Symbolisches Handeln

die Versuche, das Berliner Stadtschloß wieder aufzubauen, könnten ein extrem teures Vergnügen werden.
Im Feuilleton der ZEIT (nicht online) rechnet Hanno Rauterberg hoch, was die originalgetreue bzw. historisierende Fassade kosten wird. Nämlich mit Sicherheit nicht das, was der Bundesbauminister angibt. Die 80 Millionen Spenden, die der Verein um Boddien sammeln will, werden bei weitem überschritten. Darüber hinaus bezweifele ich, daß die Spendensammlung so erfolgreich sein wird, wie bei der Dresdner Frauenkirche. Symbolische Handlungen haben einen enges Zeitfenster und das ist beim Stadtschloß längst wieder geschlossen, dafür mahlen jetzt die Mühlen der Ämter. Oder erinnert sich noch irgendwer, wie heil und preußisch Berlins einstiger Repräsentationskiez aussah, als die Fassade vom Schloßförderverein Anfang der 90er als Fototapete in die Stadtlandschaft gestellt wurde?
Laßt doch diese Narbe in der Stadt. Laßt die Erinnerung daran, daß hier einst ein Schloß stand, das im Sozialismus gesprengt wurde, weil es das Symbol des Alten war. An dessen Stelle ein neues Schloß gebaut wurde, zu dem jeder Zutritt hatte. Das wiederum absichtlich jahrelang verrottete, als sich die Zeiten gewendet hatten und zuletzt schaurig-schöner Avantgardekunst-Tempel war. Das nun auch fort ist. Abgerissen, rückgebaut im Kapitalismus, weil es ein Symbol vergangener Zeiten und alten Denkens war.
Übrig ist eine Zementbadewanne, mit Sand und Rollrasen gefüllt. Eine zeitlose Insel, umtost von Stadtlärm. Laßt die Pläne einfach fallen. Einen besseren Ort, um bei einem Picknick mit Rotkäppchen-Sekt – die einzige Ostmarke, die es in die neue Zeit geschafft hat, belegt mit der Schaumweinsteuer von Wilhelm II. – und gesamtdeutschen Leberwurstschnittchen der letzten hundert Jahre deutscher Geschichte zu gedenken, gibt es nicht.

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Ein Gedanke zu „Symbolisches Handeln

  1. Ich habe nie verstanden, warum man ein Symbol längst überholter Staatsformen wiederbeleben will. Die Argumente der Reko-Fraktion, der Städtebau biete nur diese eine Lösung, will mir nicht reichen als Argument. Man sollte auch zu den historischen Entscheidungen stehen, die im Nachhinein vielleicht weniger schön erscheinen, und eine zeitgemäße Lösung finden. Und so lange, finde ich die Zwischenlösung auch ziemlich Spannend.

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