Jahresrückblick 2012

Zugenommen oder abgenommen?
Kurzzeitig etwas leichter geworden, ansonsten Gewicht gehalten. Für den Anfang ist das nicht schlecht. Ich weiß ja, was die Drehschraube ist: Sport und wenig Kohlehydrate. Quark und Salat, Fleisch und Gemüse.

Haare länger oder kürzer?
So lang wie zuletzt 1986, kurz vorm BH-Verschluß. So richtig schön siehts nicht mehr aus, aber ich muss mir das noch geben.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Ohne Brille gehen nur noch Bild der Frau und Apothekenumschau. Ich fürchte, bald brauche ich eine stärkere Lesebrille

Mehr ausgegeben oder weniger?
Verzicht empfinde ich mittlerweile nicht mehr als Degradierung sondern als Herausforderung.

Mehr bewegt oder weniger?
Mehr. Es geht langsam wieder.

Der hirnrissigste Plan?
Mal eben in Heimwerkerpose acht Quadratmeter Wand im Wohnzimmer rausnehmen zu wollen.

Die gefährlichste Unternehmung?
Ich bin grad nicht so risikofreudig.

Die teuerste Anschaffung?
Ich habe eher teuer abgeschafft, also lohnend verkauft, um Dinge, die ich nicht mehr brauche, in andere zu verwandeln.

Das leckerste Essen?
Nach drei oder vier Fehlanläufen endlich perfekte Weihnachtskekse.

Das beeindruckenste Buch?
Ich habe mich durch die neun Bände Jo Nesbø gearbeitet. Ick mag ja so Rampensäue mit Sinn für Effekte.

Der ergreifendste Film?
Ganz platt: Skyfall. Großes Kino.

Die beste CD?
Ich kreise gerade um meine alten Musikliebhabereien. Finde ich nicht so gut. Früher habe ich beim Autofahren immer Radio Fritz gehört, um up to date zu sein.
Irgendwo in den Hits der 70er und 80er zu versacken, das wäre für mich der blanke Horror. Also nix erwähnenswertes.

Das schönste Konzert?
Die Aufführungen zum 25. Jubiläum des Kammermusiksaales. Da besonders Bachs Fuge in C Moll, arrangiert von Mozart.

Der beste Sex?
Älter werden ist Klasse. Der Sex wird immer besser.

Die meiste Zeit verbracht mit…?
Aufräumarbeiten. Für mein Leben und das Barnimkanten-Wolkenkuckucksheim.

Die schönste Zeit verbracht damit…?
Zu schwimmen.

Vorherrschendes Gefühl 2012?
Es wird langsam wieder.

2012 zum ersten Mal getan?
Meinen Ehrgeiz gezügelt und Verantwortung anderen überlassen.

2012 nach langer Zeit wieder getan?
Für ein schönes Heim gesorgt.

Drei Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Da fällt mir nix ein. Ich bau grade nicht viel Mist, weil mein Aktionsradius nicht groß ist. Das ändert sich sicher bald wieder.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Auch da, ich nehme mich gerade ungewöhnlich zurück, daher muss ich niemanden überzeugen.

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?
Schwer zu sagen. Vielleicht den Weg in ein Segment Freiheit gezeigt.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Zeit, da sein, Vertrauen.

Der schönste Satz, den jemand zu mir gesagt hat?
Das will ich für den Rest des Lebens.

Der schönste Satz, den ich zu jemandem gesagt habe?
Zu den Dingen, die ich sage, stehe ich.

2012 war mit 1 Wort…?
Konsolidierung.

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2012 im Schnelldurchlauf

Der von mir sehr verehrte André Hermann hat heute einen voluminösen Jahresrückblick geschrieben. Ich weiß nicht, ob ich das auch kann, oder ob der übliche Fragebogen ergiebiger ist. Schaun wir mal.

Januar
Ein Zimmer renovieren. Handwerker beaufsichtigen, die dem Haus die Rohre rausziehen, Baudreck putzen, Umzugskisten packen. Zum Grafen an die Barnimkante ziehen. Von Freunden mit einem Geburtstagsmenü bekocht werden, da im Umzugstreß.
Februar
Umzugskisten von A nach B schichten. Plötzlich geht das mit der Karriereberatung los. Verwundert und Happy sein. Ämterkrieg und Formulare ausfüllen. Mit den Häkelmädels „Flitzpiepe“ am Schloß aufhängen.
März
Pixel schubsen. Seminar halten. Wanddurchbruch andenken. Vor der Vermieter-Abnahme des Nestchens einen bösen, tagelangen Drehschwindelanfall erleiden. Einbauten aus dem Nestchen zerren und einlagern. Nestchen abgeben. Erste Gedanken daran haben, sich damit abzufinden, daß meine Arbeitszeit in Zukunft nicht mehr 40 Wochenstunden betragen wird. – Statt von einem Erschöpfungsanfall in den nächsten zu fallen.
Ein Jahr Liebe feiern und das Gefühl haben, den Mann schon ewig zu kennen.
April
Statt die Wand in der Küche durchzubrechen, wollen wir aus zwei Wohnzimmern eines machen. Wir planen und zeichnen 2,30 mal 2,70 Durchbruch an und entdecken, dass die Mauer zweieinhalb mal so dick ist, wie gedacht.
Dann lassen wir einen Handwerker und einen Bauingenieur kommen. Beide wiegen bedenklich das Haupt und empfehlen Stahlträger. Wir entdecken in der Wand eine zugemauerte Tür, knuspern vorsichtig Stein für Stein aus der Wand, weil uns die Nachbarn schon scheel mustern und verwandeln die Wohnung in eine Bauschuttdeponie.
Die Blogseuche bekommen und durch mehrmaliges Plattmachen des Blogs bekämpfen.
Mai
Meine erste re:publica. Ein ungeheures Erlebnis, massenhaft auf genauso soziophobische und schüchterne Leute zu treffen.
Der Graf trägt eine Tonne Bauschutt mit Ikeatüten die Treppe runter, wir versuchen 40kg Putzmörtel mit einem Rentnerporsche in der Straßenbahn zu transportieren  und ich mauere eine nicht lotgerechte Türfassung, die ich mit poliertem Stucco überziehe.
Existenzielle Weichenstellung für meine Selbständigkeit, die die nächsten Jahre bindend ist. Noch mehr Papierkrieg. Von Mörtelstaub und Birkenpollen krank.
Juni
Boating mit Dick & Strike und danach eine gackerige Querdurchdiestadtautofahrt, naß und halbnackt, in Pareos gewickelt. Erste Fassung Oper der Phantome gelesen und sehr amüsiert worden

Probleme mit den Nebenhöhlen, die ewig nicht weggehen.

Nächster Wanddurchbruch, diesmal ist die Wand nicht so dick, aber wir versauen mit dem Staub der Flex das ganze Zimmer. Etwas demoralisierend, daß wir seit über zwei Monaten auf einer Baustelle leben und meine Umzugskisten immer noch nicht ausgepackt sind.
Juli
Hektik, Jobs im Endspurt, die sommerliche Draussenfestsaison läuft und der Urlaub rückt näher. 3m-Pax-Schrank mit Schiebetüren aufgebaut.
Dann eine schöne Zeit in niederschlesischen Schlössern, mit Wanderungen im Riesengebirge. Kurzer Touchdown in Berlin, Klamotten umpacken. Ab nach McPomm, zur Taufe von LaPrimavera. Danach ein paar schöne Tage mit alten Freunden in ihrem kleinen Paradies.
Ich habe das Schwimmen wiederentdeckt und der Graf ist mit dabei.
August
15 Kilo Augustäpfel verarbeiten. Tür in den zweiten Durchbruch einbauen, Wohnung putzen. Schrank einräumen. Projekt fertig texten. Alles, was sich vier Monate aufgestaut hatte, in einer Woche gemeinsam durchziehen. Dann Besuch in Doppelschicht.
Danach ging es etwas relaxter weiter. Weniger Arbeit. Spätsommerboating mit den Jungs, Schwänchen von Hand füttern. Mit dem Grafen schwimmen und wieder so etwas wie Figur zurückbekommen.
September
Endlich! Nach mehr als 5 Jahren Anlaufzeit bzw. krankheitsbedingter Pause schwimme ich den Schlachtensee längs, der Graf vorneweg.
Recherche und Kauf der besten Dunstabzugshaube der Welt. Dazu: Die Wohnung wird sehr wohnlich. Den ersten Fachvortrag vorbereiten. Besser spät als nie. Dazu gibts wieder ein Präsenz-Seminar.
Oktober
Vortrag halten, mit einigem Erfolg.
Mit dem Kind an ihrer Bachelorarbeit kniffeln, sie steckt in einer Schreibblockade fest. Das Jahr steckt in den Knochen und weil ich für Papierkrieg 3 Jahre Krankengeschichte hochhole, werde ich im letzten Quartal mental etwas kippelig.
November
Wiederholungs-Vortrag, diesmal vor Studenten. Korrektur von des Kindes Bachelorarbeit. Der erste Ball, auf dem der Graf und ich tanzen, wunderbar. Danach eine fette Erkältung, mal wieder mit Nebenhöhlentango und Antibiotika.
Es ist dunkel, das schlägt mir aufs Gemüt.
Dezember
Schnee! Und ein famlienversöhnendes Weihnachten. Dem Gemüt gehts wieder besser.

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Ein Jahr Ironblogger

Die bloggende Berliner Biertrinker-Fraktion gibt es nun seit einem Jahr und ich bin seit der dritten Januarwoche dabei.
Ohne pathetisch zu werden, die Ironblogger sind schuld, daß mir das Blog nicht irgendwann sanft entschlafen ist oder nur noch aus monatlichen „ich lebe noch“-Posts besteht. Mehr noch, ich hab mir eine Haltung daraus gebastelt, daß ich persönliches schreibe und trotzdem auch eine berufliche Persona im Netz habe. Ich muss das nicht mehr trennen. Ich bin ich. Und dazu kommt der Blick über den Tellerrand in ganz andere Netzregionen: Programmieren, Elektronische Musik, Wikipedia, Politik, PR, Journalismus und und und.
Das gemeinsame Biertrinken ist Spitze. Wie bei so vielen Netzgeschichten mache ich Bekanntschaften mit Leuten, die ich ungeheuer sympathisch und interessant finde und bei denen ich nie die Gelegenheit gehabt hätte, sie zu treffen. Da es immer eine gute Kasse zu vertrinken gibt, sogar ziemlich schnell und öfter. Also, Ironblogger find ich gut!

Veröffentlicht unter Exkurs

Geschafft

Melde jehorsamst, ick hab Weihnachten überstanden!
Und dieses Jahr war es so entspannt wie nie. Ich weiß nicht, was es war, ob nun mein stures Ignorieren des Weihnachtsterrors (ich habe habe nicht ein Mal „Last Christmas“ oder „Power of Love“ irgendwo gehört), das sichtliche Altern meiner Eltern, mein spürbares Altern, das mich vielleicht milder macht oder das vehemente und aggressive Verarbeiten in den letzten Jahren. Es ist vorbei. Ich sitze bei zwei alten Leutchen im Wohnzimmer und freue mich, sie zu sehen. Sie freuen sich auch und haben Klimmzüge gemacht, es uns nett zu machen.
Meine Mutter macht mittlerweile so guten Sauerbraten wie ihre Mutter. Beim Abendbrot fuhr sie für 5 Personen 20 Würstchen auf, wie immer. Ansonsten beschäftigten wir uns diesmal mit Wurzeln. Da der Graf seinen Stammbaum bis 1850 aus dem Kopf kennt und ich jedes Mal ins Stottern komme, wenn es weiter als 1922 zurückgeht, habe ich mal nachgefragt.
Zuerst bei der Oma, die mit 92 noch eine ganze Menge mehr als meine Eltern weiß und dann habe ich Fotoalben von meiner Urgrosstante gewälzt. Meine Vorfahren waren ja – bis auf den Lausitzischen Tapezierer, der ein Kurzwarengeschäft aufmachte – samt und sonders Arbeiter (und vorher wahrscheinlich sächsische, schlesische und böhmische Kleinstbauern). Sie hatten keine Häuser, wohnten zur Miete und gingen schaffen, wo es Arbeit gab. Die einen kamen aus Thüringen in die Zwickauer Gegend, die anderen trafen sich in Leipzig und Dresden, es gab dort genügend Industriejobs für die Männer und Putz- und Heimarbeitsstellen für die Frauen.
Allen war gemeinsam, dass sie arm waren, sehr arm, obwohl sie viel arbeiteten. Zumindest waren sie bereits bemüht, nicht mehr sechs und mehr Kinder in die Welt zu setzen, sonder nur noch eines oder zwei. (Meine Urgroßmutter mütterlicherseits hatte noch zehn Geschwister) Wie sie das hinkriegten, kann man nicht richtig sagen, meine eine Großmutter schlief Jahre mit ihrer Mutter in einem Bett, die hat wohl ihren Mann fast 15 Jahre nicht rangelassen, bis es dann einen Nachzügler gab.
Die Weimarer Republik war eine günstige Zeit für begabte Armeleutekinder. Meine Urgroßtante und ihr Bruder – Kinder eines abgearbeiteten Bergmannes und einer von der Rachitis verwachsenen Hausfrau – waren ungeheuer klug. Sie konnten so gut rechnen und schreiben, dass die Lehrer recht bald in der kleinen Volksschule (6 km zu Fuß, auch bei Schnee) meinten, sie könnten ihnen nichts mehr beibringen. Der Sohn konnte im Elektroladen als Lehrling untergebracht werden, die Tochter, die scheinbar bei einem Gymnasiallehrer in Stellung war (obwohl sie immer vom Professor sprach), wurde von diesem und Verwandten unterstützt, damit sie zur Handelsschule gehen konnte. Nach dem Krieg studierte der junge Mann, der mein Großvater wurde, und wurde Elektroingenieur in einem Kraftwerk. Meine Urgroßtante heiratete einen Schlosser und fühlte sich in der Position als Chefverkäuferin des größten Zwickauer Schreibwarenladens mit acht männlichen Untergebenen nicht wohl ihrem Mann gegenüber. Sie wurde Hausfrau und half nach dem Krieg mal hier, mal da in einem Geschäft aus und machte Urlaubsvertretungen für die Besitzer. Keiner konnte sie mehr überreden, in einen festen Job zu gehen. Schade eigentlich. Kinder hatte sie auch nicht, sie konnten keine bekommen, aber sie half, meine Mutter und mich aufzuziehen.
Die Urgroßtante und mein Großvater waren schön und blitzgescheit, aber dazu mit großer Herzensgüte geschlagen. Durchsetzungsvermögen war nicht so ihres. Die Tante löste alle Kreuzworträtsel, derer sie habhaft werden konnte und pflegte die Alten der Nachbarschaft (ihre Nachbarn lehnten dann, als sie alt und allein war, das „Risiko“, sich um sie zu kümmern, wenn sie mal nicht aus der Badewanne kommen sollte, ab). Der Großvater arbeitete zu viel, weil er nicht Nein sagen konnte, zog ob seiner tuberkulosekranken Frau meine Mutter über Jahre allein und mit Hilfe von Tante und Nachbarn auf, hatte mit 48 einen Herzinfarkt (er trank nicht und war nicht übergewichtig) und starb mit 52 an Krebs. Die beiden waren einfach zu gut für diese Welt.
Mein anderer Großvater wurde ebenfalls recht bald auf die Begabtenschule geschickt, er war präzise und malte und zeichnete sehr gut. Er war aus etwas anderem Holz. Frech, aufstiegsorientiert, sportlich und risikofreudig. Das S-Bahn-Surfen der Jungspunde in den späten 20ern bestand darin, durch die Elbe zu schwimmen, kurz bevor der Kettendampfer die auf dem Grund liegende Kette hochhob. Das war natürlich streng verboten, sonst wäre es auch nicht so interessant gewesen. Im Sonntagsanzug aus dem Stand einen Salto rückwärts zu springen kam cool, um die Mädels zu beeindrucken und ich fischte aus einem Album ein Foto, das den jungen Mann waschbrettbäuchig und noch mit allen Haaren mit den Jungs vom Niedersedlitzer Schwimmverein zeigte. Sächsischer Landesmeister im Abfahrtslauf war er auch mal, Bergsteiger auch, ziemlich freizeitorientiert, der junge Mann. So war auch eigentlich gedacht, dass er den Betrieb des kinderlosen Chefs übernehmen sollte, bei dem er Lithograph gelernt hatte. Aber dann kam der Krieg und alles kam anders und am Schluss landete er beim Militär.
Übrigens, da wir mittlerweile langsam in das Alter kommen, in dem wir uns über die heutige Jugend beschweren. Hier ein antikes Facebook-Foto:
Die Hermann-Gerstner-Gang
Links drei Brüder. Die zwei ersten sind in Stalingrad geblieben, der in der Mitte war Gott sei Dank mit 1,50m zu klein für den Krieg und wurde mein Urgroßonkel, vor ihm sitzt seine Verlobte, die im Text erwähnt Urgr0ßtante und schaut kritisch auf ihren Bruder (mein Opa in spe), der an diesem Tag Bier trinkt.

Dann kramte mein Vater am langen Weihnachtsabend noch Fotos aus den Neunzigern raus. Miz Kitty als androgyne Wasserstoffblondine mit Undercut, dünn wie ein Stecken und ohne Muskeln, das mit dem Sport kam erst später.
Meine Eltern waren damals so alt wie ich jetzt. Kinder, Kinder, wo landen wir in 20 Jahren…

Ach so und da ich hinterher noch auf der Genealogieseite eines Verwandten war, weiß ich nun, dass Martin Luther und der mütterliche Zweig den gleichen Großvater hatten. Ich gehe aber mal davon aus, dass wir diesen Ruhm mit gut drei Millionen Sachsen teilen.

Veröffentlicht unter Leben