Let’s Swing – ein Vintage-Kleid

Als dieses Vintage-Kleid vor zwei Tagen fertig war, waren draußen aprilhafte 15 Grad. Ich konnte es also weder gestern abend auf der einen Gartenparty, noch heute vormittag auf der anderen tragen. Schade eigentlich Party Nr. 2 fand in einer Häuschensiedlung im Berliner Speckgürtel statt. Ich hätte die perfekte, in die Jahre gekommene und runder gewordene Betty Draper geben können:
Vichykaro-Kleid
Vichykaro-Kleid
Ein wunderbarer Vogue-Schnitt von 1954 (danke, Glam!), den ich noch öfter verwenden kann. Die ganzen Änderungen auf dem Papier hätte ich mir sparen können. Es hätte gereicht, hier und da etwas Umfang zuzugeben, der Rest musste sowieso am Körper abgesteckt werden. Außerdem ist das Kleid hinten zu binden, das gleicht viel aus.
Ich habe wieder viel Energie in Details gesteckt. Denn das war es, was ich an guter, teurer Konfektion schätzen gelernt hatte. Keine abgekettelten Billignähte, sondern aufwändig mit Bändchen versäuberte Kanten etc. Frau Tulpe hatte dazu die passenden Schrägstreifen:
vichykleid3 Vichykaro-Kleid Detail
Geschlossen wird es ganz konservativ mir Haken und Ösen bzw. Knopf und Bändchenöse:
vichykleid5 Vichykaro-Kleid Detail
Wir haben zur Hochzeit einen Swing-Tanzkurs geschenkt bekommen, das ist das perfekte Outfit dafür.

Eine Nebenbemerkung kann ich mir nicht verkneifen: Ich bin ja wohl nun eine Crafista. Das sind die Mädels, die sich vor Freude fast ins Hemd machen, wenn sie sich ein Täschlein genäht haben. Ähm, ja. Mir ist das ja alles ein wenig zu ideologisch verblasen. Ich brauche keine feministische Rechtfertigung dafür, dass ich Handarbeiten ziemlich gut beherrsche. Und Täschlein habe ich zum ersten Mal mit zehn Jahren genäht.
Also es war so: Mir hattn ja nüscht. Deshalb hatte die DDR eine recht aktive Maker-Bewegung oder DIY-Kultur. UNd wenn man mal den ganzen Schwulst wegnimmt, machen die Leute auch nix anderes als ihre heimwerkenden Papas und makrameeflechenden Mamas.
Dass ich das wieder mache hat nur eine Ursache: Ich arbeite wesentlich weniger im hochprofitablen Bereich und das nicht freiwillig, sondern weil ich nur ein paar Stunden hochkonzentrierte, terminierte und auf das Ergebnis gerichtete Arbeit machen kann. Ich habe daher mehr Zeit zum Selbstmachen, es ist egal, wie lange ich dafür brauche und wann es fertig ist und es gibt die Unterstützung, die mir momentan trotzdem ein Auskommen ermöglicht.

  • Ab hier habe ich nach überschlafen den Text noch mal geändert.
  • Wäre es anders, hätte ich noch eine 50-60-Stunden-Woche und Verantwortung für viele andere Menschen, die mich absorbiert, würde ich kaufen. Weil meine Spezialisierung eine andere wäre.
    Bei einem deutschen Mindestlohnstundensatz würde das Kleid (35€Materialkosten, Schnitt geschenkt), für das ich 35 Stunden gebraucht habe, 300€ kosten, also strammer Boutiqueneinkaufspreis. Bei meinem Stundensatz, den ich als Karriereberaterin habe, kommen wir bei Valentino- und Diorpreisen an. (um mal den Schöpfern dieses grossartigen Stils zu huldigen)
    Alles andere, ganz ehrlich, ist in die Tasche lügen auf hohem Niveau.