„Lachen Sie doch über etwas anderes!“

Ein sehr guter Artikel von Peer Schrader in der FAS.
Worüber ich seit Monaten herumorakele, geht nun in die öffentliche Diskussion. Die Sender werden mit ihrem billigen Flachzangen-Fernsehen zwar im ersten Zug den Gewinn maximieren, im nächsten Zug werden aber ganze Zuschauergruppen ihr Interesse an ihrem bevorzugten Content (in diesem speziellen Fall Comedy-Serien) längst woanders befriedigen und: diese Zuschauergruppen werden wahrscheinlich nicht mehr zu Opas Glotze zurückkehren und auch kein unflexibles Programmfernsehen mehr akzeptieren.
Als im Dezember das Gespräch auf Fiction im Internet kam, winkten die beiden TV-Redakteure, die mit am Tisch saßen, ab: Sie hätten ganz andere Probleme. Stoffentwicklung, es allen recht machen, Termindruck, inkompetente und rückgratlose Vorgesetzte…
Drei Monate später sitzen 20 RTL-Redakteure auf der Straße und Christiane Ruff, eine der renommiertesten Comedy-Produzentinnen Deutschlands, wirft das Handtuch.
Als hätten wir nichts gelernt aus dem Untergang der Musikindustrie. „Musik im Netz? Hahahaha! … Downloads? Das sind alles Gangster! Wo ist die Staatsanwaltschaft!“, rief man damals.
Der Ton der Fernsehsender ist zu meinem Erschrecken wesentlich bräsiger: „Wir hätten da noch ne nette Casting-Show! Deutschland sucht den Super-Puper! Hey, schaltet eure Spots! Jede Menge konsumwillige Analphabeten sehen zu!“ Problematisch wird es dann, wenn der letzte konsumwillige Analphabet einen DSL-Anschluß hat und wenn er, weil die Kinder gerade da sind, mal von den Pornos wegklickt auf was zum Lachen. Oder wenn sich die konsumwilligen Analphabeten nicht mal mehr Maggi-Suppe kaufen, weil die Banken das Geld verfressen haben.
Lassenw ir uns überraschen, wer dann plötzlich nach neuen Zielgruppen und neuen Inhalten ins Leere schreit.

PS: Ein Medium zu melken, bis es klapperig zusammenbricht, ist das eine. Ich habe nur den Eindruck, daß die Leute, die das gerade tun, auf dem anderen Zug, der gerade abfährt, nicht sitzen werden.

8 Gedanken zu „„Lachen Sie doch über etwas anderes!“

  1. Ihren Ansichten zu diesem Thema kann ich – sozusagen von der anderen Seite her, nämlich als Konsumentin – nur zustimmen.

  2. das hat eher ying-yang mässige auswüchse. in jeder branche gibt es wohl die diskussion auslutschen vs. qualität. ich halte von ersterem garnichts sofern man damit nicht ein längerfristiges taktisches ziel verfolgt. herunterwirtschaften kann ja auch etwas nützliches sein. kurzfristiges denken ist hingegen der mißlungene halbbruder. das so oft durchquälte wort „nachhaltigkeit“ reicht da irgendwie zur urteilsbegründung. bei uns heißt das werthaltigkeit. und die ist auf luftblasen selten gut fundamentiert.

    p.s.: ich glaube große fernsehsender teilen mehr oder weniger das schicksal großer volksparteien. sie können es eh niemandem recht machen.

  3. Mir laufen solcherart mediendebatten zu sehr trager-bezogen; ich mein‘, casting war doch schon immer mist, egal ob im real-time-tv odet auf youtube und guter jazz bleibt guter jazz auch auf mp3 odst…er im stream… Mich würde mal interessieren, wie erfolgreich z.b. arte plus7 so ist…

  4. Bevor Qualität verlorengehen oder ausgeweidet werden kann, müßte sie erstmal vorhanden sein, nicht?

  5. REPLY:
    ich spreche vom fernsehen als massenmedium, nicht von arte oder 3sat. es geht um gutes entertainment. das hat es in den letzten 15 jahren tatsächlich hier und da gegeben (wir sollten nicht vergessen, daß wir bei amerikanischen serien nur die absoluten erfolgsprodukte zu sehen bekommen). es hat mich persönlich nicht immer interessiert, weil ich cineastin bin, beruflich hbe ich es jedoch positiv bewertet.

  6. REPLY:
    zum ps: ja. aber das ist nun mal so wie das kantinenessen. alle sind froh, das es da ist und nölen, daß es nicht so schmeckt wie bei ihrer mama.
    daß es wellenbewegungen gibt, ist klar. das fernsehen wird nicht tot sein, das kino ist ja auch nicht tot, das theater auch nicht, sie sind nur anders geworden.
    trotzdem möchte ich in einer zeit, in der in den wohnzimmern immer mehr fernseher standen, nicht besitzerin eines 600-plätze-kinos gewesen sein.

  7. REPLY:
    content ist nicht auf das medium beschränkt. es geht um mein erlösmodell. in dem einen medium läuft der content aus, in dem anderen ist er noch nicht profitabel drin. daran habe ich derzeit zu knabbern.

  8. REPLY:
    … das mit der kantine ist auch ein seeehr schöner vergleich. was gibt’s eigentlich noch auf dem allgemeinplatzsektor, mir will gerade nichts neues einfallen?!

    wir hätten da noch: das wetter. aber das „macht“ ja keiner bewußt um alle zum nörgeln zu bekommen.

    p.s.: ich finde den sommer übrigens superklasse. bin halt ein nordseekind.

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