Frauen und andere Behinderte

Mitunter habe ich galoppierende Anfälle von Dusseligkeit. Gestern war zum Beispiel so ein Tag. Ich hatte einen Termin, eine Ausstellungsbesichtigung mit anschließendem Umtrunk und geschäftlichem Gespräch.
Was macht Miz Kitty? Steht eine halbe Stunde vorm Schrank, zieht dann repräsentative Preßwurstklamotten raus (ja, es gab Zeiten., in denen habe ich Strenesse und Dear Cashmere gekauft) und sagt sich: „Hey, wenn du mit dem Rad zur Friedrichstraße fährst, dann kannst du hohe Schuhe anziehen!“ Gesagt, getan, ich ziehe meine Ash-Sandalen aus der Kiste, auch zwei Jahre nicht getragen, und stakse mit 14cm-Absätzen vorsichtig die Treppe runter, im Rücken ein fettes Grinsen des Grafen. Auf der Straße fliege ich fast auf die Fresse, aber nach drei Schritten haben sich eine Füße wieder an die Höhe gewöhnt. (Es ist halt so, ich bin mehr als 10 Kilo schwerer und untrainerter als früher, das merke ich auch auf High Heels.) Dann steige ich aufs Rad und zeitgleich fängt es wieder heftig an zu regnen.
Super! Die Straßenbahn nehmen geht nicht, denn da müßte ich ja gut 300 m zu Fuß zurücklegen, mit diesen Schuhen unmöglich. Gott sei Dank ist mein Make up wasserfest und die Haare sind hochgesteckt. Schon in der Linienstraße bin ich naß bis auf die Haut. Und – was noch ekliger ist –  meine mit Handcreme eingecremten Hände schlittern naß auf den Lenkergriffen herum. Außerdem gibt es immer mal glattes Kopfsteinpflaster auf der Strecke.
Trotzdem schaffe ich es, ohne Sturz in die Friedrichstraße zu kommen. …Und habe einen Platten. An der Stelle wollte ich eigentlich sofort umkehren und nach Hause fahren. Nur wie?

Ich absolviere erst mal meinen Termin (erfolgreich, aber diese peinlichen Knieamputierten-Schuhe hätte ich mir echt sparen können) und kehre danach bei Dussmann ein, wo der Graf lesend in einem der Sessel sitzt. Da machte ich das Mädchen und er versuchte ritterlich, wieder etwas Luft in den Reifen zu pumpen. Aber platt ist platt. Bei dieser Höllenfahrt habe ich nicht immer auf Glasscherben geachtet.
Also lege ich mein krankes Rad vor Dussmann schlafen, sage ihm, daß ich morgen bestimmt mit einem neuen Schlauch komme, hatsche zur Straßenbahn, dann über den Zionskirchplatz (Pflasterritzen!) und schließlich die Treppe hoch ins Wolkenkuckucksheim.

Dort stelle ich mich vor den Spiegel und erkläre mir, wie blöd ich bin. Ich bringe anderen bei, wie man Gespräche und Verhandlungen führt. Selbst erscheine ich bei einer geschäftlichen Kontaktaufnahme mit Schuhwerk, das meine gesamte Konzentration braucht und mich jenseits von Gelassenheit auftreten läßt. Ich hätte auch gleich mit einem Rollator dort erscheinen können.

Fünf Sechs, setzen!“

PS. Der Graf hat heute mittag das Rad wieder heile gemacht. Es war tatsächlich eine Glasscherbe.

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8 Gedanken zu „Frauen und andere Behinderte

  1. Ich kenn mich da ja nicht aus, aber haben Frauen für solche Situationen nicht immer flache Schlappen in der Dimensionslochhandtasch? So oder so, man ist nie zu alt, um nicht auch mal unvernünftig zu sein :)

  2. Eigentlich ja. Aber da die Sandalen trotz Höhe eigentlich wie feste Körbe für die Füße sind, glaubte ich, darauf verzichten zu können.
    (Ja und der Mann ist schuld, der irgendwann meinte, eine richtige Dame trüge keine flachen Wechselschuhe bei sich.)

    • Dann kann der Mann ja mal in solchen Schuhen losziehen, ich kann mir (ohne eigene Erfahrungen) vorstellen, dass er das dann vielleicht anders sieht. Oder er trägt die Dame wie ein echter Gentleman über das Kopfsteinpflaster. :)

  3. mein tiefstes verständnis und mitgefühl, liebe mizz kitty.
    ich habe auch grad eine woche auf gefühlt zu hohen schuhen hinter mir, obwohl die auch jedes jahr einen zentimeter niedriger werden.
    heute: fussentspannungstag :-)
    lg ro

    • In der HInsicht bewundere ich Sie so wieso. Jahrein jahraus die die Kampfkleidung tageslang nciht verlassen zu müssen ist mir bisher Gott sei Dank erspart geblieben. (Was beneide ich Männer da um Anzug & Pferdelederschuhe)

  4. Das scheint die Woche der unpassenden Schubekleidung zu sein. Am Mittwoch – ich trete in Bleistiftrock, knallrotem Shirt und Riemchensandalen aus dem Haus, merke, dass es arschkalt und regnerisch ist, bin aber zu faul, wieder hoch zu laufen – hatte ich einen offiziellen Termin mit Entscheidern zweier Städte. Sonst immer ein Jackett im Büroschrank, war das aber leider in der Reinigung. Die polnische Seite goutierte mein Outfit mit galanter Nachsicht, während die deutschen Vertreter peinlich berührt meine Füße (drei Riemen, eine Sohle und 7 cm Stiletto, rot) übersahen. Fast so, wie komplett nackt. Auch ein Erlebnis. (Vorsatz für nächstes Mal: mehr Dekolletee, das lenkt von unten ab.)

    • Wobei ich wogendes Dekolletee fast noch problematischer fände als ganz unten ziemlch nackt ;)
      Wobei, die Herren Entscheider wahrscheinlich nicht.

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