Tag der Arbeit

Durch geputzte Fenster sieht der 1. Mai doch viel besser aus. Und ich freue mich jedes Mal diebisch, daß ich nicht mehr die Plastenelke antüdeln, zu Winkelementen greifen und am Ende des Tages die volksfestbesoffenen Asis ansehen muß.
Als Kind fand ich das alles faszinierend, da saß ich immer mal auf einer Ehrentribüne und unten gabs MIlitärparade (besser gesagt Vorbeimarsch) mit Tambourmajor, Cabrios, in denen Kommandeure standen (gibts einen Namen dafür, den hab ich nur vergessen) und Raketenwerfern. (Tiefe frühkindliche Prägung: Millitärmärsche! Die besten sind übrigens von Beethoven.)
1981, zum selbständig denkenden den Menschen mutiert, war bei mir Schluss, zunächst innerlich, ich wußte, einmal muss ich noch, bis ich volljährig und aus dem Gymnasium raus bin. Dafür gab es auch einen konkreten Auslöser.

Da lachen sie noch, sechs Wochen später knallts…

Die Kreisparteileitung, Nationale Front, das Oberste Kundgebungsbüro (oder wer auch immer das organisierte) des Oderkaffs hatte beschlossen, daß es doch toll aussähe, wenn die Gymnasiasten der Stadt einen Fahnenblock bilden würden und daß dieser Fahnenblock am Anfang und am Ende der Kundgebung marschieren könne.

So ungefähr.

Was einmal hieß, wir mussten da über Gebühr rumhängen und uns die Parolen anhören und andererseits mich unheimlich ärgerte, da als Bestandteil eines laufendenden Potemkinschen Dorfes unterwegs zu sein. Mein Gefühl war: Wenn das gut ankommt, laufen in 10 Jahren ein paar Hanseln, die sich noch nicht drücken dürfen, mit Wink- und Sichtelementen einige Stunden im Kreis um die Ehrentribüne, um die winkenden Greise darauf zu erfreuen. Gott sei Dank kam es nicht mehr dazu.
Wir übten uns in passiver Aggression. Die zum lächeln aufgeforderten Mädchen lächelten nicht und die Jungs, die diese hohen Fahnen tragen mussten, stellten sich nach Leibeskräften blöd an und wackelten und wankten mit diesen Dingern herum. Mehr ging leider nicht, wir wollten schließlich alle noch Abitur und einen Studienplatz.

Daher war ich gestern gar nirgendwo unterwegs. Unten vor der Tür demonstrierte der DGB-Dachverband auf Motorrädern, die Jungs hatten Spaß und ich übte mal wieder meine eingerosteten Nähkünste.
In diversen Kammern habe ich noch immer größere Stoff-Vorräte und die derzeitige wunderbar weibliche Mode, die ohne großartige High-Tech-Materialien und -Verarbeitung auskommt, ist gut selbst machbar. (Das Kindchen hat zwar ne tolle Overlock-Maschine, aber die ist selbst mir Technik-Freak zu kompliziert, als daß ich mal eben vorbeikommen und was zusammennähen könnte.)
Meine alte Veritas habe ich vor 5 Jahren wegwerfen müssen, weil der Motor zu schmoren begann und ich bereue es jetzt etwas. Der Antrieb wäre vielleicht zu ersetzen gewesen, denn darüber hinaus war sie stabil, weil aus Metallguß und hatte ein klares Stichbild. Die Singer, die mir das Kind geschenkt hat, eiert im Unterfaden ziemlich oft, so wie ich es nur von meiner allerersten Schwingschiff-Victoria kenne.

Also knibbelte ich gestern den ganzen Tag an einem simplen Faltenrock aus schwarzrosa karierter Dupionseide. Ich habe noch etwas schwarzen Crêpe de Chine aus der Omikiste, das wird noch eine kleines Oberteil mit karierten Blenden dazu, allerdings werde ich stückeln müssen, der ist so komisch proportioniert. Gute Gelegenheit, mal wieder französische Nähte auf Seidenpapier zu üben.
Dazu habe ich mir Burda-Schnitte runtergeladen. Ey Leute, gehts noch? 89 pdf-A4-Seiten für ein Schnittmuster??? Irgendwie ist das noch keine optimale Technologie.
… Fotos gibt es, wenn ich fertig bin.

Kommen wir zum Kapitel Biokiste:
broccolihuhn
Irgendwie ist das Bild am unteren Rand etwas unscharf…
Also, ich habe das, was übrig war, nämlich (im Nudelwasser blanchierten) Broccoli, eine Möhre, mit Hähnchenbrust, Knoblauch und viel Chili im Wok angebraten und noch zwei Eßlöffel Hoisin-Soße dazugegeben. Die graubraunen Fäden sind keine Regenwürmer, sondern Süßkartoffel-Buchweizen-Nudeln.
Der Graf bekam einen halben Liter Orangensaft. (Nicht, weil ich nichts abgeben wollte, sondern weil er leidend ist und nichts essen mag.)
Jetzt sind noch zwei Datteln und eine Banane übrig und morgen kommt eine neue Kiste.

Dann las ich heute etwas, was mich echt triggerte. Ich bin ja sonst eher skpetisch bis zynisch, was Trendsportarten angeht. (Da erinnere ich mich gern an RTL Samstag Nacht „Extreme Mitessing“ „Streetchess“ „Extreme Homerunning“, ja Privatfernsehen war mal cool und innovativ…)
Aber die Aussicht, mit gutem Equipment Küstenwanderungen im Wasser zu unternehmen, Seatrekking genannt, ist der Hammer! Da würde ich sogar auf Spezialequipment sparen wollen, was ich sonst immer blöde und überflüssig finde.
Ich habe das ja schon mal gemacht, vor 11 Jahren. Da mein Bruder mein Kajak mit in dem Urlaub genommen hatte, bin ich halt um den Stechlinsee geschwommen. Ich hatte einen Neoprenanzug an, damit es nicht so kalt ist und einen wasserdichten Brustbeutel mit etwas Notfallausstattung.
Ich habe sogar mal eine Kurzgeschichte geschrieben, die „Das Meer-Projekt“ hieß, in der es um Menschen ging, die auf dem Grund von Flüssen in Richtung Meer wandern.
Mit kleinen Flossen, Schnorchel und Taucherbrille hätte man dann auch noch die Welt unter sich vor Augen, mit Zelt und trockenen Klamotten im Gepäck müsste man nicht mehr zurück und könnte an schönen Stellen übernachten. Das einzige Problem würde ich darin sehen, dass bestimmte Stellen bei hohem Seegang gefährlich werden.
Das kommt auf meine Bucketlist, auf der ja auch noch eine Skiwanderung in Norwegen steht.

Besen putzen

Ein häuslicher Arbeitsanfall sondergleichen. Fenster geputzt, Wohnung auch. Jede Dielenritze ausgesaugt, weil es darin manchmal krabbelt (altes Gemäuer eben) Boden gefeudelt, Kuchen gebacken. Das reicht jetzt aber wieder für ein paar Tage.

Biokiste
Das getan, was ich immer gern mache, in einem Rundumschlag verwendet, was da war. Pastinake, Mohrrübe, Tomate aus der Kiste und noch Zucchini und Broccoli von voriger Woche.
gemuesepfanne
Ich habe alles in neutralem Öl im Wok (mit Deckel) angebraten, der wird für Olivenöl zu heiß. Pfeffer, Salz, eine Prise Zucker, ein Stich Butter, Zitronensaft und Parmesanspäne drauf, fertig.
Es gibt diverse Streitereien, ob Bio nun besser schmeckt. Angeblich nicht. Die lagerfähigen Möhren würde man im Supermarkt nicht bekommen, die sehen aus wie kleine Rüben und schmecken leicht bitter. Bitter ist ja ein Geschmack, der vielen Nutzpflanzen abgezüchtet wird. Schade eigentlich. Ansonsten ist alles eben gigantisch frisch, selbst nach 4 Tagen im Gemüsefach noch. Das schmeckt man.
Am Abend bekam der Graf dann Kiwi-Bananensaft. Ich muss den Guten wieder aufpäppeln, der hängt ein bisschen durch…

Und jetzt, Mädels, ab auf den Besen, wir haben gleich noch Spaß!

(hübsche Hexen waren leider aus, bzw. kollidieren mit meinem Verständnis von Kunstgeschichte, lieber Dürer als einen wohlgefälligen Fleischmaler)

Mein erstes Mal

Die richtigen Alternativ-Leben-Profis lachen sich jetzt wahrscheinlich krumm. Aber am Freitag empfing ich die erste Bio-Gemüsekiste  meines Lebens. Besser gesagt: Eine Gemüse- und eine Obstkiste. Erst mal ein Probeabo, mal schauen, ob ich damit zurecht komme. (Natürlich auch der Graf, aber die Küche ist mein Revier.)
Früher habe ich ganz gern auf dem Markt gekauft, aber ich fand es schon immer mühselig, an den Ständen die Preise zu vergleichen, zu schauen, das ich nicht beschissen werde (zu Zeiten des kopfrechenstarken Ex wußte ich, dass einige Stände am Winterfeldmarkt daher tabu waren) und ggf. aus der Tüte zweimal gutes Deckobst rauszuholen und der Rest ist Ramsch. Der kleine Markt am Zionskirchplatz – gut gemeint – hat Biostände mit astronomischen Preisen und auf den Arkonaplatz verirre ich mich am Freitag selten.
Außerdem mag ich es mittlerweile, zu schauen, was da ist und etwas daraus zu machen, statt riesige Küchenpläne anzufertigen oder Impulskäufe zu machen.
Ich war zunächst erfreut über die Frische und Ansehnlichkeit der Sachen.
gemuese
obst
Ein bißchen Modifikation ist noch nötig. Kopfsalat ist zu schwierig, weil er schnell gegessen werden muss, auch wenn ich ihn sehr mag. Der Graf isst in der Regel ein Salatblatt am Tag auf einem Burger oder Sandwich. Also müsste ich allein gegen den Verfall anweiden.
Die Pastinaken werden demnächst ausgetauscht, da fällt mir nämlich nicht allzu viel dazu ein. Das sollen dann eher die Prenzlberg-Muttis odern. Das obligatorische Kilo Äpfel in der Obstkiste wurde schon durch Orangen (für den Grafen) und Bananen (für Miz Kitty, die ist schließlich aus dem Osten) ersetzt, weil wir beide Äpfel nicht vertragen.

Schon nach der Lieferung wanderten eine Birne und ein paar Datteln in meinen Morgenjoghurt. Mittags machte ich mich an die Bewältigung des Kopfsalates.
salat
Er bekam ein Dressing aus Joghurt, Zitronensaft und Kräutern, dazu harte Eier.
Der Salat war hervorragend. Super zart und ohne jegliche Killerbeizen, die Schädlinge abhalten, daher auch von einigen Blattläusen bewohnt (kann man problemlos abspülen) und mit Neigung zum Faulen (auch eher ein Qualitätskriterium, da nicht mit Schutzgas und Keimfrei-Atmosphäre behandelt).

Heute widmete ich mich den Pastinaken und dem Bärlauch. Wir kauften noch ein paar braune Champignons und Lachs dazu und ich machte Risotto mit Lachs, Champignons, karamellisierten Pastinaken und Bärlauch. Das war eine echte Geschmacksbombe, wirklich umwerfend gut. Meinetwegen hätte es die Champignons nicht gebraucht, aber da der Graf schon einmal vegetarisch und öko bekocht wurde (fettfreie Gemüse-Wassersuppen, gern aus Diätgründen kalt gegessen, mit der Wirkung, dass er sich hinterher erstmal heimlich einen Döner holte, kam mir zu Ohren), beäugte er Bärlauch und Pastinaken etwas skeptisch, also gabs noch ein Placebo dazu. Zusammen mit dem Rest vom Salat vom Vortag ein sehr gutes Essen.
salat2
risotto
Warum ich das mache? Das Kind bat mich, die Verwendung zu dokumentieren.

Themenwechsel. Mir fällt dieses Jahr angenehm auf, dass die Rabenvögel fehlen. In den Jahren vorher gab es um diese Zeit schon lautstarke Keilereien um die Nester. Auch das Elsternnest im Hof (sehr komfortabel, weil mit Dach) ist noch unbewohnt. Das haben wir vielleicht dem endlosen Winter zu verdanken. Mir wurde das in den letzten Jahren unangenehm zu viel, weil kein Singvogel mehr zu hören war.

Ach und dann mache ich mir zur Zeit, einen Spaß daraus, Ehefrauensätze zu üben:

Das kann/weiß ich nicht, das muss mein Mann machen.
Das muss mein Mann entscheiden und der ist nicht da.
So, jetzt hol ich meinen Mann!
Mein Mann duldet das nicht! (cc crocodylius niloticus)

Man sieht, die Konditionierung, Verantwortung an andere, vorzugsweise Männer abzugeben, ist wohlfeil.