Eine Kuh macht Muh

… und viele Kühe machen Mühe.
Die Welt steht natürlich noch, sie sieht genauso aus wie vorher und wird so bleiben. Ich schleiche noch etwas rekonvaleszent durch mein Revier. Keine Spur von Euphorie, kein Kick, wie sonst üblich nach incentives, wo das satte Aufklatschen nach ein, zwei Wochen inkludiert ist. Es ist eher dieses beklommene Gefühl, das einen nach einer längst überfälligen Trennung beherrscht: Ich habe es wirklich ausgesprochen… Und jetzt? Wie geht es weiter?
Die guten Wünsche für den Chiemsee habe ich erst vor zwei Stunden gelesen. Danke!
Mein Weg führte mich am Chiemsee vorbei in die Berge. Ohne Freiheit, ohne Chance für Sidesteps und Extratouren. Aber selbst auf meinem kleinen Plätzchen an der Bergkante hat sich mir diese Landschaft tief ins Herz und in die Sinne geschnitten. Der Heugeruch, blumigsüß und krautigherb. Die vernebelten Berge, endlose Grauabstufungen hintereinander, wie Scherenschnitte. Die Kühe, die mit ihren langen Zungen das Gras zusammenschleckten. Die drei Kälber, die plötzlich in Formation hinter mir standen und mich anstaunten, wie ich da so im Gras hockte. Die letzte Himbeere, die ich verbotenerweise vom Strauch pflückte und die erste Brombeere. Die milde, goldene Sonne. Der Orion, der mir des Nachts ins Fenster sah, als ich die Augen aufschlug, völlig wach war und wußte, daß die Bogenschützen nun andere sind, daß ich meinen Bogen nach da oben abgegeben habe, um Wurzeln zu schlagen, tiefe, feste Wurzeln.

4 Gedanken zu „Eine Kuh macht Muh

  1. Immerhin hat Berlin doch so schöne breite Strassen…
    und hohe Häuser…
    und die Leute biedern sich absolut nicht an, solange sie kein Geld wollen, zwingen einen nie, Grüss Gott zu sagen…
    überall Grafittikunst…
    und die Spree ist auch nicht kälter als ein Bergsee…
    und keine Kuh glotzt so erstaunt wie ein Typ auf einem schlechten trip an der Bushaltestelle, neben den Mädchen mit den weissen Cowboystiefeln…

    Having said this, möchte ich mich für diesen stimmungsvollen Text bedanken, der mich begleiten wird, wenn ich morgen früh in die Berge fahre. (Mein Berlin, sozusagen)

  2. REPLY:
    und mein wald ist, von stein die gestalt
    und von lärm ist sein angesicht…

    der dank freut mich. nebenbei, es gibt gegenden in brandenburg, die sehen aus wie die toskana. die eingeborenen weben den mythos, hier sei alles voller marodiserender jugendlicher nazihorden. und so stehen eine autostunde von berlin wunderschöne ockerfarbene klinkerhäuser mit riesigen anwesen darum, diskret nach allen regeln der ökologie modernisiert ohne den preußischen charme zu verletzen, für 25% dessen zum verkauf, was so ein haus in bayern kosten würde…

  3. REPLY:
    das ist ein thema, das sicher eines längeren textes bedarf, den ich demnächst schreiben werde. das, was hier steht, ist eindeutig ironie.
    trotzdem hat es mich sehr amüsiert, daß zwei meiner (west-)berliner bekannten, große, kräftige, europide, deutschsprechende männer, die zu einer premiere in stadt brandenburg eingeladen waren, darum baten, mit dem auto vom bahnhof abgeholt zu werden, weil sie angst vor überfällen hatten.
    obwohl es wesentlich wahrscheinlicher ist, daß sie in in ihrem kreuzberger kiez eins von einem araber aufs maul bekommen…
    das macht die presse und das tv.

Kommentare sind geschlossen.