Naß, trübe und kühl – Ein Sonntagsmäander

Es ist wie immer, wenn es auf Weihnachten zugeht und man erwachsen ist. Die Zeit beginnt zu rasen. Das beißt sich gerade sehr mit meinem aktiven Bemühen, mein Leben noch weiter zu entschleunigen und Dinge nacheinander, mit Pausen, und nicht vermeintlich parallel zu erledigen. Aber es ist auch ein Test, ob und wie ich das hinkriege.
Auch wenn ich vernetzt denke und mein Kopf rasend schnelle Rösselsprünge macht, so kann ich nicht agieren. Ohne Struktur scheitere ich, weil Strukturlosigkeit mehr Kraft braucht, als Struktur zu schaffen.
Seit ich letztes Jahr krank aus dem Arbeitsversuch ausschied, ist mein Spielraum, so weiterzumachen wie bisher, noch geringer geworden.

Ich konzentriere mich auf die kleinen Dinge und bei den großen sage ich immer öfter: Heute nicht mehr oder lege Sachen unvollendet aus dem Händen und mache später weiter. Das wäre früher unmöglich gewesen. Der Output wird geringer und die Welt wird übersichtlicher. Das ist gut.

Das Programm zur Vereinfachung der Welt bringt auch mit sich, dass ich an vielen Diskursen das Interesse verliere. Das meint nicht mich, das ist nicht die Welt, in der ich leben will. Ich habe damit nichts zu tun. PAL – Probleme anderer Leute. Es macht keinen Sinn, dass ich da nun auch noch dran rum analysiere.
Ich weiß noch nicht, ob ich viel verliere, wenn ich das alles loslasse. Oder ob es mich ohnehin verloren hat. Es ist auch nicht so, dass es mich gar nicht mehr interessiert. Ich denke darüber nach, aber Lust, mich laut dazu äußern, habe ich immer weniger.

Ich weiß nicht, was das ist. Alt werden? Verspießern? Weisheit? Klarheit? Die süße Interesselosigkeit dessen, der sich ernsthaft ans Nirvana hinarbeitet? (Hahaha!)  Oder nur die Resignation eines Menschen, der viel erlebt und immer öfter den Gedanken, hat, dass das jetzt, zu diesem Moment, eigentlich reicht. Es muss jetzt nicht noch mehr kommen. (Es kommt sowieso.)
Dass das Gefühl, sich als Angelus Novus zu fühlen, rücklings in die Zukunft hineinrasend, die Trümmer der Geschichte wahrnehmend, einfach nur Selbstüberhebung ist. Das bin nicht ich, das ist nicht meins. Nicht mehr.
Den sächsischen König von 1918 zitierend: „Machd eiern Dreck doch alleene…“

Aber die einfachen Dinge.
Nina Petri ist froh, dass ihre Kinder einen anderen Berufsweg als sie einschlagen. Ich habe die Frau immer sehr sehr bewundert. Sie hatte es in dem Job nicht leicht, weil sie kein hübsches Mäuschen war und gerade das hat ihre Arbeit so sehenswert gemacht.
Heiner Müllers Auftrag am Gorki Theater. Es hat mich wenig so geprägt wie dieses Theaterstück. Überhaupt. Müller. Sein dichterisches Grand Guignol passt in diese Tage. Ich habe immer wieder Merteuil im Ohr, wie sie angstvoll von „denen da“ phantasiert, die zu ihrer Gesellschaft und ihrer Existenz gehören, ob sie es will oder nicht.

Die noch einfacheren und sehr schönen Dinge: Das Enkel hat mich durch des Kindes Bauch freundlich angebufft. Wir haben uns also schon miteinander bekannt gemacht.
Und wenn es nächste Woche hier weitergeht, wird es sicher auch wieder weniger trübe, sondern hat ein wenig Weihachtsstrahlen.

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