Auf den Regen warten

Es war deprimierend, auf dem Niederschlagsradar zu sehen wie am Freitag eine lange Regenfront auf uns zu- und über uns hinwegschwebte, die überall blaues und violettes Regenecho gab, nur Berlin war ein Loch in diesem Gebilde. Wahrscheinlich war es hier zu heiß und der Regen kam gar nicht auf der Erde an oder wir befanden uns in einem magischen Kraftfeld, hervorgerufen durch die Zuckungen der Tänzer im Berghain, die unbewusst eine Art Anti-Regentanz vollführten, was auch immer.
BTW. Regentanz. Ist euch eigentlich klar, was das für eine Anstrengung ist, bei 35 Grad im Schatten singend im Kreis rumzuhüpfen?
Ich entschied mich für die faule Variante. Also, nicht ganz. Nachdem ich den Samstag schlafend und dämmernd verbrachte, fuhren wir antizyklisch handelnd abends an den Schlachtensee und schwammen eine Stunde, der Graf gut anderthalb Kilometer, ich etwas weniger, weil ich keinen Bock auf das Wasser-Gewusel an der Fischerhütte hatte. Es war zu merken, dass die Wassertiere, ob des massenhaften und nachhaltigen Menschenüberfalls schwer gestresst waren. Ein winzig kleines Entchen hatte seine Familie verloren und schwamm suchend in Richtung Schilf und ein Haubentaucher, der versuchte, einen fetten Fisch im Schnabel zu behalten, wartete ewig darauf, dass er mal die Längsschwimmtrasse kreuzen konnte. Mich kreischte er dann wütend an und ich gab ihm die Vorfahrt.
(Überhaupt! Staubwolken auf den Fußwegen und auf der Fischerhütten-Liegewiese! So was brauche ich ja wie nen Kropf.)

Gut eine Stunde nach dem Schwumm (ein wunderbares Wort, das ich bei der Frau Kaltmamsell fand), lief mir aber schon wieder die Brühe runter. Ich hab früher nie verstanden, warum Menschen so über Wärme klagen können. Seit ich ein paar Kilo zu viel mit mir rumtrage (mir zu viel, was die Norm und andere sagen, ist mir Stulle), leide ich genauso. Gott sei Dank hatte ich langfristig etwas am Schilddrüsenhormon geschraubt, voriges Jahr hatte ich zusätzlich zur Hitze fiese Ödeme an den Beinen, das blieb mit dank Höherdosierung erspart.

Ich war also nicht bei der StopWatchingUs-Demonstration, obwohl ich mir das vorgenommen hatte. Dann muss ich meinen Senf demnächst hier im Blog dazugeben.
Vorher empfehle ich allen, die eigentlich wie ich der Meinung sind „ich habe doch nichts zu verbergen!“ diesen Film, der wunderbar grundlegende Gedanken sortiert und illustriert:

Die Samstagnacht verbrachte ich mit meiner alten Leidenschaft. Ich nähte den vor dem Urlaub liegengebliebenen Stufenrock und wunderte mich, was ich da beim nächtlichen Zuschneiden (das war so eine locker-flockig-Anleitung aus dem Netz: 3 Bahnen soundso breit, 4 Bahnen soundso breit…) vor zwei Wochen verbockt hatte. Irgendwie hatte ich eine Stufe vergessen, statt 5x20cm nur 4x 20 cm zugeschnitten, und so hat das ganze Petticoatlänge bekommen:
Stufenrock
Noch ist er ungefärbt und steht ob der Appretur. Ich seh damit mal wieder aus wie ein Teletubby.
Auf den Saum habe ich in Gedenken an des Grafen Omi etwas LitzeSpitzeBand (wie sie immer sagte) aufgenäht:
Stufenrock Detail
Wunderbar präzise Stiche, leicht zu machen.
Dann gab ich der neuen Nähmaschine ein bisschen was Kompliziertes zu tun. Wir sind ja immer noch auf dem Kennenlernparcours. Alles, was mit Zierstichen zu tun hat, ist für mich Neuland. Das ist ein Teilbereich, der noch einmal völlig separate Bedienung lernen für mich bedeutet. Und das ist ja nicht nur „Welches Knöpfchen drücke ich?“. Viele Dinge, die ich sonst instinktiv mache: Stoff, Nadel, Faden und Nähtempo abstimmen z.B., muss ich hier noch einmal neu lernen. Die Nadel tanzt herum und macht bei bestimmten Motiven Doppelt- und Dreifachstiche, was zur Konsequenz hat, das dickes Ziergarn nicht für jeden Stich geht. Auch die gleichmäßige Dicke der Stofflagen ist zu beachten, denn mitunter zieht der Transporteur noch mal alles einen halben Zentimeter zurück, um die andere Seite des Motivs zu sticken und braucht auch ordentlich was zu greifen.
Überhaupt, das ist mit die größte Umstellung. Bei einer Nähmaschine mit 9mm Stichbreite muss beachtet werden, dass die weit auseinander liegenden Transporteure anders greifen. Letztens saß ich mit „Häh???“ vor einer eigentlich easy zu nähenden Schräge, bis mir die Gebrauchsanweisung erklärte, dass kurze Nähte im 45-Grad-Winkel konstruktionsbedingt der blinde Fleck sind und man sie nur mit einem Trick hinbekommt.
Ich ließ das Maschinchen zum Kennenlernen die Nähte auf einem Schwebebalken balancieren:
Stufenrock Detail
Nämlich auf der 1 cm breiten französischen Naht der Stufen. Das sieht einfacher aus als es ist, denn manchmal kann der Rücktransport nicht richtig greifen, weil der mehrfach zusammengelegte Stoff zu schmal ist:
Stufenrock Detail
Das oben müssten eigentlich geschlossene quadratische Rhomben sein, wären es auch, wenn der Stoff überall gleich dick wäre.
Stufenrock Detail
Auch wenn es etwas zu dick für den Stoff ist, ich wollte das violette 30er-Ziergarn unbedingt dabei haben. Mitunter gab es stumme oder wirkungsvolle Rückmeldungen: Kannst du mal den Transporteur lockern? Das drückt! Der Faden schneidet ein, bitte locker machen! Oder: Meh, diese Nadel aus deinen Altbeständen hat einen Grat am Öhr… Bum-Peng-Krach!
Das sieht dann so aus:
Stufenrock Detail
Ich bin ja eher der Lerning-by-Doing-Typ.
Der Rock bekommt noch Farbe, einen zarten Flieder-Ton. Deshalb kaufe ich auch immer stapelweise weißen Baumwollzwirn, wenn ich ihn sehe. Mit dem mittlerweile fast ausschließlich angebotenen Allesnäher aus Polyester kann ich gar nichts anfangen. Der nimmt keine Farbe an. Waren das noch Zeiten, als Kurzwarenläden und Kaufhäuser die Farb-Paletten mit mindestens zwei Garnstärken und drei Qualitäten, Baumwolle, Seide, Synthetik anboten.

Am Sonntag war bei mir die Belastungsgrenze in Sachen Hitze erreicht. Der Haut macht der ständige Wechsel von schweißnass zu im Luftzug trocknen keinen Spaß. Die Haare haben sich zu Putzwolle verwandelt. Der ganze Körper sagte: Das reicht! Echtjetztmal!
Beim Warten auf das nächtliche Gewitter hatten wir alle Fenster weit geöffnet. Irgendwann muss es im Schlafzimmer eine kleine Windhose gegeben haben, denn alle unter dem Bett liegenden und für den Staubsauger unerreichbaren Wollmäuse klebten plötzlich an einer zusammengerollten Matratze, die an einer Wand aufgestellt ist.

Dann endlich kam der befreiende Regen…

Auf der Suche nach der perfekten Nähmaschine

Ich habe nicht mehr damit gerechnet, daß ich noch mal so weit komme, mir eine neue Nähmaschine zu kaufen. In den Jahren in der Jobtretmühle dachte ich sehnsüchtig an die  probenfreien Zeiten im Theaterjob zurück (heute hat man ja nicht mehr bezahlt probenfrei, sondern ist auf Hartz IV oder im Nebenjob), in denen ich den gesamten Inhalt des Kleiderschrankes vom Ex-Mann und mir, hinreißende Kindersachen, Kissen, Vorhänge und Möbelbezüge selbst nähte. Ich hatte einfach wahnsinnigen Spaß daran und war am Schluß ziemlich fit. Das Einzige, was ich nun noch lernen muss, ist Schnittanpassung und -konstruktion.

Wie schon geschrieben, es ist wieder Näharbeitsära und der Graf findet es ziemlich ok., wenn diesem Haushalt eine Nähmaschine gibt, die dem sonstigen Ausstattungslevel des Haushalts entspricht. – Selbstverständlich unter Beachtung des Umstandes, dass sie 20mal jährlich benutzt wird und nicht täglich wie die Jura-Kaffeemaschine.

Meine Anforderungen an so eine Nähmaschine sind ziemlich diffizil, denn ich bin keine Anfängerin, sondern geübt, verlange einer Maschine einiges ab und nähe:
– Kleidung aus dünnen und normalen Stoffen (öfter geplant, vor allem Sommersachen)
– Deko – Quilts, Kissen, Taschen, Vorhänge (mittel-oft)
– Säume und Reparaturen, also dicke Stoffe, vor allem Jeans (immer mal)
Meine Augen sind nicht mehr so super, gute Beleuchtung und ein Nadeleinfädler sind deshalb ein Muss. Ein paar Zierstiche fände ich fein, aber Entchen und Autochen, sowie das Alphabet in Comic Sans und Kyrillisch muss nicht sein. (Was der Hit wäre: Eine Maschine, bei der ich mir die Sticharten auswählen könnte.)
Technik mag ich, davor habe ich keine Angst. Die technische Segnungen der letzten Jahre mitzunehmen, wäre fein. Aber wiederum wäre es kontraproduktiv, wenn das gute Stück so hochgerüstet wäre, dass es nach 5 Jahren an der Steuerung krankt.

Erstmal fragte ich rum. Zunächst nur, wer mit welcher Maschine arbeitet. Coolcat hat eine Pfaff Expression und meinte, selbst sie als Profi nutze die drölfzigtausend Zierstiche nicht annähernd. Sie riet mir zu einer gebrauchten mechanischen Pfaff oder Bernina aus dem letzten Jahrtausend. Grund: Unkaputtbar. Guter Gedanke. Aber Miz Kitty ist ihr Autofahrerleben lang Neuwagen gefahren. Hm. Bei einer Neumaschine riet sie mir zur Kniesteuerung, damit ich beide Hände auf dem Stoff lassen könnte.
Die Frau Mutti hat einen so tollen Profi-Maschinenpark, dass sie mir da so gar nichts raten konnte (oder ich habe es auf Grund meiner sozialen Taubheit auf der re:publica verdrängt), außer Probenähen.
Frau Creezy hatte sehr interessante Tipps. Erstens gäbe es bei Ostpaket aufgearbeitete Veritas-und Textima-Maschinen und sie arbeitet mit einer Wertarbeit (ehemals Privileg). Die Privileg, die jetzt das Kind hat, fand ich für den Preis sehr ok.
La Primavera, gelernte Damenmaßschneiderin hat eine mechanische Huskvarna, unter anderem, weil sie nicht elektronikaffin ist (also Klartext: wenn sie sich Technik nähert, wirds heikel *duckundwegrenn*), die sie als sehr ok., wenn auch langsam beschreibt.
Ich hatte aus irgendeinem Grund Brother im Kopf. Irgendjemand hatte mal eine. …ah, jetzt fällt es mir ein, die Ex-Schwiegermutter hatte eine. (Unter mehreren anderen, ihr Hauptgerät war eine Suzuki-Industriemaschine.)
Singer muss ich nicht mehr, nach der Erfahrung mit der jetzigen (wobei diese auch die Preislage hat, die ich verlassen will, muss ich zur Ehrenrettung der Marke sagen).
Dann gibt es noch Bernina und Janome und dann läuft mir der Arbeitsspeicher über.

Ah, eine Bernina -Nähmaschine wurde mir auch empfohlen. Na das ist ja ein Schnuckelchen!

Dann werde ich mich doch mal in den nächste Wochen mit Probenähen beschäftigen.