Schnittänderungen: Länge

Statt am Me Made Mittwoch teilzunehmen, denn fotografieren ist grade nicht, weil eine Papiertüte auf den Kopf zu setzen ist mir zu blöd (alles nur, weil eine Woche nach der Genesung von der Schweinegrippe Magen-Darm vorbeikam und ich aussehe wie Braunbier mit Spucke), schreibe ich lieber einen Artikel zu den Schnittänderungen, die Meike auf Crafteln gerade zusammenträgt.

Da ich mit den Jahren ein Hohlkreuz bekommen habe, ist meine Rückenlänge kürzer als die vordere Länge.
Kielo Wrap Dress
Hier ist das sehr gut zu sehen. Es gibt jede Menge Querfalten im Bereich 1-2 Handhöhen über der Taille.

Die einfachste Möglichkeit, diese Falten im zugeschnittenenen und zusammengenähten Zustand loszuwerden, ist ein Querabnäher von Seitennaht zu Seitennaht.
rueckenaenderungWieviel in den Abnäher kommt und wo er sitzt und endet, kann eine Hilfsperson mit Nadeln abstecken.

Die nächste Möglichkeit ist, das Rückenteil des Schnittes schon vor dem Zuschneiden mit einer Hohlkreuzänderung zu versehen. Das lässt sich einfach googeln, aber ich habe es auch einmal aufgezeichnet. In Taillenhöhe auf der hinteren Mitte wird der Betrag, um den Rücken kürzer ist als das Norm-Maß des Schnittes, abgetragen und verläuft in der Breite bis zur Seitennaht. An der Stelle wird der Schnitt zusammengeschoben. Die hintere Mitte hat dadurch einen Knick, der in eine Kurve umgezeichnet wird.

rueckenaenderung2a Wichtig: Das Rückenteil hat dann eine senkrechte mittlere Teilungsnaht und kann nicht mehr gerade an den Stoffbruch angelegt werden.

Es gibt noch eine schöne Möglichkeit, die vor allem für zu lange Rücken von bereits fertigen, aber Falten werfenden Kostüm- und Anzugjacken geeignet ist. So hat mir vor Jahren eine Änderungsschneiderin die Jacken von meinen Businessanzügen angepasst. Ich habe das selbst aber noch nicht probiert! Daher bitte nicht gleich mit dem schicksten Kaschmirjackett machen!
rueckenaenderung3Statt des graden Querabnähers wird der Rücken mit einem Schwung eingeschnitten. Die Spitze kann nach oben oder unten zeigen, je nach dem wie die Jacke geschnitten ist. Es ist natürlich etwas trickreicher, diese Naht zusammenzunähen und dabei die Abnäher genau aufeinander zu bekommen, aber es sieht gut aus.

Es gibt noch einen Nachklapp dazu – hier ist die Änderung am aktuellen Projekt.

Die anderen Längen-Änderungen hat Frau Crafteln in diesen Artikel integriert. Die Rückenänderungen sind hier.

Nählust statt Shoppingfrust – Buchbesprechung

Selber nähen macht glücklich! sagt Meike Rensch-Bergner in ihrem neuen Buch Nählust statt Shoppingfrust.

Das Buch ist kein reines Näh-Anleitungsbuch, sondern fokussiert das Thema aus einer viel weiteren Perspektive. Es wendet sich nicht nur an Hobbyschneiderinnen, sondern ganz allgemein an Menschen, die das Gefühl haben, den Ansprüchen, die Konfektionskleidung an die Beschaffenheit ihrer Körper stellt, nicht gewachsen zu sein und die sich trotz Massen von Konfektionskleidung aller Preislagen immer schlechter gekleidet fühlen – von Nachhaltigkeit und fairen Geschäftsverhältnissen ganz zu schweigen. Der Ansatz ist, nachzufragen, warum wir eigentlich glauben, unser Körper sei falsch, wenn wir nicht in eine gängige Konfektionsgröße oder in einen von der Mode favorisierten Style passen, weil wir womöglich zu viel oder zu wenig Busen, Taille, Hüfte oder Körpergröße haben.

konfektion

Screenshot von GoFeminin.de

„Nählust statt Shoppingfrust“ beginnt in den Anfangskapiteln die verkehrte Welt, in der Menschen Kleidungsnormen füllen sollen, vom Kopf auf die Füße zu stellen. Weg mit den Schuldgefühlen, nicht richtig zu sein. Weg auch von der Idee, dass Kleidung vermeintliche Makel immer kaschieren muss und jeder Mensch eine Liste für Kleidung, die er nicht tragen sollte, akzeptieren muss.
Denn der Vorschlag von Meike Rensch-Bergner ist es, die Kleidung selbst zu nähen. Mit ans eigene Maß angepasste Sachen, die nicht einer großen Masse von Kunden, sondern einem selbst passen müssen, ist plötzlich viel Spielraum für Passform, Bequemlichkeit und eigenen Stil. Das ist zeitgemäß, denn Maßschneiderei kann sich beim hiesigen Lohnniveau kaum jemand leisten und Maßkonfektion ist nur für Männer mit ihren 5 essentiellen Kleidungsstücken und Grunddesigns ernsthaft machbar.
Rensch-Bergner weist darauf hin, dass allein das Maßnehmen und die Entwicklung eines Schnittes oder die Anpassung eines fertigen Schnittmusters an die individuellen Maße die Möglichkeit bietet, den eigenen Körper so wie er ist, richtig zu erfassen. Der „Kopfkleiderschrank“, der erst einmal alles an Wünsche und Entwürfen erlaubt, was gefällt, ist ein wesentlicher Startpunkt für ihre Einführung in die Hobbyschneiderei.

In den nächsten Kapiteln geht es um praktische Vorbereitungen. – Wie kann ich Schnittmuster beurteilen und wo bekomme ich sie? Welche Stoffe sind empfehlenswert? Welche Nähmaschine und Werkzeuge brauche ich? Und nicht zuletzt: Wie lerne ich nähen? Denn die Zeiten von Handarbeitsunterricht und Unterweisungen durch versierte Mütter und Großmütter sind vorbei.
Das Buch verweist hier immer wieder auf die DIY-Bewegung im Internet, auf Foren, Videoportale und Blogs, in denen viele Tricks, Kniffe und kleine Geheimnisse allen zugänglich gemacht werden und sich eine Anfängerin bald nicht mehr allein fühlt, sondern Verbündete und Orientierung findet. (Die Autorin bloggt selbst seit Jahren unter crafteln.de.)
Natürlich geht „Nählust statt Shoppingfrust“ auch auf Schwierigkeiten und Perfektionsansprüche ein, denn jeder Anfang ist schwer, gerade bei so einem komplexen Handwerk wie dem Nähen. Außerdem widmet sich ein Kapitel den Grundlagen der guten Passform, den Fertigkeiten, die Kleidung individuell komfortabel machen.

Last but not least, der Praxisteil. Die Leserinnen werden Schritt für Schritt durch die Herstellung eines ersten, handwerklich leichten maßgefertigten Kleidungsstückes geleitet. Ohne Konfektionsgrößen und ohne Schnittmusterbogen.
Ein guter Ansatz, auf den Urgrund der Kleidungsherstellung zurückzugehen und Normen, die für die Industrieproduktion hergestellt wurden, erst einmal zu ignorieren, um zu erfahren, was selbst Kleidung nähen ausmacht.

Damit unterscheidet sich Meike Rensch-Bergners Buch wesentlich von vielen anderen Handarbeits-Anleitungsbüchern. Es ist ein leidenschaftliches Manifest, zum eigenen Körper ja zu sagen und sich von Konfektionsfrust und Modegedöns zu entfernen. Und es gibt einen ersten wesentlichen Impuls und viele hilfreiche Informationen, sich in die Gemeinde der Macherinnen schöner eigener Kleidung zu begeben.

Let’s Swing – ein Vintage-Kleid

Als dieses Vintage-Kleid vor zwei Tagen fertig war, waren draußen aprilhafte 15 Grad. Ich konnte es also weder gestern abend auf der einen Gartenparty, noch heute vormittag auf der anderen tragen. Schade eigentlich Party Nr. 2 fand in einer Häuschensiedlung im Berliner Speckgürtel statt. Ich hätte die perfekte, in die Jahre gekommene und runder gewordene Betty Draper geben können:
Vichykaro-Kleid
Vichykaro-Kleid
Ein wunderbarer Vogue-Schnitt von 1954 (danke, Glam!), den ich noch öfter verwenden kann. Die ganzen Änderungen auf dem Papier hätte ich mir sparen können. Es hätte gereicht, hier und da etwas Umfang zuzugeben, der Rest musste sowieso am Körper abgesteckt werden. Außerdem ist das Kleid hinten zu binden, das gleicht viel aus.
Ich habe wieder viel Energie in Details gesteckt. Denn das war es, was ich an guter, teurer Konfektion schätzen gelernt hatte. Keine abgekettelten Billignähte, sondern aufwändig mit Bändchen versäuberte Kanten etc. Frau Tulpe hatte dazu die passenden Schrägstreifen:
vichykleid3 Vichykaro-Kleid Detail
Geschlossen wird es ganz konservativ mir Haken und Ösen bzw. Knopf und Bändchenöse:
vichykleid5 Vichykaro-Kleid Detail
Wir haben zur Hochzeit einen Swing-Tanzkurs geschenkt bekommen, das ist das perfekte Outfit dafür.

Eine Nebenbemerkung kann ich mir nicht verkneifen: Ich bin ja wohl nun eine Crafista. Das sind die Mädels, die sich vor Freude fast ins Hemd machen, wenn sie sich ein Täschlein genäht haben. Ähm, ja. Mir ist das ja alles ein wenig zu ideologisch verblasen. Ich brauche keine feministische Rechtfertigung dafür, dass ich Handarbeiten ziemlich gut beherrsche. Und Täschlein habe ich zum ersten Mal mit zehn Jahren genäht.
Also es war so: Mir hattn ja nüscht. Deshalb hatte die DDR eine recht aktive Maker-Bewegung oder DIY-Kultur. UNd wenn man mal den ganzen Schwulst wegnimmt, machen die Leute auch nix anderes als ihre heimwerkenden Papas und makrameeflechenden Mamas.
Dass ich das wieder mache hat nur eine Ursache: Ich arbeite wesentlich weniger im hochprofitablen Bereich und das nicht freiwillig, sondern weil ich nur ein paar Stunden hochkonzentrierte, terminierte und auf das Ergebnis gerichtete Arbeit machen kann. Ich habe daher mehr Zeit zum Selbstmachen, es ist egal, wie lange ich dafür brauche und wann es fertig ist und es gibt die Unterstützung, die mir momentan trotzdem ein Auskommen ermöglicht.

  • Ab hier habe ich nach überschlafen den Text noch mal geändert.
  • Wäre es anders, hätte ich noch eine 50-60-Stunden-Woche und Verantwortung für viele andere Menschen, die mich absorbiert, würde ich kaufen. Weil meine Spezialisierung eine andere wäre.
    Bei einem deutschen Mindestlohnstundensatz würde das Kleid (35€Materialkosten, Schnitt geschenkt), für das ich 35 Stunden gebraucht habe, 300€ kosten, also strammer Boutiqueneinkaufspreis. Bei meinem Stundensatz, den ich als Karriereberaterin habe, kommen wir bei Valentino- und Diorpreisen an. (um mal den Schöpfern dieses grossartigen Stils zu huldigen)
    Alles andere, ganz ehrlich, ist in die Tasche lügen auf hohem Niveau.

    Vogue – Lost in Chicago

    Die Vogue-Schnitte, für die der Stoff schon wartet:
    leinenstoff
    liegen seit dem 2. Mai in Chicago.
    tracking
    Man weist darauf hin, daß es bis zu drei Wochen dauern würde, aber ich dachte, das gelte nur für Afrika…
    Schauen wir, was passiert. Oder hat jemand Erfahrung mit amerikanischer Airmail?