Mein Freund, der Dienstleister

Für Artikel über die bessere Gesellschaft ist ansonsten Don Alphonso in der FAZ zuständig. Doch meine Charlottenburger Beobachtungen muß ich endlich einmal niederschreiben.

Früher hatten reiche Menschen GesellschafterInnen. Meine Großmutter wäre gern eine geworden, wenn nicht alles ganz anders gekommen wäre – so verfiel sie dem Charme eines attraktiven, ehrgeizigen Jungkommunisten und wurde lange Jahre später Generalsgattin.
Eine GesellschafterIn ist eine meist weibliche Person, die gegen Bezahlung bei einem alleinigen Menschen lebt. Ihr Bildungs- und gesellschaftlicher Stand unterscheiden sie vom Dienstpersonal. Sie ist eine Oberschichtperson ohne eigenes Kapital. Sie unterhält und begleitet ihre/n ArbeitgeberIn bei Reisen und Veranstaltungen, nimmt gesellschaftliche Pflichten ab und organisiert das Gesellschaftsleben. Die Vermeidung verwandtschaftlicher bzw. ehelicher Kontakte wird bezahlt. Gesellschafter gibt es heute vorwiegend in Form von Seniorenbegleitern.

Heute haben reiche Menschen Freunde, Kumpels, Kollegen und wenn nicht, was nicht so selten vorkommt, haben sie Dienstleister. Ich weiß nicht, wann die erste Gesellschaftsdame (also eine, die sich qua Einkommen und Position ihre Mannes so fühlen durfte) ihren Friseur auf eine Gala mitnahm.
Da wir heute alle ach so demokratisch und gleich sind und keinerlei Standesschranken haben, treckt eine Bekannte von mir – erfolgreiche Unternehmerin, Fernbeziehung, ohne Freunde – ihre kroatische Putzfrau samt bauhandwerkendem Mann in den International Club. Die beiden – schöne und fleißige Menschen um die 40 mit drei wunderbaren erwachsenen Töchtern – wären nicht das, was sie jetzt sind, hätte sie nicht der Bürgerkrieg nach Berlin verschlagen. Insofern ist das Handeln der Bekannten nicht grundverkehrt. Gäbe es in der kroatischen Heimatstadt einen International Club und wäre alles ganz anders gekommen, wären die beiden dort respektierte Mitglieder. Doch so fallen sie auf. Mit ihren altersgemäßen, ungebleichten echten Zähnen, die wir für „schlecht“ einordnen, mit ihrer mittelpreisigen Casual-Kleidung, schlechten Schuhen, Schmuck und Uhren. Die Bekannte merkt das nicht. Die beiden schon. Sie sagen nicht, daß es ihnen peinlich ist und sie sagen nicht ab, schließlich werden sie von einer wichtigen Arbeitgeberin mitgenommen. Ob sie tatsächlich eingeladen wurden, weiß ich in diesem Fall nicht.
Die beiden haben mich und die hart arbeitenden und wohlhabenden Bekannten auf mehrere Fußballevents begleitet. Die Frau hielt sich im Hintergrund, trank Wasser und bestellte kein Essen, sie hätte zu Hause gegessen. Der Mann trank Bier und aß anstandshalber von den in die Mitte des Tisches gestellten Tellern und Platten. Als es ans Bezahlen ging und nach typisch deutscher Manier geteilt wurde, zahlte der Mann ein Drittel. Jeder hielt das für normal.
Als ein anderer Bekannter sich mit dem bauhandwerkenden Mann zum Fußball treffen wollte und der die Location mit den Worten „zu teuer“ ablehnte , stieß er auf Befremden. Er käme doch sonst immer mit.
Keiner dieser Leute sah genau hin und dachte weiter nach als über den Abschein seines glänzenden Egos hinaus.
Wenn sie für dich Dienstleister sind und dir angemessen hohe Rechnungen stellen, dann brauchen sie das Geld zum Leben und dazu, ihre drei Töchter studieren zu lassen und die Eltern in der Heimat zu unterstützen. Nicht um mit dir in deinen Lokalen die Abende zu verbringen und deinen Monologen zuzuhören, damit du das Unterhaltung nennen kannst und das Gefühl bekommst, einen Freund zu haben und wenn ihr zahlt, teilt ihr euch die Rechnung, du möchtest ja nicht gönnerhaft sein.

Simulakren wohin wir schauen. Die Dauerfreundin ersetzt die Ehefrau. Der Dienstleister den Freund. Das süße arme Patenkind im exotischen Land den eigenen Nachwuchs. Ohne Verpflichtungen, fast für low und jederzeit stornierbar

7 Gedanken zu „Mein Freund, der Dienstleister

  1. REPLY:
    och, bezahlt find ich ok. würde ich sogar als berufsbild ins auge fassen, wenn noch andere leute als zänkische greise in frage kämen.

  2. REPLY:
    :) danke! das mit den simulakren war denn eher intellektuelles auf-die-kacke-hauen…

  3. Gesellschafterinnen kenne ich aus der englischen Romanliteratur des 18. und 19. Jahrhunderts. Treffendererweise werden sie dort auch „toad eater“ genannt – Krötenschlucker.

  4. Oh ja – danke für die Beobachtung (und für das Wort Simulakren, das ich erst nachschlagen musste!) Ich les Sie ja so gerne, Frau Koma!

  5. REPLY:
    yep…. ich lese Sie auch einfach gern.
    und ein interessantes, so fein beobachtetes thema.
    in unserem früheren haus, wohnte eine „grande dame“ mit gesellschafterin auf 200 qm altbau, vollgestopft mit wertvollem alten mobiliar. wenn sie ausging…. war sie perfekt gestylt, auch mit 92 noch.
    ausgestorben.

  6. Regt sehr stark zum Nachdenken an. Ich erkenne eine Systematik, die noch weitere Simulakren anbietet. Doch ich kann momentan noch keinen Punkt darauf legen.
    Es sei denn, man nimmt vielleicht fernöstliche Esoterik als Religionsersatz.

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