effizienterer Arbeit und Zeitmanagement weiterbilden.)
Vor allem aber profitieren wir von der Armut und den Leistungen anderer Regionen. In jeder Gesellschaftsschicht. Denn in H4 ist die Billigarbeit aus Asien bereits eingepreist.

Ich würde mich freuen, noch eine Änderung zu erleben und ahne gleichzeitig, dass die wieder von Menschen mit einfachen und zwingend logischen Argumenten angeboten wird.
Aber es gibt keine einfache Wahrheit.

Ein Gedanke zu „Vigil 24

  1. „Ich würde mich freuen, noch eine Änderung zu erleben und ahne gleichzeitig, dass die wieder von Menschen mit einfachen und zwingend logischen Argumenten angeboten wird.“

    Die Hoffnung stirbt immer als Letztes. Mensch möchte noch einmal einen Wandel erleben, Fenster und Türen weit öffnen, hinaus mit dem Globalisierungsmief. Aber die kleine elitäre Elite wird es mit zahlreichen schmutzigen Tricks vorerst zu verhindern wissen. Ist es nicht das Privileg der Jugend, auch mal gegen den Strom zu schwimmen? Aber die sind noch angepasster als wir 50+.

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