Auf dünnem Filz

Gestern Abend stellte wir in einem Freundinnengespräch fest, dass der größte Teil der Freundinnen, die in unserem Alter sind und die auch unser berufliches Netzwerk bilden, malhiermalda jobben, Teilzeit arbeiten ohne Verantwortung, selbständig sind mit Partner-Fallback oder aber heftig um die Existenz kämpfen. Nur einige sehr wenige sind in Führungspositionen mit Etat- oder Personalverantwortung.
Es geht mir gar nicht um das übliche Lamento, dass Frauen keine Führungspositionen einnehmen, weil (hier bitte Argument der Wahl einsetzen). Sondern um die tote Erde und die fehlenden Synergien für andere, die das bedeutet.

Ich habe den ersten Job nach dem Studium, der mich zu meiner Selbständigkeit brachte, nur bekommen, weil die Frau, die mich eingestellt hat, eine ähnliche Biografie hatte wie ich. Nicht alleinerziehend, aber alleinernährend, mit einem Lebensgefährten, der sich ums Kind kümmerte und jeder Menge Ehrgeiz. Im Vorstellungsgespräch nickte sie lächelnd, als ich ihr erzählte, dass der Wahlvater nur halbtags arbeitet und checkte kurz ab, ob wir ein leicht malades Kind auch mit dem Taxi von der Schule herbringen und mit Buch und Hörspielkassette auf dem Sofa im Besprechungszimmer einkuscheln könnten – falls alle Stricke reißen. Dann hatte ich den Job.

Wir kümmern uns immer gern um Menschen die uns relativ ähnlich sind. Was für Frauenkarrieren ab einem bestimmten Punkt ein Problem bedeutet. Solange frau hübsch, nett, kompetent und vorzeigbar, aber keine Konkurrenz ist, funktioniert die Förderung durch die Männer in Entscheiderpositionen.
Die Frauen haben zwar Mentoren, sind aber damit nicht automatisch Bestandteil eines noch über Jahrzehnte wirksamen Buddynetzwerkes, das ab einer bestimmten Karrierestufe, wenn die Luft dünner wird, dringend nötig ist. Klar katapultiert es immer mal eine im Machtvakuum-Situationen nach oben, aber da ist sie auch lange verdammt einsam. Angela Merkel war als Kanzlerkandidatin das beste Beispiel.
Da Frauen oft nicht so leben und agieren (können) wie Männer, fehlt irgendwann das stumme Übereinkommen. Wenn dann aus einem Männernetzwerk ein Ruf kommt, der so nicht beantwortet werden kann, weil Kinder oder ein Ehemann dranhängen, dessen berufliche Existenz seine Identität ausmacht, weil eine Schwangerschaft dazwischen kommt, regiert das stumme, mit Schulterzucken garnierte Unverständnis. Jeder Mann hätte zugegriffen, warum will die jetzt nicht?
„Die ist ja genauso wie ich vor ein paar Jahren“ funktioniert in gemischt geschlechtlichen Netzwerken kaum. In den meisten Fällen geht es ganz banal um äußere Attraktion oder um sexuelle Anziehung, nicht nur um die Wahrnehmung von Kompetenz und der Chance von nachhaltiger gegenseitiger Unterstützung. (Übrigens wächst das nicht nur auf dem Mist von Männern. Frauen haben von früh auf gelernt, ihre Deals mit weiblichen Waffen zu machen. Langfristige gegenseitige Unterstützung ist sehr sehr selten. Das haben auch Frauen nicht gelernt. Meist sind solche Episoden wie Strohfeuer.)

Das klingt furchtbar nach Steinzeit, ich habe es aber immer wieder so erlebt. Man sichtet einen Stapel vorbereiteter Bewerbungen und schiebt dem Herrn Entscheider die Favoriten zu, der kramt selbst noch mal in den anderen Unterlagen und dann glänzen die Augen und der Satz „Aber die sieht doch gut aus!“ fällt. Und dann kann man an den Herrn Entscheider dranreden wie an einen tauben Ochsen – nicht die erforderliche Qualifikation, null Arbeitserfahrung und Eignung in dem Gebiet, Bewerbung voller Rechtschreibfehler… alles egal, die junge Frau wird als Favoritin zum Gespräch eingeladen. Noch schlimmer ist, wenn der Herrn Entscheider irgendwo eine Bekannte aus der Tasche zieht, die er toll findet, weil so unverbraucht und frisch!

Es geht hier nicht um Männerbashing, auch wenn ich eine Menge Anekdoten auf Lager habe. Wo sind die Frauen, die andere Frauen beruflich fördern? Reicht das für vielen Frauen, die im Berufsleben was reißen wollen? Können und wollen Frauen das? Sind die Deals ausgewogen und zukunftsträchtig? – Was heißt, wird dann auch zurückgefördert?

Ich bin mit meiner Situation gar nicht unglücklich, im Gegenteil. Auch wenn es nicht bis ins Studium zurückgeht, weil die meisten Kolleginnen und Kommilitoninnen tatsächlich rumkrebsen. Aber es gibt das Internet :)
Mir fällt das nur seit langen auf. Haben die Netzfeministinnen eigentlich ein Berufsnetzwerk oder wird das nach dem Politologie- oder Soziologie-Studium schwierig? Solche Fragen stelle ich mir.

6 Gedanken zu „Auf dünnem Filz

  1. Du hast recht. Ich hab es auch so erlebt, inklusive der relativen Einsamkeit an der Spitze und der gläsernen Decke (die du nicht erwähnst). Allerdings sind weibliche (Berufs-)Netzwerke, die dem entgegenwirken könnten, insbesondere bei Frauen meistens unbeliebt, sie haben offensichtlich einen unangenehmen Geruch. „Ich will doch nicht nur weil ich eine Frau bin…. Schade! Schöner Gruß Mema

    • Ich glaube, auch das Schwingen zwischen Konkurrenz und Respekt ist nicht erlernt. Es geht fast immer nur „beste Freundinnen“ oder „geh mir weg mit der“.
      Wenn schon zwische 20 und 30% der Frauenanteil als dominant empfunden wird, geht es eben auch nicht, daß eine leitende Frau mit einer ganzen weiblichen Seilschaft anrücken kann.
      Da drehen dann wieder die Männer durch.

  2. Also, an mir kann’s nicht liegen – ich habe Frauen nachgeholt, eingestellt und gefördert, wenn’s möglich war. Sehr planvoll und bewusst. Stoße aber derzeit an genau die genannten Grenzen: wenig Frauen mit Einfluss, die andere nachziehen.

    Und: In einem ausdrücklichen Frauen-Fördernetzwerk hat tatsächlich eine andere Mit-Mentorin geäußert, sie würde „nie eine der Mentees empfehlen, das wäre ja ungerecht.“ Ich finde, man hätte die Dame ob dieser Äußerung als Mentorin sofort rauswerfen sollen; wozu haben wir das Ganze denn da aufgezogen und unterstützt?!?

    Es wird wohl alles nochmal 100 Jahre dauern, bis die Strukturen auch für Frauen passen.

  3. Ja, ich glaube auch, dass das lange dauert. Und es ist für einen selbst nicht immer von Vorteil, in der Vorhut zu sein.
    Es gibt bei den Frauen, die ich gefördert habe (teilweise fast gegen ihren Willen) derzeit eine, die selbst fördern kann, wenn auch in engem Rahmen.
    Die anderen sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben, Mütter, Gattinnen, kreative Einzelkämpferinnen etc.
    Es ist mir wirklich ein paar Mal passiert, dass ich mir anhören musste, das wäre nicht gut, wenn ich ihren Namen ins Spiel gebracht hatte. Weil andere Pläne, der Mann, das Kind…
    Wobei ich mich nicht immer mit Ruhm bekleckert habe. Ich hatte Angst vor Konkurrenz in diesem Business mit den niedrigen Einstiegshürden und mitunter war ich ziemlich undankbar. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen, dass ich oft nicht gefragt habe, was zurückkommt, wenn ich was initiiert habe.
    Und dieses Gerechtigkeits-Ding… Es geht doch um eine globalere Sache und nicht nur um plattes „eine Hand wäscht die andere“. Da ist noch nicht so richtig Bewegung drin. Wir haben wahrscheinlich beide eine Handvoll Freundinnen und Bekannte, mit denen wir uns die Bälle zuspielen können.
    Aber bei den Männern hat man sich mitunter Jahrzehnte nicht gesehen und es funktioniert. Auch wenn es gar nicht um dringende Jobsuche geht sondern um ganz normale Karriere.

  4. Ich hab n bissl überlegt, ob ich dazu was schreiben möchte oder nicht. Ich möchte.
    Ich arbeite jetzt über zehn Jahre für eine der großen Softwareschmieden in DE. Frauen in der IT hatten ja noch nie einen richtig guten Stand, dass frau um ihre Position kämpfen muss, merke ich aber erst seit ca. drei Jahren. Frauennetzwerke gibt es hier nicht so wirklich, auch, weil selten Frauen in Entscheiderpositionen sitzen in den technischen Abteilungen. Wenn ich hier am Standort bleibe, sind wir sechs Frauen unter etwa 40 Männern über zwei Managementebenen. Als ich hier anfing, hatte ich erstaunlich wenig Probleme mit der Akzeptanz durch meine männlichen Kollegen und meinen damaligen Chef. Gegenwind kam von HR, einer Frau, die anzweifelte, dass ich mich u.a. für den Schichtdienst eignen würde. Mit dieser Person hatten wir lange zu tun; immer gab es Probleme, sei es bei Vertragsumstellungen wegen Firmenzusammenlegungen, Eingruppierungen oder „equal pay“. Letzteres ist heute noch unser Problem hier: wir Frauen bekommen deutlich weniger Geld für die gleiche Arbeit als unsere männlichen Kollegen. Die Männernetzwerke funktionieren super, die Frauen heulen sich beieinander aus, ohne dass sie etwas ändern (können).
    Was hier in vielen Bereichen super funktioniert unter Frauen: Zickenkrieg, Ausbooten bei der Zusammenarbeit oder bei Übergabe von Arbeitsbereichen, Profilieren auf Kosten anderer. Die Firma befindet sich seit rund 8 Jahren in permanenter Umstrukturierung, Ruhe kommt von der Stelle nicht rein und ich habe manchmal den Eindruck, diese Unruhe ist gewollt. Wir hatten zweimal wirklich vielversprechende Managerinnen im Personalvorstand, beide wurden – von Männern – ausgebootet, vermutlich auch, weil sie sich für mehr Gleichbehandlung stark gemacht hatten.
    Ich habe oft den Eindruck, die Zeit ist immer noch nicht reif für diese Frauennetzwerke, in denen sie sich gegenseitig fördern. Da ist zum einen oftmals der Gegenwind, der von den Männern kommt, zum anderen stehen wir uns da oft genug selbst im Weg, weil wir an irgendeiner Stelle wieder das Konkurrenzdenken haben anstatt uns aufs Miteinander zu begeben.

    • Ich finde, das ist ein wichtiger Beitrag!
      Was ich daraus lese, ist, dass wir scheinbar die Geringschätzung in beruflichen Dingen, die sich überall durchzieht, gern auch auf andere Frauen projizieren.
      Ich nehme mich da nicht aus. Ich bin oft stutenbissig und vertraue dem Vermögen von Frauen instinktiv weniger als dem von Männern.
      Ich muss mich dann oft vom Kopf her zur Ordnung rufen.
      Ja, es wird noch lange dauern, da bin ich mir sicher.

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