Ernst Dylan

LENIN

Er rührte an den Schlaf der Welt
Mit Worten, die Blitze waren.
Sie kamen auf Schienen und Flüssen daher
Durch alle Länder gefahren

Er rührte an den Schlaf der Welt
Mit Worten, die wurden Brot,
Und Lenins Worte wurden Armeen
Gegen die Hungersnot.

Er rührte an den Schlaf der Welt
Mit Worten, die wurden Maschinen,
Wurden Traktoren, wurden Häuser,
Bohrtürme und Minen –

Wurden Elektrizität,
Hämmern in den Betrieben,
Stehen, unauslöschbare Schrift,
In allen Herzen geschrieben.

Johannes R. Becher

(der alte Schleimer) Wobei ich die letzten beiden Strophen rhythmisch grandios finde. Ich saß gestern wie vom Donner gerührt im Dylan-Konzert, weil mir plötzlich Textfragmente davon durch den Kopf sausten. Da hatte sich wohl im Unterbewußtsein ein Erinnerungsdeckelchen gelockert. Ich wußte nicht einmal, von wem der Text war. Einer meiner Begleiter – im ersten Leben mit Uwe Johnson beschäftigter Literaturwissenschaftler – tippte auf Kuba, aber der war in meiner Erinnerung nicht ganz so ausgewalzt hymnisch. (Wenn jemand noch den Text der „Kantate auf Stalin“ hat, bitte in die Kommentare setzen) Als ich heute morgen googelte, lag die verborgene Assoziationskette vor mir: Die Stimme von Ernst Busch.

Zu Herrn Dylan kam ich gestern wie die Sprichwörtliche Jungfrau. Es gibt da ein paar Herren, die in jedes deutsche Konzert gehen. Ausschließlich, weil sie am Schluß „All along the Watchtower“ hören wollen.

Einer der Herren war verhindert, eine Karte vakant. Und so kam Kitty in den Genuß, eine Musik erklärt zu bekommen, für die sie in großen Teilen zu jung ist und zu schlecht englisch spricht.

Und dann sang er noch was über Veränderung. Ich verstands natürlich nicht oder nur „changing“. Aber Texte nicht zu verstehen, eröffnet meistens die größere Assoziationsfläche. Und so passte dieses knarzig heruntergeschrammelte Lied sehr gut zu meinem derzeitigen Leben

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16 Gedanken zu „Ernst Dylan

  1. Ist _diese_ Stalin-Kantate gemeint?

    STALIN-KANTATE

    Text: M. Injuschkin
    Musik: A.W. Alexandrow

    In Dörfern und in Städten, in Tälern und auf den Bergen,
    wo frei über Gipfel der Adler sich schwingt,
    von Stalin, dem weisen, dem eignen, geliebten,
    ein herrliches Lied voll Begeist’rung erklingt.

    Ein Lied, das ja so stürmisch wie Vögel im schnellen Fluge,
    Tyrannen erzittern auf wankendem Thron.
    Nicht Wachen, noch Grenzen es zwingen zum Schweigen,
    nicht feindliche Ränke, nicht Spott und nicht Hohn.

    Es fürchtet nicht die Kugel, nicht Gewalt oder Bedrückung,
    es tönt bei der Arbeit, es braust in der Schlacht.
    Dies Lied wird gesungen vom Rikscha und Kuli,
    von Chinas Soldaten im Kampf, auf der Wacht.

    In Dörfern und in Städten, in Tälern und auf den Bergen,
    wo stolz über Wolken der Flieger sich schwingt,
    von Stalin, dem weisen, dem eignen, geliebten,
    das Volk dieses Lied mit Begeisterung singt.

    Quelle: http://www.forum.stalinwerke.de/viewtopic.php?f=10&t=13

    viele grüße!

  2. …mit verlaub, zeile drei und vier der dritten strophe holpern, dass es quietscht…
    Tipp: Vielleicht hat einer der herren einen tonträger der „the Traveling Wilburys“…

  3. och nö. hab ich den doch verpasst! ich geh alle 10 jahre mal (einmal allerdings nur wegen der vorgruppe dalla/de gregori und noch wer, in den achtzigern), menno. aber es war ja auch für sie was dabei!

  4. Ach der Herr Dylan, er nuschelt halt und nölt ein bisschen. Nur darf man das seinen Jüngern nicht sagen.
    Und er bleibt gerne im Unbestimmten.
    Wundern Sie sich also nicht, wenn der Text nicht eindeutig ist.
    Ihn aber gegen das Leninlied zu stellen , ist schon der Hammer.

  5. REPLY:
    vorgruppe hat der alte herr schon lange nicht mehr und seine bandmitglieder tragen hüte und anzüge wie sargträger.

  6. REPLY:
    ja, komisch, was da so aufploppt. wobei die beide sachen (blues und marsch) rhythmisch ja garnix miteinander zu tun haben. es war die stimme.

  7. vermutlich hat es sich um den Song „The Times They Are Changing“ gehandelt.

  8. Ich liebe dich
    weil du mich hart bewachst
    Ich liebe dich
    weil du mich besser machst
    Ich liebe dich
    weil du die Schwäche hasst
    und alles,
    was verbraucht ist
    und verblasst.
    Ich liebe dich
    weil du von mir verlangst,
    dass ich mich halte grad
    und ohne Angst.
    Ich liebe dich
    weil dir allein gelingt,
    dass meine Kraft
    die Schwäche niederzwingt.

    Ein Schleimer, zweifelsohne. Aber ein geniales Versmaß. Der alte J.R.B.

  9. REPLY:
    ah, danke! ja, die soll kuba wohl übersetzt haben. was für ein machwerk.
    ich habe früher mit blauhemd in so einem massenchor gesungen, da hatten wir so manchen blüte kommunistischer politlyrik dabei.

  10. REPLY:
    oh, mit sicherheit. ich erinnere handgeschnitzte plattenteller und hornlautsprecher zum abspielen derselben…

    ich finde ja gerade, daß das holperige so ein bißchen an seine expressionistischen zeiten erinnert.

  11. REPLY:
    auch ich habe so manche rotlichtbestrahlung im musikunterricht und auf dem appellplatz (was für ein wort! *brech*) über mich ergehen lassen „dürfen“. mitsingenderweise. seitdem sind mir die gesungenen hämmerzirkelehrenkränze, druschbas und thälmänner zutiefst zuwider.
    schlimm war damals wie heute, dass bei solchen veranstaltungen immer die am lautesten sangen, mit deren stimmen man hätte fensterrahmen abbeizen können oder kleine, plüschige kaninchen mumifizieren. und die meinten das oft genug auch so. also das rotlicht, nicht das abbeizen.

    der dicke hammer kam aber erst noch: als wir nach 89 dann im wilden westen weilten, ich das ehrwürdige gymnasium besuchen durfte und hoffte, brecht und co ein für alle mal entronnen zu sein – da hatte ich deutsch-leistungskurs und einen bekennenden brecht-begeisterten als lehrer. mit der heiligen johanna und mutter courage und dreigroschen und so weiter. bis ins abi hat er mich verfolgt!

    manchmal ist das leben ganz schön gemein ;)

    schöne grüße und n schönes wochenende wünsch ich!

  12. REPLY:
    das ist tatsächlich eine ironie der geschichte.
    wir haben immer extra falsch und schlecht gesungen und unser schulchor besser gesagt unsere musiklehrerin wurde dafür immer gerügt. „aber kinder, im probenraum klingt ihr doch anständig!“ seufzte sie immer. und den eklat gab es, als die „großen“ renft-lieder sagen.

  13. REPLY:
    ja, ich habe manchmal einen etwas perversen geschmack. da steh ich auch zu.

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