Fleisch

Triggerwarnung: Dieser Text ist mit Sicherheit nix für Veganer*innen und Vegetarier*innen. Es wird hervorragendes Rindfleisch zubereitet und gegessen.

Frau Indica war wieder einmal für ihre Gastro-Kolumne im Analogblog unterwegs. Da ich ihr die Idee zugetragen hatte – über den Grafen und dessen Bekannten Wiemer Wiemers, so geht der Weg von Empfehlungen – über gut zubereitetes Fleisch und speziell über den Goldhorn Beefclub zu schreiben, nahm sie mich als Mitesserin mit.

Ich dachte erst einmal Club … ok., das ist so etwas ganz Schnöseliges, Elitäres. Voller Leute, die nachsichtig lächeln, wenn frau nur Filet, Entrecôte und Rumpsteak kennt.
Am Ende hatten wir einen lehrreichen, amüsanten Abend voller Fleischlust.

Am Anfang war der Grill, den Josh Jabs, der Inhaber des Clubs, konstruierte.
Ich muss mal ein bisschen ausholen. Ich bin – so es mir mein Wohnort erlaubt – leidenschaftliche Grillerin. Mit Kohle, unbedingt, ein Gasgrill ist für mich ein schlechter Kompromiß, ein Elektrogrill kommt mir nicht ins Haus.
Der Graf ist in Hinsicht Holzkohlenfeuer und Schmurgelaromen, die jede Menge andere weniger schöne Kohlenwasserstoffe huckepack haben, ein bisschen vorsichtig und mag es lieber in der Grillschale.
Der Grill von Josh Jabs trägt diesen Bedenken Rechnung und hat ein Ableitsystem für das Fett, das nun nicht mehr ausschließlich rauchend verbrennt. Trotzdem trifft das Feuer durch enge Schlitze auf das Fleisch und die Temperaturen des Grills sind so hoch, dass ein Steak mit Kruste gart und innen blutig-rot bis rosa bleibt.
Das ist schon erst mal prima.

Vor zwei Jahren war der Boss es leid, als Grillmeister große Empfänge und Events zu bespielen und hat sich einen flachen 60er-Jahre-Bau in der Mommsenstraße* als Niederlassung gesucht, um die Berliner zu begrillen.
Der Gastraum ist in Dunkel und Gold gehalten, es gibt eine Bar und eine Zigarrenlounge und ganz vorn in der Schauküche steht der Grill und speit Feuer. Ein großer Reifeschrank mit Salzfliesen (zur Aufnahme der Feuchtigkeit) nimmt eine ganze Wand ein und darin liegen viele Stücke Fleisch von unterschiedlicher Herkunft und Schnitt und in unterschiedlichen Reifestufen.
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Von Kobe-Rind bis zu deutschem Rindfleisch aus natürlicher Haltung geht das Angebot, dazu gibt es Iberisches Schwein, etwas Fisch und ab und zu Besonderheiten, wie Zebu oder Fleisch von alten Tieren (bei richtiger Zubereitung eine Delikatesse).
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(Ich muss echt für die Fotos um Entschuldigung bitten. Frau Indicas Fotograf hat die Speisen immer ins bessere Licht gestellt, die verlinke ich dann noch mal, wenn es so weit ist.)

Die Beilagen und Vor- und Nachspeisen sind zurückhaltend und aus erstklassigem Material. Wir teilten uns als Vorspeise das handgehackte, bereits gewürzte Tatar mit Wachtelei und einen Burrata-Käse.
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Dann kamen nach gebührender Zubereitungszeit, in der der Grill die Hauptrolle spielte und wir uns die Zeit mit Wasser und Wein vertrieben
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viele Speisen auf den Tisch: Tomahawk-Steak, ein Teres Major- und ein Flankenstück. (Auf dem Foto oben wird übrigens das Tomahawk zubereitet. Hinterher kommt es noch in den Garofen.) Mein Favorit war das Teres Major, ein Zuschnitt, den ich bisher nicht kannte.
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Dazu kamen Kartoffelgratin, Fenchel-Lauch-Gemüse und Spinat.
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Bei einem so dicken Stück wie dem Tomahawk gibt es in den aufgeschnittenen Stücken alle Garstufen, von Rot über Rosa bis durch mit Kruste. Das fand ich ziemlich interessant, denn beim klassischen blutig oder rosa gebratenen Steak ist das nicht so ausgeprägt.
Der Spinat war ein Träumchen, da haben wir gleich beim Koch nachgefragt, wie er den zubereitet hat.

Für Dauer-Club-Mitglieder gibt es natürlich die Möglichkeit, das eigene Stück Fleisch im Reifeschrank zu haben. Wer die 24-Stunden-Clubmitgliedschaft nimmt, findet eine große Spannbreite sorgfältig zusammengestellter Fleischsorten und kann im Preis wählen von die von „Ich bin reich, wo ist der Topf mit dem Gold!“ bis „Exzellent Fleisch essen und den Rest des Monats trotzdem nicht an den Nägeln knabbern.“

Chef Josh, der Restaurantchef, der Küchenchef und der argentinische Grillmeister sind mit viel Herz bei der Sache. Man merkt, die Jungs mögen das, was sie tun und haben hohe Ansprüche und Respekt vor dem Tier, das sie zubereiten.

Ich glaube, ich habe noch nie so viel Fleisch auf einmal gegessen, wie an diesem Abend. Jedes Stück war anders, der Rest des Tomahawk wurde am Schluss noch einmal aufgewärmt und war dann noch besser. Natürlich hätte es auch Sößchen dazu gegeben. Aber grobes Salz und die hauseigene Würzmischung reichten völlig, da vermissten wir nichts.

Am Schluss gabs dann noch ein paar kleine, vorwiegend frische Desserts. Dreierlei Sorbets aus der Eismanufaktur und weiß und dunkle Mousse au Chocolat, nicht im Bild meine obligatorische Creme Brulee.
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Ein großer Dank geht an Frau Indica und ihre Printmagazin-Restaurantkolumne!

Fazit: Unbedingt empfehlenswert!

*der vor 7 oder 8 Jahren als Gourmetrestaurant sehr teuer renoviert worden war, nur war Berlin damals in Hinblick auf sehr gute Küche noch nicht so ganz so weit und eine ganze Weile schlief die Location.

Reinigung

Gestern saß ich mit dem Grafen vor einem Restaurant in der Kastanienallee. Als wir losgingen, zogen sich schon die Wolken zusammen, als wir unseren Burger aßen, wetterleuchteten ferne Blitze und als die zweite Runde Getränke auf dem Tisch stand, begann der Sturm. Eine haushohe Staubwolke raste die Kastanienallee entlang. Zunächst fühlt ich mich hinter der Hecke der zurückgesetzten Restaurantterasse sicher. Beim zweiten Windstoß kam der Dreck von überall. Es schien als würde etwas aus Richtung Danziger Straße die Luft mit einem riesigen Staubsauger aus Mitte raussaugen.
Dann kam der Wolkenbruch und wir schauten erstmal vorsichtig von innen zu. Der Innenraum war heiß und stickig, deshalb setzten wir uns bald unter die Markise und genossen die Frische. Das Nachhausekommen war etwas schwierig. Der Regenradar zeigt noch mindestens eine Stunde starken Regen an (was haben wir eigentlich früher ohne diese Spielereien gemacht?) und wir haben, wie ich bemerken konnte, unterschiedliche Auffassungen von „Ich finde es total toll, durch den Regen zu laufen.“ Der Graf wie immer moderat, ich wie immer exzessiv.
Wir nahmen dann für eine Station die Straßenbahn, der wir noch mit anderen Menschen ob Verschiebung der Haltestelle durch den Matsch einer Baustelle nachrennen durften. (Berlin, ick liebe dir!) Überhaupt. Rennen mit nassen Zehensandalen. Das fühlt sich an wie barfuß rennen und dabei eine Nudel zwischen den Zehen und ein Brett unter dem Fuß nicht verlieren dürfen.

Das Last-Year-Plugin zeigt mir einen denkwürdigen Abend an. Gestern nacht vor vier Jahren begann meine radikale Lebensveränderung, die auch der letzte Blogpost dokumentiert.
Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich die Hintergründe wirklich schon erzählen kann. Über bestimmte Sachen schweige ich hier im Blog und nur enge Freunde wissen davon. Ich bin eher nicht der Typ, emotionale Dinge mit allen Fakten auf den Tisch zu werfen. Weil das auch Fakten über andere sind und ich als Betroffene nicht unbedingt gerecht in meinem Urteil über sie bin. Zumindest bindet mich jetzt keine Schweigepflicht mehr.
Nächstes Jahr.

Berliner Hundstage

Zunächst bescherte mir die Rückkunft nach Berlin 24 Stunden Schockstarre. Zu laut, zu heiß, zu staubig, zu viele Leute. Ich zog die Vorhänge vor, öffnete und schloss nach ausgeklügelter Hitzeabwehrstrategie die Fenster und brachte dem Grafen immer mal ein kühles Bier an die Ruhestatt, wo er den letzten Blogartikel verfasste und das Schlesische Elysium noch mal aktualisierte und polierte.
Ich hatte währenddessen einen akuten Putzanfall. Wer zwei Wochen in blankgeputzten Hotels logiert, kann sich hinterher schon mal über den Anblick der vorm Urlaub liebevoll selbst verdreckten Küche wundern. Mit dem Wort „Igitt“ auf den Lippen schwang ich einen halben Tag lang den feuchten Lappen bis die Gummihandschuhe Löcher hatten.
So langsam söhne ich mich mit diesem Steinwald voller Hipster und Touris wieder aus. Ich mixe Melonenshakes und mache gut salzige Gazpacho gegen den Elektrolytverlust, der mir bei dieser Hitze immer wieder fiese Kopfschmerzen beschert. In der Mittagshitze halte ich Siesta und frühmorgens uns nachts werden dann die liegengebliebenen Dinge erledigt.
Die Ferienentspanntheit, die die Berliner überkommt, wenn der Parkplatznahkampf nachlässt und die Stadt so tut, als läge sie am Meer, fällt mir bei kurzen Gängen aus meiner Höhle positiv auf. Der Weinhändler über die Straße, der mittlerweile auch Öl, Honig, Essig, Schokolade, Brot und Knoblauch führt, schenkte mir zum Wein- und Brotkauf frische Pflaumen, die er von einer Winzer-Tour vom Land mitbrachte.
Nun steht in der Küche ein kleines Töpfchen Zwetschgenröster und der Graf bekommt einen Kaiserschmarrn.
Ich habe meinen Schreibtisch aufgeräumt und kämpfe vorbildlich an der Papierfront. Eine Versicherung, die seit einem Jahr die Bearbeitung eines Antrages verzögert, macht mir Freude.
Dann liegt noch ein Stufenrock bereit, den ich vor dem Urlaub zugeschnitten hatte, aber dazu komme ich garnicht…

Nicht nur Horror mit der BVG, sondern weitere logistische Herausforderungen

Teil 2 des Sonntags.

Kurz nach Mitternacht, die Mondsichel stand hoch am Himmel, die Runde löste sich auf. Wir stiegen von Herrn Luckys Dach wieder nach unten ins Gewühl. Der winzige Fahrstuhl, faßte offiziell vier Personen, war aber mit Glam, dem Couchie und seinem Gepäck und mir  voll. Der Graf wollte lieber laufen.
Die Tür schloss sich und die Überladungssicherung begann mit lautem Dauerhupen, egal, was wir taten, die Tür bleib geschlossen, der Fahrstuhl rührte sich nicht. Der Notrufknopf war schnell gefunden, es meldete sich auch jemand, aber eine Verständigung war nicht möglich, weil das Überladungssignal alles überblökte.
Glam bewahrte kühlen Kopf und rief die Notrufnummer an. Ein junger Mann versprach, uns bald zu retten. Für uns alle ein sehr tröstlicher Gedanke. Couchie hatte inzwischen die Initiative ergriffen und versuchte, die Tür aufzudrücken. Bei der Innentür kein Problem. Die Außentür war allerdings böse verklemmt, sie war immer nur unten einen Spalt wegzubewegen. Worauf der findige Herr Lucky zu unserer Beruhigung erstmal Schnäpse durch den Spalt reichte. Schließlich hatten zwei von uns unbestreitbar eine heftige Neigung zu Panikattacken.
Das Wuchten und Schieben an der aus den Rollen gesprungenen Metalltür ging weiter, Couchie von innen, Lucky von außen. Ich versuchte mir nicht vorzustellen, wie es ist, wenn der Fahrstuhl abstürzt. Nach ein paar Minuten war es dann so weit. Die Tür ging auf, wir waren frei. Der Notdienst mußte etwas später dann nur noch den kranken Fahrstuhl verarzten, der immer noch verzweifelt mit Türen klackerte und rappelte.

Wir trennten uns unten auf der Straße, der Graf hatte das Fahrrad bei sich und stattete mich mit seiner Monatskarte aus. (ein Bonustool für den BVG-Hindernisparcours) Die beiden anderen Herren hatten wohl noch ein vampireske Begegnung mit einem dunkelgelockten Jüngling, dessen leergesaugte Hülle wohl demnächst zwischen Flutgraben und Landwehrkanal aufgefunden wird.
Ich ging zum Schlesischen Tor. Inzwischen waren weniger Menschen auf der Straße, die aber auch nicht weniger Platz brauchten, da sie sich in unterschiedlichen Phasen alkohol- und drogenbedingter Gehbehinderung befanden. Der Zug kam sofort, diesmal wollte ich den kurzen Weg nehmen und wechselte am Kotti zur U8. Alles fein, Zug kommt in 8 Minuten.
Die Macht der Fakten war hart: Auf dem Bahnsteig 300 und 400 Leute und drei Einkaufswagen voller Leergut. Angekündigt war ein Kurzzug. Ich sah mir die Meute an: Singen, Tanzen, Lallen, Kotzen, Drogentourette, alles dabei. Die U1 oben, die mich zum Gleisdreick gebracht hätte, damit ich den etwas längeren, aber bürgerlicheren Weg durch Berlin Mitte nehmen konnte, war auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.
Also Taxi, nutzt ja nix. Ich kam unversehrt zum Ziel, nur einmal sprang ein Aggro-Radahrer dem Wagen in die Spur, als er neben uns über die Straßenbahnschiene switchte und dabei andere Radler überholte. Das war noch mal ein reaktionsschnelles Ausweichmanöver auf die Gott sei Dank leere Gegenfahrbahn. Zum Dank fürs nichtplattfahren gabs vom Rad-Ritter einen gestreckten Mittelfinger.

Berlin, manchmal machst du es einem nicht leicht.