Unrechtsstaat

Da ich zu den diesjährigen Mauerfallfeierlichkeiten ein wenig im ingore-Modus war, wehte die Streiterei um den Begriff „Unrechtsstaat“ nur an mir vorüber. Ich nahm es schulterzuckend zu Kenntnis, dass sich da Leute heftig aufregten ob nun „Ja“ oder „Nein“ und sagte mir, wer keine Innensicht hatte, kann das sowieso nicht beurteilen.
Ich komme trotzdem noch mal darauf zurück. Aber von der anderen Seite. Das Etikett „Unrechtsstaat“ enthält nämlich auch die Absolution für jeden, der sie will. Das Unrecht wird an den Staat delegiert. Der Staat wird in unserem Denken und Reden sehr gern entmenscht, als „das andere“ gesehen, unser Antagonist, der uns unterdrückt, nur – der Staat ist Menschenwerk. Er ist Produkt unserer Gesellschaft, Kategorie Ordnungssystem.
Dann kommt wieder so ein Willy Winzig und behauptet: Er ja nie, immer nur die anderen, die Schweine! Und der Schritt von „Adolf Hitler war schuld“ zu „das war alles die Stasi“ ist auch nicht weit.
Das ist zu einfach. Ich fasste meine DDR-Erfahrung oft so zusammen: Ich konnte nicht verstehen wie sich Leute gegenseitig so anscheißen, maßregeln und drangsalieren konnten. (Das mit der menschlichen Wärme ist nicht so unbedingt meine Erinnerung, aber dafür habe ich vielleicht auch keinen Sensus.)
Die Oberschwester einer Entbindungsstation konnte die angemeldeten Schwangeren an den letzten drei Tagen vor Geburtstermin jeweils morgens um 7 mit dem gesamten Klinikgepäck durch die ganze Stadt antanzen lassen, auch bei 10 Grad minus und Glatteis (nur zur Erinnerung, der Besitz eines Autos war nicht selbstverständlich, Taxis waren selten).
Der Staatsbürgerkundelehrer konnte eine Schülerin, die öffentlich gesagt hatte, es gäbe Versorgungsengpässe bei Schokolade (was jeder wußte) vor dem ganzen Gymnasium zur öffentlichen schriftlichen Rücknahme ihrer Behauptung zwingen inklusive Danksagung an ihn, der sie auf den rechten Weg geleitet hätte.
Ein Lehrer, der sich sehr offenkundig im Ton vergriffen hatte, wurde, nachdem sich seine Äußerung herumsprach und deren Bewertung von einem blöden zynischen Spruch in eine Beleidigung unserer sowjetischen Freunde und ihres heldenhaften Krieges in Afghanistan umschwang, kurz darauf gefeuert.
Jeder Hausvertrauensmann war ein Blockwart in spe, jeder Vollhonk, der die Macht über einen Stempel hatte, war Gott. (Das änderte sich etwas, als ich nach Berlin ging, hier waren die Freiheitsgrade größer.)
Das passierte nicht etwa, weil das alles machtgeile Idioten waren, die Lust daran fanden, andere Leute zu bezwingen. Nein. Sie waren der Meinung, sie hatten Recht. Sie waren der Meinung, sie tun Gutes, sie helfen den Menschen auf den richtigen Weg und ins richtige Denken und Handeln. Sie echauffierten sich und brachten Opfer für eine bessere Gesellschaft. Wer für eine große Sache kämpft, wer die Welt zum Besseren ändern will, dem sind viele Mittel recht.
Diese Gesellschaft war in vielen Dingen extrem übergriffig. Verbot ihren Mitmenschen das freie Sprechen, Denken und Handeln. Denn wenn jeder tun und denken könnte, was er wöllte, dann käme die die neue tolle Ordnung nicht so schnell, war die Grundannahme.
In irgendeinem Roman meiner Jugendzeit sagte der proletarische Held immer wieder „Es muß anders werden!“ und blickte Richtung Horizont. 40 Jahre später streitet man sich um den Begriff „Unrechtsstaat“.*

Manchmal habe ich den Eindruck, dass im Westen geborene Menschen meines Alters und meiner Umgebung (Geisteswissenschaftler, Medienbranche, Netzaktivismus) überhaupt nicht verstehen, warum der nicht linientreue Teil der Ostdeutschen sehr sensibel auf den neuen Puritanismus reagiert. Während der Westen scheinbar unter zu viel Freiheit nach Halt sucht, sind wir mit Sprach- und Verhaltenspuritanismus aufgewachsen, mussten uns dem bis zum Erbrechen anpassen, wenn uns unser Lebens- und Berufsweg lieb war.
Das hat Nachwirkungen in uns. Das allerletzte ist, dass wir uns in den Dienst von Überzeugungen stellen:

Dankbar, dass die jungen Leute auch hier, aus meiner Gegend, heute Meinungen vertreten dürfen, die ich sowas von falsch finde, aber für deren Freiheit ich jederzeit wieder zurück auf den Bahnhofsvorplatz gehen würde.

Diese Zeilen trafen für mich den Nagel auf den Kopf. Ich halte es für wichtig, dass Menschen Meinungen vertreten dürfen, die ich (und vielleicht auch andere) falsch finde.
Da geht der Graben zwischen uns auf.
Wenn ich auf Twitter sehe, dass sich Leute gegenseitig stolz zeigen, dass sie jetzt die Bild-Zeitung geblockt haben, denke ich an die 300%igen Genossen, bei denen es von „Ich sehe kein Westfernsehen!“ bis zum Runterholen der Westantenne des Nachbarn nur ein Schritt war. Ich lese die Bildzeitung nicht, weil mich ihre Inhalte nicht interessieren, das sollte genügen. So ein öffentliches Bekenntnis halte ich eher für ein unfreiwilliges Eingeständnis eines tatsächlichen geistigen Horizonts.
Wenn ich lese, dass die öffentliche Feststellung „Ich bin angepisst, weil ich immer eine Ware gekauft habe, die ein deutsches soziales Projekt unterstützt und nun zahle ich, ohne dass ich es merke für ein indisches soziales Projekt! Was soll das? Erklärt mir mal jemand, was mit dem Geldwertunterschied passiert?“ zu Rassismus uminterpretiert wird, fällt mir der klassische Spruch im (meist unfreiwilligen) persönlichen Gespräch mit den Genossn ein, der lautete: „Aber du bist doch für die Arbeiterklasse oder? Wenn du für die Arbeiterklasse bist kann kannst du nicht…. musst du doch aber… Sonst dienst du dem Klassenfeind!!!“ Schon der Gedanke, einer höheren Ideologie zu „dienen“ ist mir zutiefst zuwider.
Wenn ich sehe, dass ein schräger Wissenschaftler angemacht wird, weil er ein buntes Shirt mit Pin up Girls trägt, weil Herabsetzung von Frauen etc., denke ich an die beige-grauen Funktionärsgestalten und den Hass, mit dem sie alles bunte, provokante Nonkonforme verfolgt haben.

Leute, passt bloß auf. Macht, was ihr wollt, schreit meinetwegen im Internet rum, dann kann man euch technisch ignorieren, verteilt per Social Media Traktätchen zur Menschheitsrettung, aber glaubt nicht, dass es ein guter Weg ist, andere tatkräftig auf den richtigen Weg zu bringen. Die können das schon allein, die sind nämlich schon groß.

 

* Korrektur: Ich habe das Buch gefunden. Es ist Johannes R. Becher, der in seinem autobiografischen Roman „Abschied“ immer wieder schreibt „alles muß anders werden“. Becher, Sohn eines deutschnationalen, aber nicht politisch engagierten Richters am Münchner Oberlandesgericht, der aus dem bürgerlichen Milieu ausbricht und Dichter statt Offizier wird. Versuch eines Doppelselbstmords, erschießt seine Freundin, überlebt, wird für unzurechnungsfähig erklärt, geht nach Berlin, wird Morphinist und Expressionist, kommunistischer Kulturaktivist, Parteidichter. Depressiv im sowjetischen Exil, devot und unterwürfig unter die große Sache in den Anfängen der DDR. Ein ungeheures Talent, das sich in die Mühle der Ideologie warf und als Parteimarionette endete.
Folgerichtig, dass mir der hier einfällt.
Er wollte eigentlich nur Gutes und Anerkennung bekommen.

 

 

16 Gedanken zu „Unrechtsstaat

  1. Okay, I’ll bite.

    „verteilt per Social Media Traktächen zur Menschheitsrettung, aber glaubt nicht, dass es ein guter Weg ist, andere tatkräftig auf den richtigen Weg zu bringen. Die können das schon allein, die sind nämlich schon groß.“

    Doch, ich glaube, das ist ein guter Weg. Es sind Gedankenanstöße, die ich in meine Timeline werfe und ich bekomme ebensolche Anstöße zurück. Bei manchen denke ich auch, pfft, komm mal klar, aber viele sorgen dafür, dass irgendwas in mir rumort, dass ich doch noch mal nachdenke, dass ich doch noch mal googele, dass ich mich doch mal informiere – und dann erst entscheide, ob’s beim pfft, komm mal klar bleibt oder sich da was verschoben hat in meinen Ansichten. Und das hat es in den letzten Jahren sehr oft, gerade bei den gerne von dir manchmal nölig kommentierten Themen wie Feminismus und Sprachveränderungen.

    Ich reagiere auf Filme, auf Bücher, auf Bilder, auf Freunde, auf Schlagzeilen, auf so ziemlich alle Impulse von außen. Warum nicht auch auf Social Media? Darauf reagiere ich sogar am liebsten, denn da kenne ich die Quelle bzw. den Menschen hinter den Zeilen, wenn man auf Twitter von Kennen sprechen kann. Und deswegen dachte ich bei deinem Eintrag auch nicht, pfft, komm mal klar, sondern: Ja, kann ich verstehen, was Frau Kitty schreibt, aber da rumort was, da möchte ich ein kleines Traktätchen dagegensetzen.

    (Und angebissen habe ich natürlich aus purer Eitelkeit, denn ich habe einen „Block die Bild“-Tweet geretweetet. Der kam aus meiner FC-Bayern-Timeline und genau da sollte der Retweet auch hin, denn von dort kommen des Öfteren Links zu SportBild und die nerven.)

    • Ach du warst das mit der Bildzeitung.
      Ja, das kann sein, daß ich bei Themen, die Sprechen und Denken reglementieren, als Spielverderberin rüberkomme. Ich bin in der Außenposition wie Waldorf und Stetler in ihrer Loge, die nölen ja auch hingebungsvoll.
      Ja, mir will einfach nicht in den Kopf, warum Menschen diese Werte freiwillig aufgeben. Für Leute wie mich und andere, für die der Mauerfall nicht hieß, Bananen und Pornos satt und ohne Reue, war das die höchste Errungenschaft dieses Geschichtsereignisses.
      Wahrscheinlich klingt es mittlerweile lächerlich, aber Kollegen und eine Mitschülerin von mir sind für das Plakat mit dem Satz „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ in den Knast gegangen. Das sitzt tief und das prägt. Dazu stehe ich.
      Ud was Feminismus betrifft…
      Die erwachsenenen Frauen aus dem Osten sind beim Mauerfall in die Gleichberechtigungs-Steinzeit zurückgebombt worden. Insofern sind die Themen des aktuellen Feminismus nicht die der ostdeutsch geprägten Frauen. Mir wird zu viel geredet, vor allem über wenig relevante Dinge und zu wenig gehandelt und – absurderweise – hinterher in den selben Bahnen weitergelebt.

      Hier übrigens das ganze Luxemburg-Zitat:

      „Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden. Nicht wegen des Fanatismus der »Gerechtigkeit«, sondern weil all das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die »Freiheit« zum Privilegium wird.“

      Es geht um das Zulassen und Aushalten von Ambigiutät. Dinge zu Vereinfachen ist oft nur eine Krücke, die einen dazu bringt, noch mehr zu hinken.

    • Aber ich gebe doch nichts auf, wenn ich anderen zuhöre. Und es ist doch keine Beschränkung oder Vereinfachung, andere Menschen sprachlich sichtbar zu machen durch das Binnen-I, die Gender-Gap, das Sternchen, wasweißich. Eine Beschränkung ist es, nur die Jungs zu nennen und zu behaupten, das meint alle. Das sehe ich genau eben nicht als Sprachpuritanismus an, sondern als die von dir geforderte Ambiguität.

      Dass man damit plötzlich der Sprachblockwart ist, erschreckt mich etwas. Ich ahne, woher deine Einstellung dazu kommt, das beschreibst du ja auch gut, ich kann sie nur überhaupt nicht nachvollziehen. Vielleicht geht das als in Westdeutschland Großgewordene auch gar nicht.

    • Ich habe überhaupt kein Problem, wenn es beim vorführen und vorleben bleibt und ich finde es auch völlig ok., wenn sich Dinge dadurch ändern. Aber in der Regel ist das Thema in diesem Diskurs das vermeintlich unkorrekte Verhalten der anderen, denn man selbst ist ja schon geläutert. Und da ist bei mir die Grenze, die überschritten wird.
      Das ist dann auch nicht anders als die x-beliebige Elterninstanz, die mit „das sagt man so nicht!“ und „schau doch mal, was der Nachbar macht, das tut man nicht!“ maßregelt.

  2. Liebe Miz Kitty,
    sie schreiben mir aus der Seele. Genau so war es, auch in meiner Erinnerung. Und auch bei mir zunehmend allergische Reaktionen auf den Sprach- und Verhaltenspuritanismus, weil die gleichen Mechanismen, der gleiche Umgang mit kritischen Stimmen.

  3. „Während der Westen scheinbar unter zu viel Freiheit nach Halt sucht,..“ – genau das hat sich bei mir im Kopf auch festgesetzt!

    Freiheit einfordern ist das eine, mit ihr umgehen zu können – oder gar sie zu verteidigen – etwas völlig anderes.

  4. Auch ich habe selbstverständlich nichts gegen Denkanstöße, solange sie nicht mit der Selbstaufwertung des Sprechers und der Abwertung des Angesprochenen einhergehen.

  5. Liebe Kitty,

    ich habe jetzt lange auf Ihrem Beitrag herumgedacht und hoffe, meine Gedanken einigermaßen strukturiert und verständlich formulieren zu können.

    Für mich geht es bei solchen Diskussionen wie denen über Alltagsrassismus, mit nackten Frauen bedruckte Hemden etc. auch um Freiheit. Und zwar um die Freiheit von Menschen, zu äußern, dass sie etwas stört, sie sich dabei unwohl fühlen etc. Die Freiheit, für die Sie eintreten, ist aus meiner Sicht letztlich die Freiheit der ohnehin schon Privilegierten. Die durften schon immer tun und sagen, was sie wollten. Wenn niemand den Sprachgebrauch der Masse kritisieren darf, wird sich die Mehrheit durchsetzen und diejenigen, die sich dadurch in irgendeiner Art und Weise diskriminiert/verletzt/gestört fühlen, werden zum Schweigen gebracht.

    Aus meiner Sicht hinkt der Vergleich mit der DDR: Damals ging es darum, ein System aufrechtzuerhalten. Bei den von Ihnen kritisierten Diskussionen geht es aber um das Gegenteil: Es geht um eine Kritik am bestehenden System, das Frauen, Migranten etc. in vielen Fällen diskriminiert. Und ja, das äußert sich eben auch in der Sprache. Da ist diese Diskriminierung sehr leicht zu greifen, deshalb eignet sich Sprache auch hervorragend, um über solche Themen zu diskutieren – auch wenn sie letztlich nur ein Stellvertreter ist.

    Um beim Thema Alltagsrassismus zu bleiben: Den tragen wir (fast) alle in uns. Auch die vermutlich von Ihnen kritisierte Twitterin im Zusammenhang mit der DM-Tasche hat betont, dass ihr selbst so etwas immer wieder passiert. Von wegen: Die ist geläutert, die weiß es besser. Eben gerade nicht. Solche Mechanismen machen uns auch nicht zu Rassisten, aber es lohnt sich, sich selbst immer mal wieder kritisch zu hinterfragen.

    Was ich auch nicht verstehe (und das nicht nur bei Ihnen): Wieso haben eigentlich so viele Menschen das Gefühl, ihnen würde der Mund verboten, sie sollten zensiert und zum Schweigen gebracht werden? Aus meiner Sicht ist es eher so, dass es meist (z.B. bei der Geschichte mit der DM-Tasche) darum geht, Denkanstöße zu geben, zu diskutieren und den eigenen Horizont zu erweitern. Mir geht es da genauso wie Anke.

    Deshalb lese ich übrigens auch hier gern mit, obwohl meine Meinung oft von Ihrer abweicht.

    • Ich versuche es auch mal zu sortieren. Ich brauche solche Diskussionen, danke dafür.
      Ja, das stimmt, im Fall DDR ging es um Konditionierung und Machterhalt. Aber nicht umsonst widmete ich mich den Menschen, die eigentlich keine Macht hatten. Die aber trotzdem andere Menschen maßregelten, weil sie sich auf der Seite des Fortschritts und des Guten fühlten.
      Heute geht es in unserem Mikrokosmos um ähnliche Dinge, es geht um Deutungshoheit und es geht darum das Richtige im Sinne des Guten, Neuen, Zukunftweisenden zu tun, neue Strukturen zu etablieren. Wer mit Ich-Botschaften arbeitet, der hat zwar nicht immer mein Verständnis, aber ich nehme wahr ok., da hat jemand ein Problem oder jemand versucht sich in etwas Neuem.
      Ich habe nicht das Gefühl, dass die Menschen in unserem Mikrokosmos die derzeit so mit der Deutungshoheit beschäftigt sind, in irgendeiner Weise unterprivilegiert sind. Im Gegenteil, sie sind zum überwiegenden Teil gut gepamperte Mittelstandskinder ohne Familienverantwortung.
      Was die Rassismus-Diskussion betrifft, so war ich aus einem ganz konkreten Grund ziemlich verärgert, aber habs veratmet.
      Da wurden nämlich ein paar sehr wichtige Fragen gestellt. Es ist legitim zu fragen, wieviel der Differenz der Produktionskosten eigentlich dem neuen charitativen Projekt zukommt. Und diese Diskussion wurde völlig aus den Gleisen gehoben und die Aufmerksamkeit auf eine Scheindiskussion gelenkt.
      Denn rum wie num, wenn verteilungswerter Rassismus nicht mal mehr eine Abwertung einer anderen Rasse beinhalten muß, sondern es reicht, daß Projekt A und Projekt B in verschiedenen Ländern stattfinden und es damit ohne Moralurteil unmöglich ist, ein Problem damit zu haben, werden wir, so finde ich, in unserer Entscheidungsfindung etwas unproduktiv.

      Das Beispiel DDR ist wunderbar in Hinblick auf Sprache, Sprachrestriktionen und eine Stimme bekommen. Sprachrestriktionen haben damals diese Gesellschaft in schizophrene Parallelgesellschaften gespalten. Die meisten Kinder lernten schon ganz früh: So wie wir zu Hause reden, darfst du in der Schule auf keinen Fall reden. Da herrschte die politisch korrekte Sprache. Das betraf den überwiegenden Teil der Bevölkerung, die Masse.
      Hätte man einen Parteifunktionär gefragt, hätte er genau das gesagt: Er wolle den Entrechteten und Diskriminierten eine Stimme, eine angesehene gesellschaftliche Position und eine gute Zukunft bieten. Wer denn diese Leute waren, konnte er nicht mehr genau sagen, er redete nämlich nicht mit ihnen oder nur noch so, daß diese Leute vor ihm politisch korrekte Sätze aufsagten.
      Das trug aber keinesfalls zum Erfolg der kleinen Elite, die nur das Beste für ihr Volk wollte, bei. Im Gegenteil. 1989 war das Jahr der Worte. Das ging vom mächtigen „Wir sind das Volk“ zu „Wir sind ein Volk“ innerhalb von ein paar Wochen.

  6. „Vollendung träumend, hab ich mich vollendet, wenn auch mein Werk nicht als vollendet endet. Denn das war meines Werkes heilige Sendung: Dienst an der Menschheit künftiger Vollendung.“
    Johannes R. Becher

    • Ich habe noch versucht, es einzubauen, aber irgendwie geht es nicht, schade, das hätte so gut gepasst.

  7. @steffi: Handelt es sich um Denkanstöße oder ein passiv-aggressives „Denk mal drüber nach!“?
    Letzteres provoziert, diesseits aller historischen Begründungen, zunächst einmal Trotz bei mir. Ich habe dabei meine Tante vor Augen, die mir mit ihrem feuchten Tuch einen Fleck entfernen will. Mag sein, dass ich schmutzig bin. Dennoch bleibt ihr Verhalten übergriffig.

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